Graciano Rocchigiani ist tot: "Rocky" stirbt bei Autounfall

SID
Graziano Rocchigiani wurde 1988 als dritter deutscher Boxer überhaupt Profi-Weltmeister.
© getty

Der deutsche Boxsport ist geschockt und trauert um einen seiner ganz Großen: Ex-Weltmeister Graciano "Rocky" Rocchigiani ist nach übereinstimmenden Medienberichten bei einem Autounfall in Italien ums Leben gekommen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung und der B.Z. bestätigte die Polizei Brandenburg dem SID.

Wie die Bild berichtete, ereignete sich der Unfall in der Nähe von Catania auf Sizilien. Dort soll seine italienische Freundin gewohnt haben. Rocchigiani soll zu Fuß am Rand der vierspurigen Schnellstraße unterwegs gewesen sein und um 23.30 Uhr von einem Smart erfasst worden sein. Am Steuer saß laut Polizeibericht ein 29-Jähriger. Der Aufprall war so heftig, dass die Windschutzscheibe des Kleinwagens durchschlagen wurde. "Rocky" war wohl auf der Stelle tot.

"Man glaubt es nicht, mir ist ganz schaurig", sagte Ex-Weltmeister Henry Maske im ARD-Magazin Brisant. Zweimal hatte er sich im Ring mit Rocchigiani duelliert, "es waren harte Kämpfe, aber mit ihnen ist der gegenseitige Respekt gewachsen." Mit tränenerstickter Stimme fügte er an: "Deshalb ist es umso erschütternder und bewegender, dass er so gehen muss."

"Wir sind bestürzt und fassungslos. Wir trauern um Graciano und sind in Gedanken bei seiner Familie, seinen Kindern und seinen Freunden. Rocky hat nicht nur unseren Boxstall mit seinen Kämpfen geprägt, sondern auch ein großes Publikum mit seinen Kämpfen begeistert", sagte Wilfried Sauerland in einer Presseerklärung.

Der 54 Jahre alte Ex-Champ galt über Jahre als einer der besten Profiboxer Deutschlands, fiel aber auch durch seine flotten Sprüche auf. Anfang des Jahres stieg er beim Fernsehsender Sport1 als Experte ein. "Es wird Zeit, dass mal wieder ein bisschen frisches Blut in die ganze Box-Geschichte kommt", hatte er sein Kommen angekündigt.

Rockys bewegtes Leben: Siege, Millionen, Skandale

Rocchigiani war aber auch deshalb regelmäßig in den Medien, weil er ein Leben in Saus und Braus führte. Der Sohn eines sardischen Eisenbiegers erlernte im Westteil Berlins das Boxen, wurde zweimal Weltmeister, scheffelte Millionen, verprasste alles, stürzte ab und lebte lange von Hartz IV.

"In der Vergangenheit habe ich mich oft wie auf einer Achterbahn gefühlt. Für kurze Zeit ganz oben, als strahlender Sieger, und dann plötzlich wieder ganz unten, am Boden zerstört. Einmal fand ich mich im Straßengraben wieder und dreimal auch im Knast", sagte der Bad Boy des deutschen Boxsports einmal.

Rocchigiani (r.) im Kampf mit Henry Maske.
© getty
Rocchigiani (r.) im Kampf mit Henry Maske.

Das ganze Drama seines Lebens wurde deutlich, als Ex-Ehefrau Christine ihre Autobiografie ("K.o. nach zwölf Runden") vor einigen Jahren veröffentlicht hatte. Drogen, Prostituierte, häusliche Gewalt, Knast, Scheidung - Rocchigiani ließ keinen Skandal aus. Mehrmals musste der Mann aus Berlin-Schöneberg hinter Gitter - u.a. wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder wiederholten Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Rocchigiani wird zweimal Boxweltmeister

Die Ehefrau war auch dabei, als Rocchigiani einender spektakulärsten Prozesse in der Geschichte des Profiboxens führte - und gewann. Am 22. März 1998 hatte sich der Rechtsausleger vor 9000 Zuschauern in der Berliner Max-Schmeling-Halle durch einen Sieg gegen den Amerikaner Michael Nunn den WM-Titel der WBC im Halbschwergewicht gesichert. Als erster deutscher Boxer widerlegte er das Motto "They never come back" und wurde zum zweiten Mal in seiner Karriere Champion.

Vier Monate später sorgte das World Boxing Council (WBC) für einen Eklat. Der Verband, in dem bereits Muhammad Ali Weltmeister war, ernannte plötzlich den Amerikaner Roy Jones zum neuen Champion. Rocchigiani fühlte sich bestohlen und zog in den USA vor Gericht. Am Ende wurden ihm 31 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen. Dem WBC drohte der Konkurs, 2004 ging Rocchigiani auf ein Vergleichsangebot ein und bekam 4,5 Millionen Dollar. Es dauerte aber nicht lange, da war auch diese Summe durchgebracht.

Der geschlagene Rocchigiani muss vom Tiger getröstet werden.
© getty
Der geschlagene Rocchigiani muss vom Tiger getröstet werden.

Rocky gegen Henry Maske und den Tiger

Zur tragischen Figur wurde "Rocky" zur Zeit des deutschen Boxbooms in den neunziger Jahren in Kämpfen gegen die damaligen TV-Lieblinge Henry Maske und Dariusz Michalczewski. Beide Weltmeister hatte er am Rande einer Niederlage, verlor aber jeweils umstritten. Die Rückkämpfe gab er klar ab, sodass ihm der Aufstieg zum nationalen Helden verwehrt blieb.

Am 11. März 1988 war der Stern des Profiboxers Graciano Rocchigiani aufgegangen. Vor 6000 Zuschauern prügelte der damals 24-Jährige in Düsseldorf den Amerikaner Vincent Boulware (USA) im IBF-Titelkampf des Supermittelgewichts windelweich.

Schon damals zeigte sich sein typischer Stil: Sobald er sich bei einem Gegner festgebissen hatte, war der jüngere Bruder von Profiboxer Ralf Rocchigiani nicht mehr zu halten und zeigte spektakuläre Schlagserien. Über Nacht war der Shooting-Star zum Champion geworden, Deutschland hatte nach Max Schmeling und Eckhard Dagge seinen dritten Weltmeister im Profiboxen.