"Raab-Knockout? Wunderbar!"

Von Interview: Tristan Ebertshäuser
Regina Halmich war zwölf Jahre ungeschlagen
© Regina Halmich

Regina Halmich wird 40! In Deutschland ist sie nach wie vor das Paradebeispiel der "starken Frau". Im SPOX-Interview blickt sie auf ihre unfassbare Karriere zurück, in der sie zwölf Jahre ungeschlagene Weltmeisterin war. Sie spricht über Zufall und Ehrgeiz, Rollenbilder, die AfD und Donald Trump. Außerdem verrät sie, was es ihr bedeutete, Stefan Raab niederzustrecken.

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SPOX: Frau Halmich, wie lebt es sich außerhalb des Rings?

Regina Halmich: Mein Leben ist sehr vielfältig. Ich halte Vorträge bei Firmen, kommentiere hin und wieder Kämpfe fürs Fernsehen und habe inzwischen meine eigene Box-Kollektion. Ich bin Markenbotschafterin bei Fitness First und entwickle Trainingsprogramme.

SPOX: Was steht als nächstes Projekt an?

Halmich: Gerade im Moment sind meine Koffer gepackt und es geht nach Dubai. Dort gebe ich Training auf einem Schiff. Die Woche zuvor war ich in Österreich in einem Fünf-Sterne-Hotel. Ich bin also immer wieder für Trainingseinheiten gebucht.

SPOX: Zusätzlich engagieren Sie sich aber auch im sozialen Bereich.

Halmich: Klar, als Person der Öffentlichkeit, die so viel Glück hatte wie ich, finde ich es sehr wichtig, ein Stück zurückzugeben. Ich habe mir viel erarbeitet, aber ich stehe auch auf der Sonnenseite des Lebens. Ich bin zum Beispiel seit Jahren mit dem Weißen Ring verbunden und auch mit dem Deutschen Kinderhilfswerk sowie Pink Ribbon, einer Kampagne für Brustkrebsfrüherkennung. Und weil ich ein großer Tierfreund bin, bin ich außerdem noch bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten aktiv.

SPOX: Empfinden Sie diese Aktivitäten als Verantwortung oder macht es Ihnen einfach Spaß?

Halmich: Ganz klar beides! Ich fühle mich schon emotional verpflichtet, es befriedigt mich aber auch. Es sind ja einfache Dinge. Wenn man mal einen Nachmittag mit sozial benachteiligten Kindern Waffeln backt zum Beispiel, da bekommt man schon so viel zurück. Das ist ein wunderschönes Gefühl. Man muss sich also nicht das eigene Bein ausreißen, um anderen Menschen zu helfen.

SPOX: Springen wir in die Vergangenheit. Ein junges Mädchen macht Kampfsport: Wie kam es dazu?

Halmich: Es gab von der Schule aus einen Grundkurs in Judo. Der war zwar schön, hat mich aber nicht so wirklich bei der Sache gehalten. Eine Freundin hat mich dann mit zum Karatetraining genommen. Das habe ich bis zum grünen Gurt gemacht und gleichzeitig auch schon immer bei den Kickboxern zugeschaut. Der Trainer hat mich dann zufällig angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen. Da habe ich gemerkt: Boah, da geht's ja viel mehr ab! Es war letztlich eigentlich Zufall, dass mein damaliger Trainer mein Talent mit den Fäusten entdeckt hat.

SPOX: Kam Ihr Ehrgeiz schon als Kind von innen heraus oder doch teilweise von den Eltern?

Halmich: Nein, nein, um Gottes Willen! Die wären froh gewesen, ich hätte das nicht gemacht. Die waren zwar sehr stolz auf mich, aber hatten auch immer Angst. Ich wollte schon als Kind immer gewinnen, bin zufällig beim Boxen gelandet und hab es nicht bereut.

SPOX: Sie haben aber dennoch einen normalen Beruf gelernt.

Halmich: Stimmt. Ich habe Rechtsanwaltsgehilfin gelernt, die Lehre aber eigentlich nur gemacht, damit ich was in der Tasche habe. Das war ein bisschen die Bedingung meiner Eltern. Aber mit den Gedanken war ich schon längst beim Sport.

SPOX: Blieb neben der Ausbildung und dem Training überhaupt noch Zeit für irgendetwas anderes?

Halmich: Das hatte schon sehr viel mit Disziplin zu tun. Ich habe meine Lehre gemacht, bin vier bis fünf Mal die Woche ins Training gegangen, musste gleichzeitig noch lernen. Irgendwann kam dann der Kampf in Las Vegas und ich war mitten in meiner Abschlussprüfung. Da kam schon alles zusammen. Das war eine sehr harte und entbehrungsreiche Zeit.

SPOX: Apropos Las Vegas ... Viele Sportler sagen, Niederlagen seien sogar noch wichtiger als Siege. Was sagt man dazu, wenn man wie Sie eine so unfassbare Karriere mit nur einer Niederlage in 56 Profikämpfen hingelegt hat - im April 1995 in Las Vegas gegen Yvonne Trevino?

Halmich: Im Nachhinein? Das war gut so! Die Niederlage war wirklich der Schlüssel zu meinem Erfolg und der Grund dafür, dass ich so hartnäckig geblieben bin. Ich bin quasi gleich am Anfang ins kalte Wasser geworfen worden und habe gespürt, wie es sich anfühlt, wenn man scheitert. Das war eine sehr harte Erfahrung, aber auch eine lehrreiche. Nach diesem Kampf habe ich mir geschworen: Da möchte ich nie, nie wieder stehen, auf der Verliererseite. Das war sehr heilsam.

SPOX: Wo zieht man die Grenze?

Halmich: Naja, beim Boxen darf man nicht zu oft verlieren. Viele Niederlagen kann man sich nicht leisten. Wer drei oder vier Mal verliert, kann die Karriere an den Nagel hängen. Da hätte mich niemand mehr unter Vertrag genommen. Insofern ist der Druck schon sehr hoch, denn man kämpft im Prinzip immer um die eigene Zukunft.

SPOX: Unerlaubte Hilfsmittel sind deshalb keine Seltenheit. Erst kürzlich war Felix Sturm mit einer positiven Dopingprobe in den Medien.

Halmich: Da habe ich eine ganz klare Position! Doping gehört nicht in den Sport. Ich bin schon sehr enttäuscht von der Person Felix Sturm. Da gibt es kein Beschönigen, keine Entschuldigung. Doping ist kein Kavaliersdelikt. Es schadet dem Boxsport. Ich fürchte, trotz aller Kontrollen wird es Doping in irgendeiner Form wohl immer geben. Wichtig bleibt, die Sünder konsequent aufzudecken. Denn nichts ist schlimmer, als wenn diejenigen, die sauber sind, keine Chance haben, zu gewinnen.

SPOX: Für Sie war der Druck aber anscheinend der Grundstein dafür, dass Sie Ihr Potential so ausschöpfen und zwölf Jahre ungeschlagene Weltmeisterin bleiben konnten?

Halmich: Absolut. Wenn meine zweite WM-Chance gegen Kim Messer in die Hose gegangen wäre, wär es das gewesen. Dann hätte ich aufgehört und etwas anderes gemacht. Also der Druck war wirklich unheimlich. Aber je mehr ich hatte, desto besser wurde ich und wuchs über mich hinaus. Ich habe in dem Kampf wirklich mehr als alles gegeben und für meinen Profivertrag gekämpft.

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