"Raab-Knockout? Wunderbar!"

Von Interview: Tristan Ebertshäuser
Regina Halmich war zwölf Jahre ungeschlagen
© Regina Halmich
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SPOX: Gibt es noch andere Momente, von denen Sie rückblickend sagen würden, Sie haben den Verlauf Ihrer Karriere entscheidend geprägt?

Halmich: Auf jeden Fall die Übertragung durch das ZDF. Das war ein langes Hin und Her, ob sie überhaupt Frauenkämpfe zeigen wollen. Irgendwann hatte ich es dann geschafft, wurde Hauptkämpferin und hatte im Schnitt sechs Millionen Zuschauer. Im Abschiedskampf waren es über neun Millionen. Das ist einzigartig in der Geschichte. Das hat keine Frau mehr geschafft und viele Männer auch nicht. Wenn meine Kämpfe nicht übertragen worden wären, dann hätte ich noch so gut sein können. Es hätte einfach niemand gesehen.

SPOX: Sie sind auch unabhängig vom Profisport immer wieder in den Medien. Was hat am meisten Spaß gemacht und was würden Sie sich im Nachhinein lieber sparen?

Halmich: Puh. Eigentlich würde ich alles wieder so machen. Klar, es gab mal so eine Sendung auf Sat1, da wollten sie unbedingt den Boxer Stefan Kretschmann einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen - und ich sollte ihn unterstützen. Wir haben in Russland gedreht und er sollte wie Rocky trainieren. Er war aber sehr medienscheu. Da hätte ich rückblickend keine Lust mehr dazu. Die Medienlandschaft ist auch wirklich sehr schwierig, vor allem was die Qualität angeht. Die Trash-Formate dominieren doch die Quoten und da sehe ich mich nicht zwingend.

SPOX: Eine Frage darf natürlich bei diesem Thema dennoch nicht fehlen. Wie war es, Stefan Raab niederzustrecken?

Halmich: Das war schon eine wunderbare Erfahrung! (lacht) Ich wollte zeigen, dass ich es als Frau schaffen kann, einen Mann zu verprügeln, wenn es sein muss. Zwischen uns waren fast 30 Kilo Unterschied, das war schon ein Risiko. Danach haben sehr viele meine Kämpfe geschaut, die ansonsten mit dem Boxsport nichts am Hut gehabt hätten.

SPOX: Kann Raab zumindest vom Ehrgeiz her mit Ihnen mithalten?

Halmich: Definitiv! Vom Ehrgeiz ist er regelrecht zerfressen und hätte mich wohl auch K.o. geschlagen, wenn er es denn gekonnt hätte. (lacht) Da versteht er keinen Spaß. Er ist Sportsmann durch und durch. Er ist fitter als er aussieht und sehr vielseitig. Raab ist also durchaus ernst zu nehmen. Klar, in fünf bis sechs Wochen Vorbereitungszeit kann man Boxen eben nicht erlernen, aber ehrgeizig war er absolut. Er hat eine große Klappe, aber da steckt immerhin auch was dahinter.

SPOX: Gewinnen konnte er dennoch nicht. Was hat bei Ihnen überwogen: Genugtuung oder Mitleid?

Halmich: Nein, also Mitleid muss man mit Stefan wirklich nicht haben. Der Kampf hatte bis heute die höchste Einschaltquote in der Geschichte von ProSieben. Ich habe gut verdient, Stefan hatte eine gute Quote, dem Sender hat es gut getan - letzten Endes waren wir alle Gewinner.

SPOX: Sie gelten als Sinnbild der "starken Frau" und haben als Boxerin in einem stark männlich dominierten Berufsfeld aufgetrumpft. Wie sehen Sie sich eigentlich selbst?

Halmich: Beruflich habe ich eine Seite, die kann schon knallhart sein. Anders geht es auch einfach nicht in diesem Sport. Ich hätte mich nie behaupten können, wenn ich zu emotional gewesen wäre. Privat ist das bei mir ganz anders. Da bin ich sehr entspannt, überhaupt nicht verbissen und mag es gerne, wenn ein Mann an meiner Seite auch mal der Beschützer ist.

SPOX: Was halten Sie als "Muster-Gegenbeispiel" von Stimmen, die Frauen lieber auf sogenannte "traditionelle" Rollen beschränken wollen?

Halmich: Ach, da reagiere ich gar nicht mehr drauf. Ganz ehrlich. Ich bin für die Gleichberechtigung, habe das immer gelebt und ich kenne es auch gar nicht anders. Wenn jemand eine andere Lebensform wählt oder Frauen sich unterbuttern lassen, ist das schwierig. Es sollte nicht sein, aber das muss jeder selbst herausfinden.

SPOX: Sorgen machen Sie sich also keine?

Halmich: Doch natürlich. Es gibt politische Entwicklungen, da macht man sich schon Gedanken. Aber es ist halt schwierig, solche Dinge zu verändern. Man kann oft nur den Kopf schütteln und seine Meinung sagen. Ich sehe unsere Gesellschaft aber eigentlich schon als sehr modern an.

SPOX: Sollte man seine Position in der Öffentlichkeit aktiv gegen solche Tendenzen einsetzen? Die AfD vertritt ja beispielsweise lautstark ein Rollenbild, das die Frau eher hinter dem Herd als im Boxring sieht.

Halmich: Ich sage ganz offen, dass dies eine schlimme Entwicklung ist. Dass die AfD so stark geworden ist, ist meiner Meinung nach eine Verzweiflungstat. Ich glaube, viele haben sie aus Protest gewählt und wissen überhaupt nicht, was die für ein Wahlprogramm haben. Gerade die Rolle der Frau - das ist schon bedenklich. Ich finde es auch nicht gut, dass in den USA jetzt Donald Trump gewählt wurde. Das entsetzt einen schon. Man kann nicht mehr machen, als das kundzutun. Ich habe meine Meinung und die ist kein Geheimnis, aber in der Politik sehe ich mich selbst nicht.

SPOX: Was machen Sie mit Ihrer Energie in der Zukunft?

Halmich: Mein Leben ist sehr vielseitig und dafür bin ich wahnsinnig dankbar. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist und lasse mich überraschen, was weiter so kommt. Ich hoffe einfach, dass es noch ein paar Jahre so weitergeht. Es ist kein Geheimnis, dass ich gut verdient habe zu meiner aktiven Zeit. Aber trotzdem lebe ich normal weiter und habe keine megahohen Ansprüche.

SPOX: Ihnen ist also die badische Bodenständigkeit geblieben?

Halmich: Genau! (lacht) Ich glaube, die habe ich von meinen Eltern geerbt. Ein guter Charakterzug. Es mag manchmal etwas langweilig klingen, aber die hält einen auf dem Teppich. Ich kenne es ja auch, mit wenig Geld auskommen zu müssen. Am Anfang meiner Karriere habe ich in den einfachsten Appartements gewohnt. Doppelstockbetten, ohne Fernseher, habe das Zimmer geteilt. Ich komme von ganz unten und habe mir jede Mark hart erarbeiten müssen.

SPOX: Haben Sie einen Rat für junge Sportlerinnen und Sportler, die einen ähnlichen Weg vor sich haben, wie Sie ihn gerade beschrieben haben?

Halmich: Man braucht Ausdauer, Durchhaltevermögen und einen ganz, ganz langen Atem. Jedem muss bewusst sein, dass es nicht von heute auf morgen geht. Und ganz wichtig: Wenn man einen Rückschlag erleidet, wie ich 1995 in Las Vegas, darf man den Glauben an sich selbst nie aufgeben und sein Ziel und seine Träume nicht aus den Augen verlieren, nur so kommt man ganz nach oben!

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