"Dirk war immer ein kleiner Witzbold"

Sven Schultze absolvierte über 100 Spiele für die deutsche Nationalmannschaft
© imago

Letzte Saison gewann er mit Alba noch das Top Four, nun hat sich Sven Schultze den Eisbären Bremerhaven angeschlossen. Im großen SPOX-Interview spricht der Veteran über seinen Wechsel und den Zustand der BBL im Vergleich zum Beginn seiner Karriere. Außerdem: wilde Geschichten aus Griechenland, Witzbold Dirk Nowitzki und die Debatte Nationalmannschaft vs. NBA.

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SPOX: Herr Schultze, vor kurzem sorgte Alba Berlin mit dem Sieg gegen die San Antonio Spurs für großes Aufsehen. Entwickelt man da auch ein bisschen Wehmut, nicht dabei gewesen zu sein? Sie sind ja erst im Sommer nach Bremerhaven gewechselt.

Sven Schultze: Nein, gar nicht. Ich konnte das Spiel leider nicht sehen, weil wir zu der Zeit selbst im Einsatz waren. Als ich aber danach gehört hatte, dass sie per Buzzerbeater gewonnen haben, dachte ich einfach nur: "Krass!" Ich habe mich für die Jungs total gefreut, einigen hatte ich vorher noch geschrieben, dass sie alles geben und jeden Moment genießen sollten. Für den deutschen Basketball ist das natürlich auch toll. Ich durfte die Erfahrung vor zwei Jahren ja auch mit Alba machen, als wir gegen die Mavs gespielt haben.

SPOX: Können Sie das Erlebnis beschreiben?

Schultze: Das ist schon einmalig. Das hat so ein besonderes Flair, als würde man selbst in der NBA spielen. Ich wäre vielleicht ein wenig neidisch auf die Jungs gewesen, wenn ich diese Erfahrung damals nicht gemacht hätte. (lacht)

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SPOX: Apropos Erfahrung. Daran fehlt es Ihnen ja nicht: Sie haben 1995 Ihre erste BBL-Saison absolviert. Mit Blick auf damals - wie hat sich die deutsche Basketball-Landschaft seitdem verändert?

Schultze: Da hat sich so viel getan. Zum einen ist die Liga vom Spiel her viel besser geworden, fast jeder Verein hat mittlerweile eine moderne Arena, in die mindestens 3000 Zuschauer passen müssen. Als ich angefangen habe, waren das noch bessere Schulhallen, die bei Bedarf einfach restlos überfüllt wurden. (lacht) Amerikaner gab es damals maximal zwei pro Mannschaft, das muss man sich mal vorstellen.

SPOX: Und wie sehen Sie die BBL im internationalen Vergleich?

Schultze: Auf einem richtig guten Weg. Mittlerweile finden sich viele gute Spieler in der Liga, die beispielsweise in den USA am College waren. In der Euroleague haben es in den letzten Jahren einige deutsche Teams recht weit gebracht, und das auch seit einiger Zeit wieder mit jungen deutschen Spielern in Führungsrollen.

SPOX: Wird sich das in den nächsten Jahren auch wieder mehr auf die Nationalmannschaft auswirken?

Schultze: Ich gehe davon aus. Das Talent ist ja vorhanden, in den letzten Jahren ging es aber eben auch immer wieder darum, wer nun der Richtige für den Bundestrainerjob ist, da gab es wenig Stabilität und keine erkennbare Handschrift. Der richtige Mann wäre Svetislav Pesic gewesen, aber bei ihm kam dann eben dieses Wahnsinnsangebot von den Bayern. Jetzt muss eben eine andere Lösung her, die dauerhaft etwas aufbauen kann.

SPOX: Trauen Sie Emir Mutapcic diese Rolle zu oder denken Sie eher an jemand anderen?

Schultze: Ich weiß nicht, wie seine Pläne sind, ob er das weitermachen will. Er hatte jetzt eine ziemlich schwierige Zeit, auch wenn er viele der Jungs schon aus der U 20 kannte. Wenn man ihm das Vertrauen gibt, traue ich Mucki schon viel zu. Das kommt aber auch auf das Entgegenkommen der Bayern an.

SPOX: Diesen Sommer gab es ziemlich viel Unruhe wegen der Spieler, die sich in der Summer League versuchten, statt mit der Nationalmannschaft zu trainieren. Auch Mutapcic kritisierte sie öffentlich. Haben Sie eine Meinung dazu?

Schultze: Wer diese Chance hat, soll sie ruhig nutzen. Jeder Basketballspieler auf der Welt träumt davon, in die NBA zu kommen. Wenn sich diese Chance bietet - was spricht dagegen?

SPOX: Bei Ihrem Jahrgang sah das aber anders aus.

Schultze: Das lag allerdings vor allem daran, dass man damals nicht an diese Chance glaubte. Natürlich konzentrierte man sich dann eher auf die Nationalmannschaft. Ich für meinen Teil kann aber niemanden verteufeln. Und wer weiß: Vielleicht würde ich mich heute auch anders entscheiden.

SPOX: Hat sich diese Tür durch den Erfolg von Dirk Nowitzki und anderen internationalen Spielern geöffnet?

Schultze: Ja, man muss sich nur anschauen, wie viele Nationen bei den Spurs rumlaufen und wie viele Europäer mittlerweile in der NBA gute Rollen spielen. Wenn man das sieht, glaubt man natürlich eher an die eigene Chance, sich dort durchzusetzen.

SPOX: Nowitzki ist ein gutes Stichwort. Er sagte einmal, Sie seien mit der beste Mitspieler, den man haben kann. Was genau zeichnet Sie denn aus?

Schultze: Ich würde behaupten, dass ich immer gut darin war, die kleinen Dinge zu machen, die für den Sieg wichtig waren. Ich war nie der Typ, der wahnsinnig viele Punkte oder Rebounds geliefert hat. Harte Blöcke stellen, wichtige Rebounds holen, den freien Mann finden und immer vollen Einsatz geben, das trifft es schon eher. Und wenn ich frei bin, habe ich auch die Eier, mal einen reinzuhauen. (lacht) Dass einer wie Dirk mich dann so adelt, freut mich natürlich extrem.

SPOX: Andersherum gefragt: Wie war es für Sie, immer wieder mit Nowitzki zu spielen, während er mehr und mehr zum Weltstar wurde?

Schultze: Das hat sich nie so angefühlt. Wir kennen uns ewig, haben schon in der Bayern-Auswahl zusammengespielt und dann die ganzen U-Nationalmannschaften gemeinsam durchschritten. Deswegen war das auch später, als er so viel Erfolg hatte, eigentlich das Normalste der Welt. Auch wenn natürlich jeder wusste, dass Dirk der wichtigste Mann war. Er hat uns 2008 zu Olympia geführt und 2005 haben wir dank ihm in Belgrad Silber bei der EM gewonnen. Der deutsche Basketball hat ihm unheimlich viel zu verdanken.

SPOX: Privat soll er ja richtig witzig sein.

Schultze: Ja, das ist das Schöne bei ihm, er hat sich nie groß verändert. Schon als ich ihn kennen lernte, war er einfach ein Kasper, ein kleiner Witzbold. (lacht) Er hat schon immer gerne rumgeblödelt und hat sich das zum Glück erhalten.

SPOX: Während er sich in der NBA einen Namen machte, gingen Sie 2005 nach Mailand, für die Zeit ein ungewöhnlicher Schritt. Wie kam es dazu?

Schultze: Mein Vertrag in Leverkusen lief damals aus, und ich wollte mich gerne mal im Ausland versuchen. Der Mailänder Manager Marco Baldi - nein, nicht DER Marco Baldi (lacht) - hatte einen guten Draht zu unserem Management und als sich bei denen einer verletzt hatte, hat mich Bayer netterweise aus meinem Vertrag gelassen, damit ich wechseln konnte.

Seite 1: Schultze über Alba, die Nationalmannschaft und Dirk Nowitzki

Seite 2: Schultze über das Ausland, Bremerhaven und die Karriere danach

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