Der beste Quarterback des NFL Draft: Caleb Williams
College: USC, Alter: 22 Jahre, 1,86 m, 97 kg
Unter nahezu allen Draft-Experten wird USC-Quarterback Caleb Williams als Nummer eins angesehen. Der in Washginton geborene Williams hat als großen Pluspunkt seine enorme Beweglichkeit. Immer wieder bricht er aus der Pocket aus, verlängert Spielzüge und bringt den Ball noch an den Mann - oder geht einfach selbst. Das erinnert an die zuletzt extrem erfolgreichen Patrick Mahomes, der aktuell als bester Scrambler gilt, oder auch Lamar Jackson, der extrem gerne selbst läuft.
Williams ist vor allem auf kurze Pass-Distanzen ein sehr sicherer Ballverteiler, seine Genauigkeit bei längeren Pässen kann er definitiv noch verbessern. Dabei besitzt er aber das Armtalent, auch richtig tiefe Pässe mit ordentlich Power anzubringen. Doch kurze Pässe und eigene Läufe werden ihm den Einstieg in die NFL voraussichtlich sehr erleichtern. Dabei hat er ein sehr gutes Gefühl für die Pocket. Er bewegt sich extrem selbstsicher darin, findet nochmal bessere Räume oder bricht eben zur Seite aus, wenn nötig. Gerade Rookies scheitern oft am Bewusstsein für den gegnerischen Pass Rush.
Kritikpunkte gibt es neben den etwas ungenauen Würfen auch an seinem Spielstil: Bei USC hatte er nicht die besten Mitspieler und musste viel auf die eigene Schulter nehmen. Das führte stellenweise dazu, dass Caleb Williams zu wild agierte und zu viel riskiert hat. Er warf auf College-Level kaum Interceptions, was auch daran lag, dass er seinen Receivern selten vertraute. Riskante Würfe, bei denen er antizipieren musste, wo seine Receiver frei werden, sieht man von ihm auf dem College-Tape nur selten. Generell muss Williams noch lernen, das Spiel besser zu lesen - und seine verschiedenen Stationen abzuarbeiten. Häufig ist er zu fokussiert auf den Nummer-eins-Receiver des aktuellen Spielzugs.
Draft-Vorhersage: Williams gilt als bester Quarterback, an erster Stelle des NFL Draft 2024 wählen die Chicago Bears - und diese brauchen unbedingt einen neuen Quarterback. Der Spielstil von Williams dürfte gut zu Chicago passen. Es wäre sehr verwunderlich, wenn Caleb Williams nicht mit dem ersten Pick ausgewählt werden würde. Sollten sich die Bears jedoch in einen der Konkurrenten verlieben, freut sich die Konkurrenz: Auch die Washington Commanders an zweiter oder die New England Patriots an dritter Stelle würden Williams bestimmt gerne nehmen.
Erfahren und athletisch: Jayden Daniels
College: LSU, 23 Jahre, 1,93 m, 96 kg
Jayden Daniels kam jung ans College, entschied sich dann aber, von der Corona-Sonderregel Gebrauch zu machen und eine fünfte Saison zu, spielen anstatt schon nach vier oder sogar wie häufig bei talentierten Quarterbacks verfrüht nach drei Jahren abzugehen, wie es bspw. Caleb Williams tut. Diese Erfahrung ist auch im Spiel von Daniels sichtbar. Nach drei Saisons bei einer kleineren Universität (Arizona State) wechselte er 2022 zur LSU und konnte vor allem in den vergangenen zwei Jahren noch viel in Sachen Spielintelligenz lernen. Er liest die gegnerische Defense sowohl vor dem Snap als auch während des Spielzugs hervorragend und kann so frühzeitig Anpassungen vornehmen. Zudem arbeitet er seine Reads im Spielzug sehr diszipliniert durch und hat somit keine Probleme, wenn die Nummer eins mal nicht verfügbar ist.
Bei LSU verbesserte er zudem stark seine Fußarbeit. Selten findet man von ihm Würfe, bei denen er nicht gut steht - er bewegt sich clever und ist immer bereit, einen technisch sauberen Wurf abzufeuern. Wenn das nicht klappt, kommt eine weitere Qualität hervor: seine Athletik. Jayden Daniels ist etwas dünner, dafür aber schnell und beweglich. Aus einem Scramble wird schnell mal ein Big Play über einen eigenen Lauf. In seinem finalen Jahr bei den LSU Tigers lief er 135-mal selbst, holte dabei starke 1134 Yards und zehn Touchdowns. Im Vorjahr waren es sogar 186 Läufe und elf Touchdowns - die Yard-Ausbeute mit 885 aber deutlich niedriger.
Dass Daniels mit diesen Voraussetzungen nicht als bester Quarterback der Klasse gesetzt ist, liegt vor allem an seinem Arm. Er hat etwas weniger Kraft als beispielsweise Williams und bringt daher seine tiefen Pässe nicht gut an den Mann. Zudem sind seine Scrambles zwar gefährlich, seine Pässe aus diesen Situationen aber längst nicht so gut wie bei der Konkurrenz. Auch schnelle, kraftvolle Würfe durch enge Passfenster sowie in Richtung der Seitenlinie sind bei Daniels eine Gefahr. Ein Team, das ihn draftet, muss sich seines Spielstils annehmen. Zumal eine weitere Gefahr dazu kommt: Sein weniger muskulöser Körper und seine Tendenz, selbst zu laufen, sorgen für Bedenken in Sachen Gesundheit. Er könnte anfälliger sein als die Konkurrenten.
Draft-Vorhersage: Es ist gut möglich, dass Jayden Daniels direkt als zweiter Spieler ausgewählt wird und die Washington Commanders in ihm den Quarterback der Zukunft sehen. Offensive Coordinator Kliff Kingsbury würde gut zu ihm passen. Er wurde 2023 mit der Heisman Trophy ausgezeichnet, war also im letzten Jahr der beste College-Spieler. Die Bears hatten in Justin Fields zuletzt einen ähnlichen Quarterback. Möchte Chicago bei diesem Spielstil bleiben, könnte es Daniels sogar an Pick eins schaffen. Entscheiden sich sowohl Bears als auch Commanders gegen ihn, geht es aber möglicherweise noch etwas weiter zurück. Denn die New England Patriots an dritter Stelle sind nicht für athletische und laufende Quarterbacks bekannt - auch wenn dort zuletzt mit der Entlassung von HC Bill Belichick ein Führungswechsel stattfand. Möglicherweise kommt ein Team, das einen Quarterback wie Daniels sucht, dann an Stelle drei oder vier nach vorne - oder er fällt...
Der unerfahrene Pocket Passer: Drake Maye
College: North Carolina, Alter: 21 Jahre, Größe: 1,93 m, Gewicht: 101 kg
Der absolute Gegenentwurf zu Daniels heißt Drake Maye. Der junge redshirt-Sophomore ist gerade einmal 21 Jahre alt und spielte nur zwei volle Saisons bei North Carolina. Dabei glänzte Maye vor allem durch sein enormes Arm-Talent. Er hat eine extreme Power in seinen Würfen und kann so jeden Teil des Feldes problemlos erreichen. Er ist groß, kräftig und passt damit auf die Wunschvorstellung vieler Quarterback-Scouts. Mit seinem enormen Selbstvertrauen nimmt er sich viele schwierige und riskante Würfe. Das ist oft positiv - und führt dazu, dass er immer wieder in schwierigen Spielphasen als Held gefeiert wird. Es sorgt aber auch für einige Fehler und relativ viele Interceptions. Das Thema Ballsicherheit muss das Team, das Maye draftet, definitiv angehen.
Zumal er es seinen Receivern auch gerne etwas schwer macht. Maye wirft auch kurze Pässe extrem hart, das macht sie stellenweise schwierig zu fangen. Wie beim Risiko-Management auch, muss er noch lernen, die richtige Balance zu finden. Doch der Mut dominiert hier definitiv die Scouting-Berichte. Der letzte Quarterback, der die Attribute "enormes Armtalent" und "gerne mal zu riskant" in dieser Form verband, heißt Josh Allen und entwickelte sich später sehr gut. Wie Allen ist sich Maye nicht zu schade, selbst zu laufen und physisch durch Verteidiger zu gehen, um wichtige Yards zu erkämpfen. Ein natürlicher Läufer ist er aber nicht.
Während das junge Alter bedeutet, dass Coaches ihn noch sehr frei zu einem gewissen Spielertyp entwickeln können, kommt es auch mit dem Problem, dass er wenig Erfahrung hat und technisch nicht annähernd so weit ist wie etwa Jayden Daniels. Er liest das Feld vor und während der Spielzüge nicht so gut und könnte Probleme kriegen, das schnellere NFL-Tempo mitzugehen. Zudem wirft er vor allem auf kurze Routen etwas ungenau und nicht perfekt in den Rhythmus des Receivers hinein. Das führte neben riskanten Entscheidungen zu 16 Interceptions in nur zwei College-Saisons.
Draft-Vorhersage: Sollten die Bears und die Commanders ihn vorbeiziehen lassen, dürfte spätestens bei den New England Patriots an dritter Stelle Schluss sein. Dort soll man zwar mit dem Gedanken eines Trades spielen, doch Drake Maye klingt nach dem perfekten Quarterback für die Franchise aus Boston. Die Meinungen der NFL-Experten bei Maye gehen extrem auseinander. Vereinzelt findet man ihn in den Rankings sogar über Williams - manchmal aber auch deutlich tiefer. Das Worst-Case-Szenario dürfte ein Fall bis an die elfte Stelle sein. Dort draften die Minnesota Vikings, die Maye zu einem privaten Workout eingeladen haben. Gut möglich, dass die NFC-North-Franchise sogar nach oben tradet, sollte Maye an den Patriots vorbei fallen.
Der College-Champion: J.J. McCarthy
College: Michigan, Alter: 21 Jahre, Größe: 1,90 m, Gewicht: 99 kg
J.J. McCarthy ist der erfolgreichste Quarterback der Draft-Klasse - zumindest im vergangenen Jahr. Seine Michigan Wolverines rund um Headcoach Jim Harbaugh, der seit neustem die Los Angeles Chargers coacht, gewannen die Nationale Meisterschaft im College-Football mi 34:13 gegen die Washington Huskies. Im Finale blieb McCarthy jedoch blass: Er brachte nur zehn seiner 18 Pässe für 140 Yards an, erwarf keinen Touchdown.
Dadurch wird schon sein Spielstil etwas klar: Er ist kein Mann für extreme Highlight-Plays, dafür spielt er sehr sicher und ist ein guter Game Manager. Er macht wenig falsch und bringt seine Teamkollegen in die beste Situation, um das Spiel zu gewinnen. McCarthy setzt Effizienz über individuelle Klasse. Das bedeutet nicht, dass er keine herausragenden Spiele hatte - im Halbfinale erledigte er die Alabama Crimson Tide mit drei Touchdowns quasi im Alleingang. Obwohl er bereits drei Jahre spielte, ist er noch sehr jung und hat einiges an Entwicklungspotenzial. Doch er spielt immer für sein Team, nimmt auch Hits in Kauf, um dabei den Ball anzubringen. Deshalb vergleichen ihn viele NFL-Experten in seinem Spielstil mit Bengals-Star-Quarterback Joe Burrow, der ebenfalls nicht das größte Armtalent besitzt, aber aufopferungsvoll spielt.
Michigan spielte jedoch eine sehr Laufspiel-orientierte Offense. Immer wieder wurde auch McCarthy das Spiel durch kurze Pässe oder Checkdowns einfach gemacht. Dabei hatte McCarthy immer wieder Probleme, wenn sein erster Read nicht frei war. Das Feld zu lesen, ist eine seiner großen Schwächen. Neben seiner fehlenden Kraft fehlt es auch an Technik bei den Würfen, hier ist jedoch vielleicht durch einen guten Coach noch einiges zu retten. Dazu glänzt er auch nicht über eigene Läufe. McCarthy lebt wirklich extrem vom Team-Gedanken - und genau deshalb schwanken hier die Meinungen der Evaluatoren wohl am meisten.
Draft-Vorhersage: Während einige NFL-Experten sogar den Chicago Bears raten, einen aufopferungsvollen Leader wie McCarthy an erster Stelle zu wählen, sind andere gar nicht begeistert und sehen McCarthy nicht ansatzweise im ersten Tier der Quarterbacks. Aufgrund der vielen Teams, die dringend einen Quarterback brauchen, wird McCarthy wohl trotzdem ohne Probleme in den Top-15 des diesjährigen Drafts ausgewählt werden. Die New York Giants an sechster Stelle könnten ein Abnehmer sein, genauso wie die Minnesota Vikings an Platz elf, die Denver Broncos an zwölf oder die Las Vegas Raiders an 13. Stelle. Gut möglich, dass eines der Teams auch nach oben tradet, um die jeweils anderen zu überspringen, sollte McCarthy im Bereich sieben bis zehn noch verfügbar sein.
Weitere Quarterback-Optionen: Bo Nix und Michael Penix Jr.
Neben den Top-4-Quarterbacks gibt es noch zwei weitere Ballverteiler, die durchaus spannend sind und sogar früh in der ersten Runde gedraftet werden könnten, spätestens aber am zweiten Drafttag einen Abnehmer finden müssten. Zudem
Bo Nix
College: Oregon, Alter: 24 Jahre, Größe: 1,88 m, Gewicht: 97 kg
Wie Daniels nutzte auch Bo Nix die Covid-Sonderregeln, um fünf Jahre College-Football zu spielen. Als einer der besten Highschool-Quarterbacks kam er 2019 zur Auburn University, zeigte dort aber eher durchschnittliche Leistungen. 2022 transferierte er zu Oregon und machte es dort besser. Nix ist ein erfahrener Quarterback, der die Defense gut lesen und Schwachstellen attackieren kann. Er ist gut darin, Spielzüge zu verlängern und im Lauf zu werfen. Überhaupt hat er eine gute Wurftechnik. Nix hat einen guten Arm, aber auch kein Elite-Armtalent und spielt extrem sicher. Er wirft viele kurze Pässe und traut sich selbst offene Receiver teilweise nicht anzuwerfen, was ihn einige Punkte kostete. Einen großen Einfluss auf seine Draft-Position dürfte auch Justin Herbert haben - denn er hat gezeigt, dass sich auch die Fähigkeiten in einer etwas NFL-ungewöhnlichen Oregon-Offense auf die NFL übertragen lassen.
Draft-Vorhersage: Bo Nix könnte bereits in den frühen zweistelligen Pick-Bereichen gehen, wenn eines der vielen Teams auf Quarterback-Suche bei den Top-4 leer ausgegangen sind und es sich wirklich in Nix verliebt hat. Es sollte aber auch niemanden überraschen, wenn keiner extrem begeistert ist und Nix sogar bis in die zweite Runde fällt. Nix wäre zudem ein klassischer Kandidat, für den ein Team nochmal an Pick 31 oder 32 spät in die erste Runde tradet, um die Fünfjahresoption eines Erstrundenpicks zu sichern. Spätestens wenn in der zweiten Runde die ersten Teams auf QB-Suche dran sind, die eventuell nicht den Wunsch-QB bekommen haben (Patriots #34, Raiders #44, Saints #45, Giants #47), dürfte Nix ausgewählt werden.
Michael Penix Jr.
College: Washington, Alter: 23 Jahre, Größe: 1,88 m, Gewicht: 98 kg
Zu guter Letzt könnte auch Michael Penix Jr. noch in der ersten Runde ausgewählt werden. Sechs Jahre College-Football - das ist selten. Die erste Saison 2018 war aufgrund eines frühen Kreuzbandrisses seine redshirt-Saison, dann machte Penix - unter anderem wegen eines zweiten Kreuzbandrisses, der ihn große Teile der Saison 2020 und 2021 kostete - von der Covid-Sonderregelung Gebrauch, ein weiteres Jahr dranzuhängen. 2022 transferierte er dann für einen Neustart von Indiana nach Washginton. Damit sind die größten Fragezeichen auch schon erklärt: das Alter (im Mai wird er 24 Jahre alt) und die Gesundheit. Sportlich hat Penix einen tollen Arm und eine beeindruckende Wurftechnik, die ihm einen schnellen Wurf mit enormer Weite ermöglicht. Dabei zeigt er jedoch Genauigkeitsprobleme. Er trifft in der Regel ungefähr seine Receiver, oft aber nicht die perfekten Passfenster im Duell gegen einen Verteidiger oder in den Lauf der Spieler. Entsprechend sollten seine Receiver sehr gut bei Contested Catches und überhaupt im Fangen sein. Vor allem seine Würfe über die Mitte und in die Tiefe beeindrucken. In Richtung der Seitenlinie gibt es Verbesserungsbedarf.
Draft-Vorhersage: Es ist pure Spekulation, die medizinischen Untersuchungen der Teams vorherzusagen. Bei Betrachtung des reinen Potenzials und die Anzahl Teams auf Quarterback-Suche, könnte Penix auf jeden Fall in der ersten Runde gewählt werden. Es wäre aber auch nicht das erste Mal, dass medizinische Fragen einen guten Spieler im Draft weit fallen lassen. Die Range dürfte in etwa wie bei Nix zwischen der mittleren ersten und zweiten Runde liegen. Sind die gesundheitlichen Sorgen groß, geht es noch weiter bergab.
