"Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, müssen Sie nach München gehen": Wird "Besserwisser" Ralf Rangnick vom Antagonisten des FC Bayern zum Retter in der Not?

Von Justin Kraft
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Ralf Rangnick soll vor einem Wechsel zum FC Bayern München stehen. Über viele Jahre war er einer der Antagonisten des Rekordmeisters, nun könnte er ausgerechnet vom FCB als Retter in der Not auserkoren werden. Ein Rückblick auf das Spannungsverhältnis beider Seiten miteinander.

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Als Ralf Rangnick im Dezember 1998 im ZDF-Sportstudio zu Gast war und an einer Taktiktafel Magneten verschob, verschaffte er sich den Spitznamen "Fußballprofessor". Damals philosophierte Rangnick als Trainer des SSV Ulm von Pressing, raumorientiertem Anlaufen und der Viererkette.

Ein Auftritt, der damals visionär war in einem Land, das an Manndeckung und Libero-Systemen festhielt. Auch ein Auftritt, der erahnen lassen konnte, dass der damals 40-Jährige schon bald zu einem der großen Trainer dieses Landes aufsteigen würde.

Rangnick prägte den deutschen Fußball mit seinen Ideen. Beim FC Bayern München, dem größten Fußballverein des Landes, heuerte er jedoch nie an. Stattdessen entwickelte er sich zu einem der bekanntesten Antagonisten des Rekordmeisters - und handelte sich dabei 2008 einen weiteren Spitznamen ein: "Besserwisser".

Doch erstmal alles auf Anfang. Schaut man auf die bewegte Vergangenheit des 65-Jährigen in Deutschland und die sportlichen sowie verbalen Duelle, die sich Rangnick mit dem FC Bayern lieferte, muss festgehalten werden: Dass dieser Mann im Jahr 2024 an der Seitenlinie des FCB stehen könnte, ist eine mittelgroße Überraschung.

Ralf Rangnick
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Ralf Rangnick: Bayern-Schreck in den 2000ern

Schon bald nach seinem legendären Auftritt im ZDF zeigte der Schwabe auch in direkten Duellen mit dem FC Bayern, was er draufhat. Mit dem VfB Stuttgart holte er in fünf Aufeinandertreffen drei Siege und zwei Niederlagen bei 5:4 Toren. Nach seinem Wechsel zu Hannover 96 gelang Rangnick zwar kein Sieg mehr, aber drei Unentschieden bei nur zwei Niederlagen sind angesichts des Qualitätsunterschieds beachtlich.

Richtig Fahrt nahm die Rivalität aber erst auf, als der "Professor" zu Schalke 04 wechselte. Zwei 1:0-Siege in der Saison 2004/05 sowie eine beeindruckende Hinrunde, an deren Ende die Knappen punktgleich mit dem FC Bayern an der Spitze standen, rückten Rangnick in den nationalen Fokus. Der Sieg am 25. Spieltag gegen den Rekordmeister machte Schalke endgültig zum Meisterschaftsfavoriten.

Dann aber kam es zum Einbruch. Vier Niederlagen aus den anschließenden fünf Partien waren zu viel. Bayern wurde Meister - und schlug Schalke auch noch mit 2:1 im Pokalfinale.

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FC Bayern und Ralf Rangnick: Sticheleien in beide Richtungen

Fortan sollte Rangnick in den direkten Duellen mit den Münchnern keinen einzigen Sieg mehr einfahren. Dennoch nahm die Rivalität auf und neben dem Platz Fahrt auf, als er die TSG Hoffenheim übernahm. Zwischen 2006 und 2008 marschierte die TSG unter seiner Leitung von der 3. Liga in die Bundesliga - und wurde dort in der Hinrunde zum großen Überraschungsteam.

Vor dem 16. Spieltag stand Hoffenheim auf dem ersten Tabellenplatz und hatte die Chance, im direkten Duell mit den Bayern auf sechs Punkte davonzuziehen. Offensiv, temporeich, variabel - Rangnicks Hoffenheim wirkte wie ein Kontrastprogramm zum FCB, der unter Jürgen Klinsmann vergeblich versuchte, sich fußballerisch zu verjüngen.

Vermutlich kam es auch deshalb zur ersten größeren Fehde zwischen Rangnick und Uli Hoeneß. Schon vor dem Spiel wurde in beide Richtungen ausgeteilt. "Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, müssen Sie nach München gehen, wenn Sie flotten Fußball sehen wollen, dann sind Sie hier richtig", stichelte Rangnick etwa.

Die Bayern gewannen durch einen Last-Minute-Treffer von Luca Toni mit 2:1 und Hoeneß kostete den Erfolg anschließend im Doppelpass aus: "Ich schätze das Modell Hoffenheim. Wenn ich mir eine Sorge machen würde, ist es die Besserwisserei von Ralf Rangnick." Dieser habe "in seiner Karriere immer im ersten Jahr super Leistungen gebracht und im Jahr später war er entlassen. Deswegen würde ich mir da Sorgen machen, wenn er weiterhin so einen Höhenflug hat."

Und weiter: "Denn die Höhenluft ist viel dünner als die Luft, die er jetzt genießt, das wird er auch noch feststellen." Die Abteilung Attacke des FC Bayern rieb sich am Trainer des Newcomers gehörig auf. Laut dem früheren Hoffenheim-Direktor Bernhard Peters sei Hoeneß nach Abpfiff gar nicht mehr einzufangen gewesen, wie er der Bild erzählte. "Das ist eine unglaubliche Sauerei, was ihr da macht. So eine linke Schauspieltruppe, Rangnicks linke Schauspieltruppe", soll der Bayern-Manager damals gesagt haben.

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Ralf Rangnick: Vom "Besserwisser" zum "tollen Mann" – und jetzt zum FCB?

Ende Juni 2012 übernahm Rangnick als Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg, war darüber hinaus aber auch für die Entwicklung von RB Leipzig zuständig. Seine Zuständigkeitsbereiche veränderten sich zukünftig immer mal wieder, fokussierten sich aber immer mehr auf Deutschland. 2016 gelang es ihm und RB Leipzig, die Bayern sportlich zu ärgern.

Im November übernahm man die Tabellenspitze. Grund genug für Hoeneß, auf der Jahreshauptversammlung der Münchner wieder in den Angriffsmodus zu schalten: "Wir haben neben Dortmund einen zweiten Feind, den wir jetzt endlich wieder attackieren können."

Hoeneß ruderte später zurück, revidierte den Ausdruck "Feind". Ohnehin schien sich das Verhältnis zwischen beiden in der Folge wieder etwas zu bessern. So sehr, dass der FC Bayern bereits 2019 großes Interesse an einer Zusammenarbeit gehabt haben soll.

"Der Kontakt zu Rangnick lief immer über Karl-Heinz Rummenigge. Es hätte etwas mit Rangnick werden können, wenn wir 2019 das Pokalfinale gegen Leipzig verloren hätten", erklärte Hoeneß im Februar 2023 im Interview mit der LVZ: "Rangnick war hinterher nicht umsonst so sauer. Der hat gewusst oder wenigstens geahnt: Wenn ich heute gewinne, bin ich am Montag Trainer von Bayern München."

Und weiter: "Ich hatte auch nach der Beurlaubung von Niko Kovac das Gefühl, dass Karl-Heinz Rangnick will. Hasan Salihamidzic und ich haben uns für Hansi Flick ausgesprochen." Laut der Bild kam es auch deshalb nicht anders, weil sich Spieler des FCB damals gegen eine Verpflichtung von Rangnick ausgesprochen hätten. Der landete später bei Manchester United, hätte aber laut dem ehemaligen Bayern-Präsidenten auch beim FC Everton oder der AC Mailand landen können.

Einen kleinen Seitenhieb hatte Hoeneß dennoch übrig - allerdings mit den nettesten Worten, die er bisher vermutlich über ihn fand: "Merkwürdig, dass ein so toller Mann wie Rangnick nicht genau weiß, was er will." Vom Besserwisser zum tollen Mann – immerhin.

Jetzt wissen offenbar beide Seiten, was sie wollen. Eine Zusammenarbeit bahnt sich an. An einer vermeintlichen Fehde mit Hoeneß wird es wohl eher nicht scheitern. Zumal, das berichteten mehrere Medien zuletzt übereinstimmend, mit Rummenigge immer noch ein großer Befürworter vorhanden ist, dessen Wort viel Gewicht hat.

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