Handball-EM - Erkenntnisse zum DHB-Auftakt: Alfred Gislason bricht ein Versprechen

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Deutschland hat die Schweiz mit 27:14 (13:8) von der Platte gefegt und damit einen Traumstart in die Handball-EM im eigenen Land hingelegt. Bundestrainer Alfred Gislason hat trotzdem ein Versprechen gebrochen. Bei einem Star ist noch viel Luft nach oben. Und: Handball im Stadion - das passt nicht! Vier Erkenntnisse zum DHB-Auftakt.

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Handball im Stadion? Das passt nicht!

Eines vorneweg: Die Stimmung beim Handball-Weltrekordspiel vor 53.586 Zuschauern im Düsseldorfer Fußball-Stadion war gut, zeitweise sogar sehr gut. Es war ein Spektakel und es ist auch absolut nachvollziehbar, dass der DHB die Chance genutzt hat, die Heim-EM mit einem aufsehenerregenden Knall einzuläuten.

"Das ist natürlich grandios, wenn du plötzlich hörst, dass über 50.000 Menschen 'Deutschland Deutschland' schreien. Ich glaube, das ist schon so, dass die Jungs sich genau das erhofft haben", sagte Axel Kromer. Die Spieler widersprachen dem DHB-Sportvorstand nicht, unisono lobten sie das außergewöhnliche Erlebnis.

Das tat auch Bundestrainer Alfred Gislason, um dann bei der Pressekonferenz einzuschränken: "Es tut mir leid, aber so laut, wie es unten auf dem Spielfeld in der Lanxess Arena in Köln ist, war es hier nicht."

Damit lag der Isländer vollkommen richtig. Eine höllische Stimmung, wie es sie nur bei Hallensportarten gibt, kann eben nur in einer Halle entstehen. Zu groß, zu weitläufig ist das Stadion in Düsseldorf, ein Hexenkessel war es deshalb nicht.

Was auch an der Sicht gelegen haben mag. Wer seinen Platz weit oben unterm Dach hatte, konnte mit bloßem Auge häufig kaum erkennen, ob nun beispielsweise Lukas Mertens oder Rune Dahmke getroffen hatte. Eine Werbung dafür, Handballpartien in Zukunft häufiger in einem Stadion auszutragen, war das Weltrekordspiel also nicht.

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Andreas Wolff ist "vom anderen Stern"

Für einen Torhüter, dem vor wenigen Monaten noch mancher Arzt zum Karriereende geraten hatte, präsentierte sich Andreas Wolff quietschfidel. Ein Bandscheibenvorfall im Nackenbereich hatte den 32-Jährigen lange außer Gefecht gesetzt, Zweifel schienen auch in der finalen Phase der EM-Vorbereitung noch angebracht. Schließlich hatte der Mann vom polnischen Spitzenklub Kielce sein Leistungsvermögen selbst auf lediglich 85 Prozent beziffert.

Und dann das: 13 von 22 Würfen entschärft und damit 59,09 Prozent aller Bälle gehalten. Es war eine herausragende Vorstellung von Wolff, die unweigerlich Erinnerungen an seine Heldentaten beim EM-Coup 2016 in Polen wach werden ließen. "Ich wusste, dass Andi gut ist - aber das war vom anderen Stern", staunte DHB-Spielmacher Juri Knorr.

Gislason verpasste der Leistung des Euskircheners das Prädikat "Weltklasse" und unterstrich dies mit folgendem Satz: "Es war nicht so, dass er nur leichte Bälle parieren musste. Im Gegenteil: Viele davon waren freie Bälle." Auch Schweiz-Star Andy Schmid nannte Wolffs Auftritt "überragend" und meinte konsterniert: "Sie haben uns die Hosen ausgezogen."

Schließlich brach Gislason noch ein Versprechen. Er habe der Mannschaft in der Pause versichert, Wolff nicht wie in den vergangenen Spielen auszuwechseln, verriet der 64-Jährige. Als die Partie dann aber frühzeitig entschieden war, brachte er - völlig zurecht - doch noch David Späth. Dass der 21-Jährige nur einen von fünf Würfen halten konnte, war an diesem Tag - genau wie das gebrochene Versprechen - zu verkraften.

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Die Abwehr ist doch kein Sorgenkind - oder?

Nicht zuletzt im Kadercheck von SPOX wurde die Befürchtung geäußert, die Abwehr könnte ein DHB-Sorgenkind werden. Zumindest gegen die - zugegebenermaßen überraschend harmlose - Schweiz entpuppte sich diese Einschätzung als völliger Blödsinn.

Im Verbund mit Torhüter Wolff vernagelte der Mittelblock um Johannes Golla und Julian Köster den deutschen Kasten wie zu besten Zeiten der "sanften Killer von der Förde", wie Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler einst genannt wurden.

"Das war schon sehr gut", sagte Gislason und erwähnte dabei explizit auch Sebastian Heymann, dessen Hereinnahme überhaupt keinen Bruch in der deutschen Defensive zur Folge hatte. Insgesamt zog keine Einwechslung irgendeinen spürbaren Einschnitt nach sich, was zuletzt Seltenheitswert hatte.

Nur 14 Gegentore ließ Deutschland jedenfalls zu. Das gab es letztmals bei einem großen Turnier bei der WM 2021 in Ägypten, als die DHB-Auswahl die Feierabend-Handballer aus Uruguay mit 43:14 aus der Halle kehrte.

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Bei Juri Knorr ist noch viel Luft nach oben

Juri Knorr ist gerade einmal 23 Jahre alt und schon jetzt DIE Schlüsselfigur in der deutschen Nationalmannschaft. Der Druck auf den Überflieger der Rhein-Neckar Löwen ist bei dieser Heim-EM deshalb von Beginn an enorm.

Knorr war mit sechs Toren bester Werfer der DHB-Auswahl, sein Auftritt gegen die Schweiz entsprechend respektabel. Aber: Der gebürtige Flensburger brachte sechs seiner Würfe (50 Prozent) und damit so viele wie kein anderer deutscher Spieler nicht im Tor unter und lieferte lediglich einen Assist.

"Es war nicht sein bestes Spiel", meinte Gislason anschließend. Zwingend festzuhalten bleibt: Das ist Jammern auf verdammt hohem Niveau. Es ist davon auszugehen, dass sich Knorr womöglich schon gegen Nordmazedonien am Sonntag in Berlin (20.45 Uhr) noch einmal steigern wird.

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