Handball-EM: Die Furcht vor "schwarzen Löchern"! Fragen und Antworten zum Kracher zwischen Deutschland und Frankreich

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Für Deutschland steht bei der Heim-EM mit dem Spiel gegen Frankreich das erste ganz große Highlight bevor. Wie ist die Ausgangslage? Wie kann man die Franzosen knacken? Und was ist eigentlich mit Nikola Karabatic? Fragen und Antworten zum letzten Vorrundenspiel der DHB-Auswahl.

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Handball-EM - DHB-Team: Wie ist die Ausgangslage?

Deutschland hat seine ersten beiden Partien gegen die Schweiz (27:14) und Nordmazedonien (34:25) gewonnen und damit bereits vor dem abschließenden Vorrundenspiel gegen Frankreich (Dienstag, 20.30 Uhr LIVE bei ARD und Dyn) die Hauptrunde erreicht.

Trotzdem ist das Spiel gegen die Franzosen von enormer Bedeutung. Die jeweils zwei besten Teams aus jeder Gruppe kommen weiter und die Punkte, die in der Vorrunde gegen die ebenfalls in die nächste Runde eingezogene Mannschaft geholt werden, nimmt man mit.

Soll heißen: Gewinnt die DHB-Auswahl gegen Les Experts, startet man mit zwei Punkten auf der Habenseite in die Hauptrunde, bei einem Unentschieden mit einem und bei einer Niederlage mit null Zählern. Diese Rechnung gilt auch, falls der theoretische Fall eintreten sollte, dass neben Deutschland nicht Frankreich, sondern die Schweiz weiterkommt.

"Jetzt geht die EM für uns erst so richtig los", sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer bei einem wegen der Bauernproteste in Berlin nur digital abgehaltenen Medientermin am Montag. Das Duell mit Frankreich sei quasi "das erste Spiel der Hauptrunde".

Mit dem Einzug in die Hauptrunde, die in der Kölner Lanxess Arena ausgetragen wird, ist außerdem bereits sicher, dass die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason nach der Frankreich-Begegnung mindestens noch vier weitere EM-Spiele bestreiten wird.

Die Gegner werden die beiden jeweils bestplatzierten Teams aus den Gruppen B und C sein. Nach aktuellem Stand wären das Kroatien, Österreich, Ungarn und Island. Aber auch Spanien könnte beispielsweise noch hinzukommen.

Da aus den beiden Sechsergruppen der Hauptrunde lediglich die jeweils beiden bestplatzierten Nationen ins Halbfinale einziehen, bleibt nicht viel Spielraum für Aussetzer. Will das DHB-Team tatsächlich die Überraschung schaffen und um die Medaillen spielen, ist in den kommenden fünf Partien wahrscheinlich maximal ein Ausrutscher gestattet. Übrigens werden auch die Finalspiele in Köln ausgetragen.

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Handball-EM - DHB-Team: Wie ist die personelle Situation?

Im Gegensatz zu den vergangenen Turnieren ist die personelle Situation bei der deutschen Mannschaft aktuell relativ entspannt. Nach dem Ausfall von Rechtsaußen Patrick Groetzki (Fußverletzung) im letzten Testspiel vor der EM gegen Portugal ist kein weiterer Akteur zu Schaden gekommen.

Beim Frankreich-Spiel wird auch Kai Häfner wieder zum Kader gehören. Der frischgebackene Vater nahm sich gegen Nordmazedonien eine "Baby-Pause". "Er wird definitiv zurückkommen. Und dann wird sich zeigen, welche 16 Spieler wir auf den Spielberichtsbogen eintragen werden. Dass Häfner einer davon sein wird, die Wahrscheinlichkeit ist nicht klein", sagte Kromer.

Anders als gegen Nordmazedonien wird also einer der 17 Spieler gegen Frankreich auf die Tribüne müssen. Gegen die Schweiz erwischte es Nils Lichtlein.

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Handball-EM - DHB-Team: Wie ist die Bilanz gegen Frankreich?

Dreimal Olympiasieger, sechsmal Weltmeister, dreimal Europameister: Frankreich ist im Handball bekanntlich ein absolutes Schwergewicht. Bei den vergangenen vier großen Turnieren stand die Truppe von Coach Guillaume Gille immer mindestens im Halbfinale, wurde 2021 in Tokio Olympiasieger und 2023 in Polen und Schweden Vizeweltmeister.

Auch gegen Deutschland liefern die Franzosen gerne ab. Der letzte Sieg bei einem großen Turnier (Olympia, WM, EM) gegen Frankreich gelang einer deutschen Mannschaft fast auf den Tag genau vor elf Jahren. Am 18. Januar 2013 setzte sich das DHB-Team bei der WM in Spanien in der Vorrunde mit 32:30 durch.

Es folgten ein Remis (25:25 in der Vorrunde der Heim-WM 2019) und vier teilweise sehr bittere Niederlagen: 28:29 im Olympia-Halbfinale 2016 in Rio de Janeiro, 25:26 im Spiel um Platz 3 bei der WM 2019, 29:30 in der Olympia-Vorrunde 2021 in Tokio und 28:35 im WM-Viertelfinale im vergangenen Jahr in Polen.

Das letzte EM-Aufeinandertreffen gab es übrigens 2010 in Österreich. Damals setzte sich Frankreich in der Hauptrunde mit 24:22 durch.

"Das ist alles nur Statistik", meinte Gislason auf die lange deutsche Durststrecke angesprochen. Er wolle vor allem vor dem Spiel "kein Hokuspokus" veranstalten, sondern Normalität walten lassen. Der Glaube an einen Coup gegen den haushohen Favoriten sei "groß", so der Isländer weiter: "Wir gehen in das Spiel, um es zu gewinnen, auch wenn die Experten uns das nicht zutrauen."

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Handball-EM - DHB-Team: Was ist mit Nikola Karabatic?

Dreimal Welthandballer, dreimal Olympiasieger, viermal Weltmeister, dreimal Europameister, dreimal Champions-League-Sieger, 15-mal französischer Meister, viermal deutscher Meister, zweimal spanischer Meister: Die Trophäensammlung von Frankreich-Star Nikola Karabatic ist selbst dann atemberaubend, wenn man nur die wichtigsten davon aufzählt.

Allerdings nagt freilich auch am mittlerweile 39-Jährigen zumindest ein wenig der Zahn der Zeit. Im Sommer, nach den Olympischen Spielen in Paris, wird sich deshalb einer der besten Handballer der Geschichte in den wohlverdienten sportlichen Ruhestand verabschieden.

"Es ist eine Befreiung", sagte Karabatic über seine Entscheidung, die Karriere zu beenden: "Denn als Profisportler denkt man immer an das nächste Spiel, den nächsten Wettbewerb, man setzt sich selbst unter Druck. Ich habe diesem Sport mein Herz und meine Seele geopfert."

In den ersten beiden EM-Spielen hat sich der in Serbien geborene Rückraumspieler von Paris Saint-Germain dezent im Hintergrund gehalten. Beim überraschenden Patzer gegen die Schweiz (26:26) nahm Karabatic keinen einzigen Wurf und stand lediglich etwas mehr als sechs Minuten auf dem Feld. Zuvor beim 39:29-Sieg gegen Nordmazedonien steuerte er ein Tor bei vier Versuchen bei, dabei verbrachte er aber immerhin gut 30 Minuten auf der Platte.

Längst ist es nicht mehr seine Aufgabe, absolut federführend die Geschicke der französischen Nationalmannschaft zu lenken. Dafür sind die jüngeren Spieler zuständig wie beispielsweise Dika Mem, ein Star des FC Barcelona.

Entsprechend haben die deutschen Spieler vor Karabatic "keine Angst", wie Sebastian Heymann erklärte: "Aber extrem großen Respekt. Es ist etwas ganz, ganz besonderes, wenn man gegen so einen Spieler spielen darf. Zu so einem Spieler schaut man auf, von ihm kann man lernen."

Juri Knorr erklärte derweil, beim Gegner seien "Jungs dabei, die habe ich als Vorbilder, als Idol - und ich glaube, viele andere von uns aus der Kabine auch". Mit leuchtenden Augen ergänzte der DHB-Spielmacher: "Was gibt es eigentlich Schöneres? Es wird ein krasses Spiel."

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Handball-EM - DHB-Team: Wie kann man Frankreich schlagen?

Sein Team benötige einen "perfekten Tag" und eine "Riesenleistung", um die Franzosen zu knacken, sagte Bundestrainer Gislason. Man solle sich vom Ausrutscher der Franzosen gegen die Eidgenossen nicht blenden lassen. Der dreimalige Europameister sei auf allen Positionen erstklassig besetzt und neben Dänemark nach wie vor der Topfavorit auf den Titel, meinte die Trainer-Legende weiter.

Die Basis für eine Überraschung ist eine hervorragende Abwehr- und Torhüterleistung. Kommt der Mittelblock um Johannes Golla und Julian Köster im Verbund mit Keeper Andreas Wolff nicht an sein bestes Niveau heran, dürfte es schwierig bis unmöglich werden.

"Wenn es uns gelingt, mit unserer Abwehr den Spielfluss, die vielen Kreuzungen der Franzosen zu stören, dann können wir ihnen mit unserem Tempospiel Nackenschläge versetzen", gab Sportvorstand Kromer die Marschrichtung vor.

Und dann wäre da noch die Furcht vor den "schwarzen Löchern", wie Gislason vor der EM die im vergangenen Jahr häufiger aufgetretenen Phasen in der zweiten Halbzeit nannte, in denen das DHB-Team immer wieder den Faden verlor.

Nimmt man die beiden Vorbereitungsspiele gegen Portugal dazu, sei es in den vergangenen vier Partien "von Spiel zu Spiel besser geworden", so der 64-Jährige: "Wir sind stabiler geworden. Jetzt müssen wir das so beibehalten." Das gilt vor allem gegen Frankreich.

Handball-EM: Gruppe A im Überblick

PlatzTeamSpieleTorePunkte
1.Deutschland261:394
2.Frankreich265:553
3.Schweiz240:531
4.Nordmazedonien254:730
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