"WM-Titel für immer in meinem Herzen"

Von Interview: Felix Christmann
Johannes Bitter (l.) feierte 2007 mit dem DHB den WM-Titel
© getty
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SPOX: Wenn der HSV nicht in die Insolvenz gehen hätte müssen, wären Sie gar nicht in Stuttgart gelandet. Sie waren neun Jahre in Hamburg. Wie groß war der Schmerz bei Ihrem Abschied?

Bitter: Für die Spieler, die lange in Hamburg waren, war es schwierig, die Situation zu akzeptieren. Wir wollten das alles nicht wahrhaben, gerade weil der sportliche Erfolg da war. Und dann stand von heute auf morgen der Abschied an. Das tut immer noch sehr weh. Ich blicke trotzdem mit Stolz auf die Zeit in Hamburg zurück. Das letzte Heimspiel gegen Göppingen bleibt immer in Erinnerung: Die haben wir mit 12 Toren Unterschied aus der Halle geschossen.

SPOX: Der HSV bleibt also Ihr Herzensverein?

Bitter: Davon komme ich voraussichtlich nicht los. Ich war lange im Verein, habe in Hamburg meine private Heimat. Von daher ist der Klub natürlich der Verein meines Herzens. Wir haben ihn ja mit erschaffen. Und wenn so etwas dann nicht mehr da ist, fällt es schwer, das abzuschütteln.

SPOX: So ganz aus dem Nichts kam das Aus des HSV nicht. Es gab immer wieder finanzielle Schwierigkeiten. Warum eigentlich?

Bitter: Ich weiß nicht, wie die finanzielle Situation war. Ich weiß nur, wie es am Ende war. Ich habe mein Geld jedenfalls immer bekommen.

SPOX: In Hamburg gibt es einen Neuanfang in der dritten Liga. Toto Jansen ist neuer Trainer der A-Jugend, auch der frühere Coach Martin Schwalb ist als Vizepräsident wieder da. Wann und in welcher Rolle kehren Sie zum HSV zurück?

Bitter: (lacht) Das ist eine gute Frage. Damit habe ich mich noch gar nicht beschäftigt. Ich habe nur in der Zeitung lesen dürfen, dass man in Hamburg nicht mit mir plant. Auch mit Pascal Hens nicht. Das hat mich schon sehr verwundert. Ich habe weder Ansprüche angemeldet noch irgendetwas mit dem Klub besprochen. Wir haben diesen Verein gemeinsam aufgebaut, deshalb irritiert es mich, solche Aussagen zu lesen. Sauer bin ich deswegen aber nicht.

SPOX: Aber Sie wollen doch sicher zurückkehren, oder?

Bitter: Ich habe eine Menge Pläne für meine Zukunft, es gibt auch unabhängig vom Handball Möglichkeiten. Da stand der HSV bislang nicht im Fokus. Wenn ich irgendwann nach Hamburg zurückkehre, was definitiv der Fall sein wird, kann ich mir aber natürlich vorstellen, im sportlichen Bereich für den HSV tätig zu sein. Aber ich will dem Handball nicht um jeden Preis erhalten bleiben.

SPOX: Wie sehen diese Pläne abseits des Handballs aus?

Bitter: Darüber möchte ich momentan nicht sprechen. Noch ist ja nicht einmal klar, was nach dieser Saison passiert. Ich habe immer gesagt, dass ich das erst entscheide, wenn Stuttgart weiß, was in der kommenden Spielzeit Sache ist.

SPOX: Als Weltmeister dürften Ihnen sowieso einige Türen offenstehen. Zehren Sie eigentlich noch immer vom Triumph von 2007?

Bitter: Ich empfinde es als Privileg, darauf zurückschauen zu können. Dieser Erfolg im eigenen Land hat mich in den schwierigen Momenten meiner Karriere getragen. Dieser Titel, und alles was damit zusammenhängt, ist etwas, das man weder kaufen noch abschütteln kann. Ich werde den WM-Titel für immer in meinem Herzen tragen.

SPOX: Neun Jahre nach dem Triumph von Köln hat es endlich wieder mit einem Titel für das DHB-Team geklappt. Wie haben Sie die EM in Polen verfolgt?

Bitter: Ich saß in Stuttgart vor dem Fernseher, habe mitgefiebert und den Jungs die Daumen gedrückt. Am Ende war ich sehr überrascht, dass es gereicht hat. Das war nicht vorhersehbar, die Jungs haben total überzeugt.

SPOX: Was hat das Team so stark gemacht?

Bitter: Die Mannschaft ist einfach sehr ausgeglichen und konnte so sogar die vielen Ausfälle verkraften. Es war beeindruckend. Jeder hat für den anderen gekämpft, Dagur Sigurdsson konnte wechseln wie er wollte - es kam immer Leistung dabei heraus.

SPOX: Profitiert der deutsche Handball langfristig davon?

Bitter: Im Schatten des Fußballs etwas einigermaßen Ebenbürtiges zu erschaffen, ist schwierig. Man braucht unter anderem viel Glück und wohlwollende Medien. Dennoch habe ich das Gefühl, dass in letzter Zeit im deutschen Handball viel richtig gemacht wurde.

SPOX: Ein weiterer Titel würde helfen. Holt das DHB-Team in Rio eine Medaille?

Bitter: Ich habe keine Glaskugel. Deutschland gehört definitiv zum engeren Kreis der Titelkandidaten, aber es bleibt abzuwarten, ob die Mannschaft noch einmal so homogen auftreten kann. Bei der EM waren sie das Überraschungsteam, jetzt hat sie jeder auf der Rechnung. Es wird noch einmal eine Leistungssteigerung nötig sein, um die fehlenden Überraschungsmomente zu kompensieren. Was mich optimistisch stimmt: Deutschland hat den EM-Titel nicht mit Glück gewonnen, sondern mit purer Leistung.

Johannes Bitter im Steckbrief

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