Die Vorstellung von Löwen-Trainer Vitor Pereira: Bizarres von Eighteensixty

Vitor Pereira unterschrieb bei 1860 München einen Vertrag bis Sommer 2018
© imago

Die Vorstellung des neuen Löwen-Trainers Vitor Pereira geriet beim TSV 1860 München zu einer großen Inszenierung. Erst bat der Klub im Mannschaftshotel zur Pressekonferenz, bei der auch Präsident Peter Cassalette, Geschäftsführer Anthony Power und natürlich Investor Hasan Ismaik zugegen waren. Dann wurde der neue Trainer den Löwen-Fans bei Freibier im Bräuhaus vorgestellt. "And we go to the top", rief Pereira den grölenden Massen zu.

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Man konnte es kaum glauben, aber es gab dann doch noch irgendwie den einzelnen bizarren Höhepunkt eines der bizarrsten Tage der ohnehin schon äußerst bizarren Vereinsgeschichte des TSV 1860 München. Diesem Giesinger Arbeiterverein, der seit der Übernahme durch Hasan Ismaik 2011 einer permanenten inneren Zerreißprobe ausgesetzt ist.

Da stand Peter Cassalette, Präsident des aktuellen Tabellen-14. der zweiten Liga, am Montagmittag gegen 14 Uhr also auf der Empore des Münchner Hacker-Pschorr-Bräuhauses und rief: "Das ist der Mann, der uns in die erste Liga führen soll!"

Rund 400 Fans - größtenteils sowohl mit Löwen-Schals als auch mit mit Weißbier gefüllten Plastikbechern ausgestattet - grölten nur so drauf los, während sich dieser 48-jährige Mann aus Portugal, der sie in die erste Liga führen soll, die enge Wendeltreppe Richtung Empore hinaufschlängelte. Gebannt verfolgten ihn die Blicke, irgendwann stand er neben Cassalette, der die Masse noch einmal anheizte. "Einmal Löwe", brüllte er hinunter, "immer Löwe", schallte es aus den Sechzger-Kehlen zurück.

Dann war es soweit. Der neue Trainer faltete seine Hände zusammen, wartete kurz und ergriff das Wort. "Obrigado", sagte er, "dankeschön." Kurze Pause. "And we go", sprach Vitor Pereira, riss den rechten Arm in die Höhe, "to the top!" Die Masse grölte lauter als zuvor, aber Pereira hatte noch nicht genug. Noch einmal: "And we go!" Rechter Arm über den Kopf! "To the top!" Erneut tobte die Fanschaar, wohl noch lauter als gerade eben und sicherlich lauter als am vergangenen Freitag in der spärlich besuchten Allianz Arena. Da spielte der TSV 1860 1:1 gegen den 1. FC Heidenheim und holte seinen 16. Punkt im 17. Saisonspiel. Platz 14, Abstiegskampf.

"Ich hab' eins mit'm Hasan"

Die sportliche Realität, wen interessiert sie schon? Es herrscht wieder blinde Euphorie bei den Münchner Löwen. 50 Millionen Euro, größtenteils für Neuzugänge, versprach Ismaik kurz zuvor bei einer Fanveranstaltung. 50 Millionen Euro. Nun kredenzte er seinen Löwen mit Vitor Pereira einen Trainer, der vor nicht allzu langer Zeit mit dem FC Porto in der Champions League spielte und in Portugal auch zwei Meistertitel gewann. 2015 feierte er mit Olympiakos Piräus in Griechenland gar das Double, dann trainierte er Fenerbahce Istanbul. Wie gut er sich dagegen mit der aktuellen Lage beim SV Sandhausen und Erzgebirge Aue auskennt, ist nicht überliefert.

Nun ist der weitgereiste und hochdekorierte Trainer trotzdem bei deren Ligarivalen 1860 München angekommen, zwei bis drei Millionen Euro soll er jährlich kassieren. Schmerzensgeld, würden böse Zungen behaupten.

Langsam schlängelte er sich mit Cassalette nun also die Wendeltreppe wieder hinunter, dann setzte sich das Duo an den Tisch der 1860-Führungsriege. Den Tisch, an dem auch Geschäftsführer Anthony Power, selbst erst seit einem knappen Monat im Amt, und Investor Ismaik saßen. Der Investor beschenkte die Fans an diesem Montag nicht nur mit einem neuen Trainer, sondern auch mit Speis und Trank. "Der Hasan hat die ganze Veranstaltung bezahlt", sagte Cassalette, "jeder kann essen und trinken, was er will." Jubel.

Gulaschsuppe, Spätzle, Bratwürste, Sauerkraut, Weißwürste, Brezen, Kartoffelpüree, Salate aller Art. Selbst an den Senf wurde gedacht: Mittelscharfen und süßen gab es. "Der isst gleich für eine Woche", war von einem Tisch zu hören. "Ist doch klar, ist ja gratis", die Antwort. Gelächter, Geproste. Bier geht auch auf Hasan, da kann man Montagmittag schon einmal anstoßen. Nach einer knappen Stunde verließ Ismaik, umgeben von einer Menschentraube, dann die Halle. "Ich hab' eins mit'm Hasan", rief ein stolzer Sechzger seinen Kollegen zu. Ein Selfie meinte er.

"Welcome Hasan Ismaik to this event"

"Eins mit'm Hasan" hatte Pereira zu diesem Zeitpunkt schon längst. Er holte sich sein Foto mit dem Investor bereits knappe zwei Stunden vorher bei der Vorstellungs-Pressekonferenz ab. Breit grinsend hielt das Duo im 1860-Teamhotel ein Löwen-Trikot in die Kameras. Mit einer vornehmen Stunde Verspätung zwar, aber immerhin dann doch noch.

Knapp 13 Uhr war es, als das Quartett, das den TSV 1860 in eine glorreiche Zukunft führen soll, in den mit Fernsehkameras bestückten Raum eintrudelte. Hasan Ismaik, jordanischer Investor. Anthony Power, US-amerikanischer Geschäftsführer. Vitor Pereira, portugiesischer Trainer. Und natürlich: Peter Cassalette, deutscher Präsident.

Die folgende PK war wohl zumindest in sprachlicher Hinsicht eine der anspruchsvollsten der Geschichte des TSV 1860. Für skurrile Höhepunkte sorgte das durchaus. Power, der bereits nach wenigen Tagen im Amt auf der Geschäftsstelle wegen seiner offenbar allzu schroffen Umgangsformen für Kopfschütteln sorgte, hatte die ersten Worte. Und die waren immerhin nicht schroff, sondern schmeichelnd. Auf Englisch lobte er die Verpflichtung Pereiras als eine "fantastische, exzellente Lösung" für die Zukunft des Vereins "Eighteensixty".

Genau wie seine eigene Einstellung als Geschäftsführer hatte der Verein natürlich auch die von Pereira einzig den finanziellen Ressourcen Ismaiks zu verdanken. Herzliche Worte durften nicht fehlen. "Welcome Hasan Ismaik to this event", sagte Power. Knapp acht Personen, offenbar Weggefährten der Protagonisten, für die die Plätze in den ersten Reihen des Raumes reserviert waren, wurden dadurch zu ebenso spontanem wie leidenschaftlichem Applaus animiert. Ismaik fühlte sich sicherlich willkommen, als einziger des Führungsquartetts sprach er jedoch nicht, zwei weitere Plätze für ihn und einen Übersetzer hätten womöglich den Rahmen des Podiums gesprengt. Ismaik lauschte aus der ersten Reihe.

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"Mister Hasan", "Mister Peter" und "Mister Anthony"

Als nächstes sprechen durfte jedenfalls Cassalette. Er wählte naheliegender Weise die deutsche Sprache und lobte Pereira für dessen "gute Fußballphilosophie" und seinen "rationalen Blick auf unsere Probleme". Der rationalste Lösungsansatz wäre es wohl, sich um namhafte Verstärkungen zu kümmern. Und in der Tat: "Wir wollen das Niveau der Mannschaft erhöhen", sagte Pereira dann auch. Ihm sei "versprochen" worden, im Winter investieren zu dürfen. Welche oder wie viele oder wie teure Spieler er denn holen wolle oder dürfe, verriet er dagegen nicht.

Dafür bedankte er sich noch artig bei den Verantwortungsträgern, die ihm diese Anstellung erst ermöglichten, bei "Mister Hasan", "Mister Peter" und "Mister Anthony", wie er Ismaik, Cassalette und Power fast schon liebevoll nannte. Mit Wohlwollen werden sie nicht nur diese netten Anreden aufgenommen haben, sondern auch die Zielsetzungen, die Pereira erst auf Portugiesisch und seine Übersetzerin dann auf Deutsch offenbarte: "Ich möchte den Klub in die Bundesliga führen", sagte er, "dorthin, wo er hingehört." Nämlich zu den "ganz Großen des deutschen Fußballs". Geschafft werden soll all das mit einem "aggressiven und sehr technischen Fußball".

Konkret gesteckt hat Pereira aber nicht nur seine Ziele, gesteckt hat er auch den zeitlichen Rahmen, in dem sie erreicht werden sollen: "Wir haben eineinhalb Jahre." Bis Sommer 2018 gilt sein Vertrag, dann sollen die Löwen in der Bundesliga angekommen sein. Bereits früher will Pereira die deutsche Sprache in seinen Grundzügen erlernt haben. Bis zum nächsten Oktoberfest nämlich, wie er kundtat.

"Prost", könne er jedenfalls schon sagen und führte es direkt vor. Etwas holpriger brachte er das Vereinsmotto über die Lippen. Von einem kleinen Zettel las er "einmal Löwe, immer Löwe" vor. Aus seinem portugiesischen Mund hörte es sich aber eher wie "einmal Luwe, immer Luwe" an. Etwas Feintuning bedarf es dann doch noch. Wohl nicht nur bei der deutschen Sprache, sondern auch im Zusammenspiel mit seinen internationalen Führungsriegen-Kollegen. Und eine akut vom Abstieg bedrohte Mannschaft gibt es ja auch noch, die er anleiten und halt eben in die Bundesliga führen muss.

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