"Bei Bayern weißt du nicht, woran du bist"

Patrick Weihrauch hat unter Pep Guardiola nie in einem Pflichtspiel für Bayern gespielt
© getty

Patrick Weihrauch hat den FC Bayern München im Sommer nach sechs Jahren ohne Profieinsatz verlassen. Bei den Würzburger Kickers will der Angreifer den nächsten Schritt in seiner Karriere machen. Im Interview spricht der 22-Jährige über seine fehlende Perspektive bei den Bayern, die Qualitäten seines neuen Trainers Bernd Hollerbach und die Schwierigkeiten für Mario Götze in der modernen Medienwelt.

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SPOX: Herr Weihrauch, 2010 wechselten Sie von der 1860-Jugend zum FC Bayern. Wie kam es damals zu diesem pikanten Wechsel?

Patrick Weihrauch: Wir hatten ein Derby bei uns zu Hause, also bei Sechzig. Danach hat sich der Kontakt intensiviert. Es war aber auch schon in den Jahren zuvor so, dass sich die Bayern immer wieder nach mir erkundigt haben. Aber meine Eltern meinten immer, dass das noch zu früh für mich ist. Konkret wurde es dann nach dem Derby.

SPOX: Gab es auch im Alter von 16 Jahren schon Probleme bei dem Wechsel zum Erzrivalen?

Weihrauch: Nein, nicht wirklich. Meine Eltern und meine ganze Familie sind Bayern-Fans. Für mich persönlich war der Wechsel auch nicht problematisch. Im Endeffekt ging es für mich ja auch nur eine Straße weiter. Ich habe mich darauf gefreut und Anfeindungen gab es überhaupt keine. Wenn man als kleiner Junge schon Bayernfan ist und in ihren Trikots herumläuft, ist es natürlich ein Traum, eines Tages für Bayern zu spielen. Und wenn das Angebot dann konkret wird und sich diese Chance tatsächlich ergibt, will man sich diesen Traum auch erfüllen.

SPOX: Zwei Jahre später standen Sie dann am ersten Spieltag gegen Greuther Fürth erstmals im Kader der Profis. Neben Ihnen saßen unter anderem Bastian Schweinsteiger und Claudio Pizarro auf der Bank. Was geht einem da durch den Kopf?

Weihrauch: Das war schon besonders. Davor hast du diese Spieler meist nur im Fernsehen gesehen und jetzt sitzen sie auf einmal in der Kabine neben dir. Da gewöhnt man sich zwar relativ schnell dran. Aber es war schon großartig, zum ersten Mal auf der Bank zu sitzen und mal in die Bundesliga reinzuschnuppern. Das sind Erlebnisse, die mir keiner mehr nehmen kann.

SPOX: Wie läuft so etwas ab, wenn man als junger Spieler plötzlich mit Spielern wie Ribery und Robben trainiert? Ist man ehrfürchtig? Passt man besonders auf, wenn man in die Zweikämpfe geht?

Weihrauch: Man geht schon mit einem anderen Gefühl ins Training, weil man natürlich weiß, dass das alles Superstars und Nationalspieler sind. Aber im Endeffekt geht es auch da ums Fußballspielen, da ist es letztlich egal, mit wem man auf dem Platz steht. Die Hemmschwelle schwindet schnell.

SPOX: Im Jahr 2013 stand in einem Bericht einer Münchner Zeitung: "Die Frage, ob Götze oder Mandzukic spielen sollte, könnte man künftig mit Weihrauch beantworten." Haben Sie das seinerzeit gelesen? Was haben Sie dabei gedacht?

Weihrauch: Gelesen habe ich das natürlich. Heutzutage bekommst du bei solchen Dingen innerhalb von zwei Minuten von zehn verschiedenen Leuten den Bericht geschickt. Da kommt man nicht vorbei. Aber von so etwas lasse ich mich nicht verrückt machen. Ich habe im Training und in den Spielen immer versucht, alles zu geben. Und bei so einem Artikel weiß man ja auch immer nicht, wer ihn geschrieben hat und was dahinter steht. So etwas lässt man nicht zu nah an sich ran. Das wäre auch viel zu gefährlich. Entscheidend ist die Leistung, nicht das, was in der Zeitung steht.

SPOX: Würden Sie sagen, dass es in Zeiten von ständiger Erreichbarkeit und Social Media für junge Spieler schwieriger ist, sich bei so einem großen Verein durchzusetzen, weil man mehr unter dem Brennglas steht?

Weihrauch: So extrem habe ich das nicht erlebt. Über mich wurde vielleicht einmal in ein paar Monaten etwas geschrieben. Aber klar, wenn man sich beispielsweise den Umgang mit Mario Götze anschaut - für ihn ist es gewiss nicht einfach. Obwohl er schon ein gestandener Bundesliga- und Nationalspieler ist, wird jeder seiner Schritte genau beobachtet und im negativen Falle auch gleich kritisiert. Diese Entwicklung finde ich schon extrem.

SPOX: Sie waren mit den Bayern im Trainingslager in Doha. Welche Eindrücke haben Sie dort als junger Spieler gewonnen?

Weihrauch: Das war ein Riesenerlebnis. Plötzlich ist alles so groß, das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Wie viel für die Mannschaft getan wird, das ganze Drumherum bekommen Außenstehende gar nicht mit. Das ist beeindruckend. Als junger Spieler wird man von den mitgereisten Fans und Medienvertretern noch nicht so beachtet, was für die Entwicklung auch gar nicht schlecht ist. Stattdessen kann man beobachten und daraus lernen, wie die Stars mit den Zuschauern und der Öffentlichkeit umgehen. Und natürlich auch, wie sie mit dir selbst umgehen.

SPOX: Welche Profis bei den Bayern kümmern sich besonders um die jungen Spieler?

Weihrauch: Ich kann da nur für mich sprechen, aber besonders die deutschen Spieler wie Philipp Lahm, Thomas Müller oder Bastian Schweinsteiger und Mario Gomez, als sie noch da waren, sind schon oft zu einem gekommen und haben immer ihre Hilfe angeboten.

SPOX: Anfang 2015 waren Sie für zwei Wochen zum Probetraining beim SV Sandhausen. Der Verein entschied sich damals, dass Sie viel Potenzial hätten, aber keine "sofortige Hilfe" seien. Wie tief saß die Enttäuschung?

Weihrauch: Was heißt Enttäuschung? Es hat für beide Seiten einfach nicht perfekt gepasst und wenn man ein Leihgeschäft eingeht, dann muss es schon zu 100 Prozent passen. Du musst dann schon irgendwo hinkommen, wo du für dich selbst auch eine wirkliche Perspektive siehst.

SPOX: War das auch die Phase, in der Sie erkannten, dass Sie wohl wechseln müssen, um den nächsten Schritt zu machen, weil das bei Bayern vielleicht nicht mehr geklappt hätte?

Weihrauch: Ja, in den letzten Jahren ist die Qualität des Kaders enorm in die Höhe gegangen, auch oder vor allem in der Breite. Da merkt man als junger Spieler natürlich auch, dass es sehr, sehr schwer wird, sich mit so vielen Topstars im Kader durchzusetzen. Ich wollte aber für mich den nächsten Schritt machen. Mit Sandhausen hat es nicht hundertprozentig gepasst. Dann wollte ich im Sommer wieder gehen, aber Bayern hat gesagt, ich muss hier bleiben, sie brauchen mich. Aber jetzt habe ich den Schritt hierher nach Würzburg gemacht, und darüber bin ich auch sehr glücklich.

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