WM

Italien in tiefer Trauer: "Weg mit den Mumien"

SID
Italien und Gianluigi Buffon trauern um das WM-Aus
© getty

"Apokalypse now": Italiens Fußball liegt nach nach dem blamablen und tränenreichen WM-Aus in Trümmern. Wie es beim vierfachen Weltmeister ohne Gianluigi Buffon weitergeht, ist völlig offen.

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Als die lebende Legende Gianluigi Buffon in Tränen aufgelöst den Ort des historischen Desasters verließ, trug ein ganzes Land längst Trauer. "Apokalypse, Tragödie, Katastrophe", titelte der Corriere dello Sport nach einer der schwärzesten Nächte des italienischen Fußballs und brachte damit die Grabesstimmung bei den tief getroffenen Azzurri auf den Punkt.

Der vierfache Weltmeister nur Zuschauer bei der WM 2018 in Russland - für die stolzen und erfolgsverwöhnten Italiener "die größte Demütigung der Geschichte, eine unerträgliche Schande, ein unauslöschlicher Fleck", wie der Corriere weiter schrieb. Für die Gazzetta dello Sport ist es eine der "dunkelsten Phasen unserer Sportgeschichte". Es sei eine "brutale Ohrfeige und ein enormer Schaden für ein Land, das vom Fußball lebt und damit atmet".

Erstmals nach 60 Jahren und der Endrunde 1958 wird Italien im kommenden Sommer keine WM-Luft atmen. Wie es bei der Squadra Azzurra nun weitergeht, ist völlig offen. Der italienische Fußball liegt nach der bitteren Nullnummer im Mailänder San Siro und dem 0:1 im Hinspiel gegen biedere Schweden in Trümmern.

Altmeister verabschieden sich

Torwart-Idol und Weltmeister Buffon sowie die Altmeister Andrea Barzagli, Giorgio Chiellini und Daniele De Rossi erklärten nach dem Debakel umgehend ihren Rücktritt. "Ich bin traurig. Es ist extrem schade, dass meine Nationalmannschaftskarriere so zu Ende geht. Das ist sehr enttäuschend für mich und die gesamte Nation", sagte "San Gigi" nach seinem 175. und letzten Länderspiel für Italien - und weinte bittere Tränen.

Da hatten selbst die spanischen Medien mit dem 39 Jahre alten Keeper, der noch bis Saisonende für seinen Klub Juventus Turin spielen wird, Mitleid. So eine "historische Erniedrigung" habe ein "Gigant wie Buffon nicht verdient", schrieb As. Marca meinte sogar, dass Buffon "dieses Italien nicht verdient" habe. Für die Blätter auf dem Appenin war nach der Pleite deshalb eines klar: "Jetzt braucht Italien dringend einen Neustart!" (La Stampa).

Nationaltrainer Gian Piero Ventura, der unlängst seinen Vertrag bis 2020 verlängert hatte, wird dieser Neustart mit Blick auf die kommende Euro nicht mehr zugetraut. Er steht vor dem Aus. Einen Rücktritt schloss der 69-Jährige aber zunächst aus. "Ich habe noch nicht mit dem Verbandspräsidenten Carlo Tavecchio gesprochen. Es kommt nicht auf mich an, ich bin nicht die Person, die diese Entscheidung zu treffen hat", sagte Ventura trotzig.

Tavecchio, der im Vorfeld ein mögliches WM-Aus als "Apokalypse" bezeichnet hatte, deutete aber schon vor einer Sitzung des Verbandes (FICG) die Entlassung des umstrittenen Trainers an. "Dieser sportliche Misserfolg erfordert Lösungen, die wir zusammen ergreifen müssen", sagte Taveccio (74), der aber auch selbst massiv in der Kritik steht.

Italiens Weltmeister fordern frischen Wind

"Wer dieses Debakel zugelassen hat, darf nicht auf seinem Platz bleiben", sagte Marco Tardelli, Weltmeister von 1982, und rief nach einer "Neugründung des italienischen Fußballs". Damit lag er auf einer Wellenlänge mit dem Ex-Nationalspieler Paolo Cannavaro. "Weg mit den Mumien, die den italienischen Fußball leiten, und mehr Raum für junge Leute auch außerhalb des Spielfelds", forderte dieser.

Als Nachfolger von Ventura, der nach der EM 2016 den Posten von Antonio Conte (jetzt FC Chelsea) übernommen hatte, wird bereits der im Oktober beim FC Bayern entlassene Carlo Ancelotti gehandelt. Auch der ehemalige Russland-Trainer Fabio Capello und Roberto Mancini, der aktuell Zenit St. Petersburg trainiert, werden genannt. Einziger Haken: Der italienische Fußballverband unterliegt einem Sparkurs und kann dem neuen Coach angeblich nur ein Jahresgehalt von 1,5 Millionen Euro bieten. Für Trainer der Kategorie Ancelotti reichlich wenig.

Doch dies war nach dem WM-Aus erst einmal das geringste Problem der Italiener, die am späten Dienstagabend fassungslos und mit Tränen in den Augen den Fußball-Tempel San Siro verlassen hatten. Italien befinde sich "an der Endstation", meinte Tuttosport: "Der 13. November 2017 wir in der italienischen Fußballgeschichte als Datum des Debakels in Erinnerung bleiben."

Auch Bundestrainer Joachim Löw hatte sich noch vor dem Spiel eine WM ohne die Italiener, mit denen sich die deutsche Elf viele legendäre Spiele geliefert hat, nicht vorstellen wollen. Das wäre "Wahnsinn". Doch dieser ist Realität.

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