Hammer, Herzschlag, Hannibal Lecter

Von Thomas Gaber
SPOX-Chef vom Dienst Thomas Gaber beim Medizincheck in der TU München
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Freitag, 12. Juli, kurz vor 13 Uhr. Begleitet von einem leicht nervösen Gefühl betrete ich die Räume des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie der TU München. "Ich bin das Opfer", sage ich zu Lehrstuhl-Mitarbeiterin Christiane Barta, die mich freundlich in Empfang nimmt.

Die Leiterin des Lehrstuhls, Prof. Oberhoffer, und Dr. Jan Müller stellen sich vor. "Herr Müller wird Sie später auf dem Fahradergometer quälen. Der Mann kennt sich als Triathlet und Marathonläufer mit körperlichen Schmerzen aus", sagt Prof. Oberhoffer.

Meine erste Aufgabe: Sportklamotten anziehen und ab auf die Waage. 86,6 kg - die Digitalanzeige lügt nicht, da hilft auch kein Bauch einziehen. Bei einer Körpergröße von 1,78 Meter gehöre ich nicht gerade zu den Vorbildern, was den Body Mass Index angeht.

Nach dem Messen von Blutdruck und Blutfließgeschwindigkeit bittet mich Prof. Oberhoffer zum Anamnese-Gespräch. Die Anamnese ist eine systematische Befragung durch den Arzt, um die gesundheitliche Vorgeschichte und das genetische Risiko des Patienten zu erfassen.

Drei Brüche und ein Rückenschaden

Meine Leidensgeschichte beinhaltet zwei Schlüsselbeinbrüche, einen Armbruch (immer rechts), sowie einen Bandscheibenvorfall.

Zudem erkundigt sich Prof. Oberhoffer nach meinen sportlichen Aktivitäten. Seit meinem Bandscheibenvorfall im Jahr 2010 stehe ich Kontakt-Sportarten eher distanziert gegenüber. Ohne Fußball geht's freilich trotzdem nicht. Meine Leidenschaft liegt aber mittlerweile mehr auf Tennis, Golf und Skifahren.

Nach der Anamnese wird es allmählich ernst. Prof. Oberhoffer tastet Organe ab und hört den Herzschlag mit dem Stethoskop ab. Und dann kommt auch schon der Hammer. Meine Knie, Ellbogen- und Handgelenke werden sanft getroffen.

"Mit dem Hämmerchen werden Muskeleigenreflexe gemessen. Dabei werden bestimmte Nerven getroffen. Je nachdem, wie intensiv der Muskel reagiert, gibt das Aufschluss über das vegetative Nervensystem. Man kann mit dieser Methode auch Asymmetrien feststellen, beispielsweise ob die Wirbelsäule bedrohlich beschädigt ist", schildert Prof. Oberhoffer.

Wie beim Blutdruck komme ich auch beim Reflextest ohne negative Auffälligkeiten davon. Alles im grünen Bereich. Bis jetzt. Als nächstes steht eine genauere Herz-Untersuchung an.

Echokardiographie des Herzens

Mit Hilfe einer Echokardiographie (Ultraschall-Untersuchung) werden etwaige Herzerkrankungen festgestellt. Der Arzt erhält Informationen über die Größe des Herzens, der Herzkammern und der Herzvorhöfe, sowie die Dicke der Herzwände. Die Beweglichkeit, Funktionsfähigkeit und die Auswurfleistung des Herzens können mit dieser Methode festgestellt werden.

Prof. Oberhoffer schmiert ein spezielles Kontakt-Gel auf meine Brust und setzt den Schallkopf an. Die ausgestrahlten Schallwellen werden vom Körpergewebe unterschiedlich stark reflektiert und als "Echo" zurückgeworfen. Dieses Echo wird elektronisch in ein Bild umgewandelt und ist am Bildschirm sichtbar.


Sämtliche Funktionen an meinem Herzen sind nach Aussage von Prof. Oberhoffer "wunderbar". Das ist keineswegs selbstverständlich, auch nicht bei ganz jungen Spielern.

"Wir hatten bei der Untersuchung der Spieler von Unterhaching Fälle, da konnten wir die Tauglichkeit zum Leistungssport nicht gewährleisten", sagt Prof. Oberhoffer.

Auf Verständnis stößt eine solche Diagnose nicht immer. "Wir sind dann bei den Eltern auch mal die Buhmänner", sagt die Professorin. Ob ein Verein einen Spieler, der nicht oder nur bedingt leistungssporttauglich ist, beschäftigt, liegt nicht im Einflussbereich der Ärzte.

"Wir informieren die SpVgg Unterhaching über die Ergebnisse unserer Checks. Wir können es aber nicht verhindern, dass ein Spieler, bei dem wir beispielsweise eine Herzmuskelerkrankung feststellen, zu einem anderen Arzt geht und dieser Arzt dann eine andere Diagnose stellt. Eine, die es dem Spieler ermöglicht, Leistungssport zu betreiben", sagt Christiane Barta.

Elektrokardiogramm

Eine weitere Methode, um Probleme am Herzen wie Rhythmusstörungen zu erkennen, ist das Elektrokardiogramm, kurz EKG. Beim medizinischen Check wird ein Ruhe- und ein Belastungs-EKG durchgeführt.

Das Ruhe-EKG wird im Liegen durchgeführt. Christiane Barta bepflastert meinen Körper mit Eletroden, die mit einem Messgerät verbunden sind. Das Messgerät zeichnet verschiedene Werte auf wie Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Herzschläge.

Der Arzt kann anhand des Ruhe-EKG beurteilen, ob das Herz ausreichend durchblutet wird, wenn sich der Patient körperlich nicht anstrengt.

Am ganzen Körper verkabelt zu sein, ist zwar kein Hochgenuss, man spürt von den elektronischen Strömen aber absolut nichts. Nach ein paar Minuten werde ich von den Pflastern wieder befreit. Weh tut's nur, wenn man die Dinger von den Brusthaaren abzieht. Dafür sind meine Werte in bester Ordnung. Doch das Schlimmste steht mir ja auch noch bevor...

Spiroergometrie

Da liegt sie schon bereit, die Atemmaske. Und wieder jede Menge Pflaster. Elektroden. Kabel. Und natürlich der Fahrrardergometer. Dazu ein riesiger Bildschirm-Apparat, der dafür sorgt, dass dem Arzt während der Belastung des Patienten nichts entgeht.

Bei der Spiroergometrie werden EKG, Blutdruck, Lungenfunktion, Blutgase, Atemmechanik und Kreislaufanpassung unter Belastung ermittelt und bewertet. Außerdem wird die Belastbarkeit der Beinmuskulatur getestet.

Dr. Müller legt mir einen Hüftgürtel an, an dem die Kabel befestigt sind. Die Atemmaske wird am Kopf fixiert. Dem optischen Vergleich mit Dr. Hannibal Lecter aus dem Film "Das Schweigen der Lämmer" kann ich mich nicht entziehen.

Der Sensor, den Dr. Müller in die Öffnung der Maske auf Mundhöhe steckt, misst jeden Atemzug.

Der Start ist äußerst angenehm. Die ersten knapp zwei Minuten trete ich mit null Widerstand. Danach wird alle paar Sekunden die Watt-Zahl automatisch um drei nach oben korrigiert. Während die Anstrengung allmählich größer wird, beobachtet Dr. Müller sämtliche Körper-Funktionen auf dem Bildschirm.

"Sobald ich Anzeichen einer Überbelastung oder Störung der Herzrhythmusfunktionen erkenne, hole ich Sie sofort runter vom Rad", sagt er.

Noch ist das Treten in die Pedale nicht besonders anstrengend, dafür drückt die Atemmaske auf die Nasenflügel, sodass mir nichts anderes übrig bleibt, als ausschließlich durch den Mund zu atmen.

So ganz allmählich merke ich, wie die Beine schwerer werden und die Atemgeräusche an Intensität zunehmen. Nach knapp fünf Minuten trete ich mit 150 Watt. Und der Widerstand wird ständig erhöht, nach sieben, acht Minuten fahre ich gefühlt einen Tour-de-France-Berg der zweiten Kategorie hoch.

Und jetzt wird's brutal. 250 Watt, 280 Watt, 300 Watt. Ich hole alles aus meinem Körper raus. Nach 10:52 Minuten ist die Quälerei vorbei, 318 Watt steht am Ende auf der Anzeige. Das ist etwa das 3,5-fache meines Körpergewichts.

"Ein junger Fußball-Profi schafft wahrscheinlich nicht mehr Watt, ist aber etwa 20 Kilo leichter und hat dadurch ein besseres Kraft/Leistungsverhältnis", sagt Dr. Müller. Damit kann ich leben. Bayerns neuer Star Thiago kann also auch nicht heftiger strampeln als ich.

Während mein Herzschlag von etwa 185 Schlägen pro Minute beim Ausradeln auf den normalen Wert runterfährt, beglückt mich Dr. Müller noch mit der Aussage, dass ich eigentlich topfit bin. "Sie sind am obersten Limit der Norm. Bei einem Normwert zwischen 80 und 120 erreichen Sie 118."

Das heißt nichts anderes, als dass ich jetzt zwar nicht der überdurchschnittliche Fitness-König bin, mich unter den "Normalos" aber im obersten Bereich bewege.

Ein junger Fußball-Profi würde mich am Berg auch nicht abhängen, mit den Berg-Ziegen des Profiradsports kann ich dann aber doch nicht mithalten. Christopher Froome und Co. ziehen die 21 Rampen hoch nach Alpe d'Huez mit der siebenfachen Wattleistung bezüglich ihres Körpergewichts.

Mir reichen meine elf Minuten und die frohe Kunde, dass ich körperlich ordentlich drauf bin.