"Verstehe jetzt Pep und Ancelotti"

Andreas Beck unterschrieb bei Besiktas bis 2018
© seskim

Andreas Beck brach seine Zelte in Deutschland ab und spielt seit Beginn der Saison für Besiktas in der Türkei. Im Interview spricht der 28 Jahre alte Rechtsverteidiger über die Umstellung, neue Gewohnheiten und Weisheiten großer Trainer.

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SPOX: Herr Beck, als wir mit Ihnen im Rahmen Ihrer ersten SPOX-Kolumne gesprochen haben, waren Sie in Istanbul noch auf der Suche nach Handyvertrag und Wohnung. Alles gefunden?

Andreas Beck: Ja! Wir haben mit meiner Freundin eine Bleibe auf der europäischen Seite Istanbuls gefunden - allerdings mit guter Verkehrsverbindung zur Bosporus-Brücke und damit zur asiatischen Seite, wo unser Klubgelände steht und wir trainieren. Das mit der guten Verbindung muss ich betonen, weil hier so viel Verkehr ist. Da muss man sich das schon richtig legen. Der Handyvertrag war da schon deutlich unkomplizierter. (lacht)

SPOX: Auch sportlich haben Sie sich relativ schnell an Istanbul und Besiktas gewohnt.

Beck: Mit einem Wechsel kommen immer neue Faktoren auf einen zu. Es sind viele Ungewissheiten, viele Parameter, die man zunächst nicht einschätzen und bestimmen kann. Ich habe für mich festgestellt, dass mir der Wechsel unheimlich gut getan hat. Ich lerne viele neue Dinge. Es ist eine neue Mannschaft, ein neues Umfeld, ein neuer Fußball.

Live Beck und Gomez im Live-Ticker: Besiktas - Skenderbeu (19 Uhr)

SPOX: Im besten Fußballeralter alles noch einmal neu erkunden: War das auch der Hintergedanke für den Wechsel damals?

Beck: Sicher, ja. Es ist natürlich schön, dass bisher alles so geklappt hat. Abzusehen war es nicht, aber der Anspruch war natürlich da, zu einem Topklub zu wechseln, Erfolg zu haben und jeden Tag hart zu arbeiten. Das ist das Sportliche...

SPOX: Es gibt aber auch die andere Seite...

Beck: Richtig. Es ist wichtig, sich schnell einzuleben und sich bestmöglich sofort zu integrieren, weil - und das darf man nicht vergessen - ich hier Ausländer bin. Da gilt es sich unterzuordnen, die Gewohnheiten anzunehmen, sich anzupassen und gut zurechtzukommen. Ich bin bei diesem Prozess noch mittendrin, aber der Start ist gut gelungen.

Opta-Statistiken: Andreas Beck in der Süper Lig

SPOX: Die türkische Fußballlandschaft gönnt selten eine Eingewöhnungszeit, sondern fordert sofortigen Erfolg. Sie haben aber auf Anhieb eine große Akzeptanz erfahren, sind Publikumsliebling bei Besiktas. Sie haben es gerade gesagt: das alles als Ausländer. Was ist Ihr Geheimnis?

Beck: Es ist als Spieler meine erste Auslandserfahrung, aber als Kind bin ich mit der ganzen Familie von Russland nach Deutschland ausgewandert. Auch mit sechs, sieben, acht Jahren bekommt man mit, wie so ein Prozess stattfindet. Was machen die Eltern? Welche Energie stecken sie rein, um sich zu integrieren und eine neue Sprache zu lernen? Das färbt auf ein Kind ab. Ich wusste vor dem Wechsel daher auch, was mich ungefähr erwartet. Dass eben auch Arbeit dahintersteckt, sich anpassen zu wollen, sich unterzuordnen und dennoch die Qualität, die man hat, aufblühen zu lassen.

SPOX: Wie war die sportliche Erwartung? Die Süper Lig hat nicht den besten Ruf, dennoch hat sie zum Beispiel aktuell mit Mario Gomez, Lukas Podolski und Marko Marin drei Deutsche wieder fußballresozialisiert.

Beck: Die Liga ist deutlich besser als ihr Ruf. Natürlich sind die Bundesliga oder die Premier League die herausragenden Ligen, die Top-Fußball repräsentieren. Aber nehmen wir Besiktas: Hier steckt in jedem Punkt, in jedem Spiel so viel Fleiß, so viel Energie und so viel harte Arbeit. Es ist keine Liga, in der man mit 50 Prozent Leistung etwas erreichen kann oder im Vorbeigehen Meister wird. Ganz im Gegenteil.

SPOX: In welchen Bereichen hinkt die Liga denn konkret hinterher?

Beck: Ich denke, dass es da um andere Aspekte geht. Da denke ich an Zuschauerzahlen oder die Infrastruktur am einen oder anderen Ort. Das Sportliche, die Ausbildung, die Qualität der Spiele - das ist hier alles sehr hoch. Die Leidenschaft, die an den Tag gelegt wird, gibt es in Deutschland nicht bei allen Vereinen. Das funktioniert hier und für diese Erfahrung bin ich dankbar.

SPOX: Besiktas hat seit zwei Jahren kein eigenes Stadion, weil das neue Inönü-Stadion, das Anfang 2016 fertiggestellt werden soll, eine Dauerbaustelle ist. Und dennoch genießen Sie jetzt schon die Unterstützung.

Beck: Absolut! Das ist ja nicht nur in Istanbul so. Egal, wo wir hinfliegen, werden wir manchmal von Hunderten oder Tausenden empfangen. Sie folgen uns vom Flughafen zum Hotel mit Spalier und Bengalos und machen dann am nächsten Tag weiter auf dem Weg ins Stadion. Dadurch entsteht auch eine Verpflichtung als Spieler, für diese Leute wirklich alles zu geben. Ich habe hier die Zitate von Carlo Ancelotti oder von Pep Guardiola richtig einzuschätzen gelernt, dass es wirklich hart ist, jedes Spiel zu gewinnen, zu gewinnen und zu gewinnen. Auch wir bei Besiktas sind dem unterstellt. Ich verstehe die beiden jetzt.

SPOX: Das ist ein interessanter Aspekt: War es für Sie eine Umstellung, von Hoffenheim, einem Klub, der diesen absoluten Erfolgsdruck nie hatte, zu Besiktas zu wechseln, wo ein Unentschieden schon als Versagen gilt?

Beck: Das ist ein Trugschluss. Klar, hier musst Du gewinnen, weil die Mannschaft auch besser ist. Aber selbst in Hoffenheim war es doch so: Du spielst Bundesliga! Auch dort erwarten die Fans, dass Du gewinnst. Davor war ich acht Jahre beim VfB Stuttgart, wo mit die beste Jugendarbeit in Deutschland geleistet wird: Da war es eine gute Schule, auch dort wurden immer Siege gefordert. Auch bei den Profis bin ich deutscher Meister geworden. Diese Erfahrungswerte, immer gewinnen zu müssen, die habe ich auch schon in Deutschland gesammelt.

SPOX: In der Türkei ist das Echo auf eine Niederlage aber größer.

Beck: Es ist auf jeden Fall ein anderes Niveau, zumal das hier ein absoluter Topklub ist. Aber zum Glück haben wir damit noch nicht allzu viele Erfahrungen machen müssen, wir haben in dieser Saison ja erst ein Spiel verloren.

SPOX: Gibt es etwas, dass Sie in der Türkei überrascht hat?

Beck: Mich überrascht eigentlich jeden Tag etwas. Wenn Sie mich in einem Jahr noch einmal fragen, kommen wahrscheinlich nochmal tausend Dinge hinzu. Ich bin aber total offen und versuche, diesen Sachen wertfrei zu begegnen. Und diese Herangehensweise muss auch sein, weil das hier eine andere Kultur ist, der ich mich als Gast in diesem schönen Land auch anpassen will.

Andreas Beck im Steckbrief

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