Seid froh, jetzt zu leben

Von SPOX
Lionel Messi erzielte gegen Real Madrid sein 500. Pflichtspieltor für den FC Barcelona
© imago

Lionel Messi hat mit seinem Last-Minute-Siegtor im 266. Clasico zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona die Meisterschaft in der Primera Division wieder spannend gemacht. Ein weiteres Mal setzte sich die individuelle Klasse des Argentiniers gegen alle Widerstände durch. Als Fußballinteressierter sollte man froh sein, diese Momente der Faszination erleben zu dürfen.

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Es ist und war ja schon immer müßig. Welche Bewertungskriterien soll es nach zahlreichen Jahrzehnten des Profifußballs auch geben, um mit Sicherheit den besten Spieler aller Zeiten zu bestimmen?

Was beispielsweise jemand wie der legendäre Brasilianer Pele in den 1950er und 1960er Jahren am Ball zeigte, lässt sich nur schwerlich mit den Eigenschaften vergleichen, die ein Spieler im heutigen Fußball mitbringen muss, um sich mit seiner individuellen Qualität deutlich von anderen abzusetzen.

Das Spiel ist längst ein anderes geworden, das Tempo um ein Vielfaches höher, die athletischen Fähigkeiten der Akteure reizen die körperlichen Grenzen des Machbaren beinahe aus. Pele war dennoch genial, Vergleiche mit der Vergangenheit bleiben aber irreführend.

Seid froh, jetzt zu leben

Stattdessen sollte man, sofern man die letzten 15 Jahre bereits auf diesem Planeten verbrachte, bei der Frage nach dem Besten aller Zeiten viel eher den Fußballbegeisterten entgegen rufen: Seid froh, jetzt zu leben.

Spieler wie Cristiano Ronaldo und Lionel Messi haben die Spitze im Fußball schon vor Jahren auf ein neues Niveau gehoben. Sie stehen außer Konkurrenz, treffen in schwindelerregender Regelmäßigkeit und Häufigkeit und bringen den Zuschauer dank der individuellen Dominanz immer und immer wieder zum Staunen.

Man sollte daher als Fußball-Fan, ob neutral oder nicht, glücklich mit der Tatsache sein, die Zeiten von Ronaldo und Messi erleben zu können. Es würde alles andere als verwundern, würde man in 20 Jahren nicht die Genialität und Einzigartigkeit dieser beiden Spieler in gewisser Weise vermissen. Was man von ihnen gezeigt bekommt, ist sportliche Einzigartigkeit.

Messi bescherte magischen Abend

Wer also im Endeffekt der Bessere der beiden ist, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Im 266. Clasico, den der FC Barcelona in buchstäblich letzter Sekunde bei Real Madrid mit 3:2 gewann und damit das Rennen um die Meisterschaft in der Primera Division wieder spannend macht, trafen Messi und Ronaldo mal wieder im direkten Duell aufeinander.

Ronaldo erwischte schon bessere Tage als an diesem Sonntagabend im Bernabeu. Messi lieferte dagegen eine Messi-typische Show ab und gewann die Partie im Alleingang. Eine solche Behauptung klingt im ersten Moment wie eine Übertreibung, doch sie entspricht schlicht den Tatsachen.

Messi bescherte den Zuschauern - Madrider Fans müssen sich hier nicht angesprochen fühlen - einen magischen Abend, wie ihn nur Spieler dieser Klasse kreieren können. Das gelingt manches Mal mit drei oder mehr geschossenen Toren, doch der Clasico bot eine Dramaturgie an, die Messis Leistung besonderer macht als ein Hattrick gegen eine Mannschaft im Tabellenmittelfeld.

Messis Türöffner-Aktionen

Der Argentinier hatte dabei mit großen Widerständen zu kämpfen. Da sein Team zu Spielbeginn Probleme hatte, die Kontrolle über das Geschehen herzustellen, ließ sich Messi zunächst auffällig tief fallen und holte Bälle ab. Damit es überhaupt so etwas wie einen strukturierten Vorwärtsgang in Barcas Spiel gab.

Die Katalanen kamen auch gleich besser ins Spiel, da Messi als eine Art Zehner sehr zentral agierte und durch seine Einzelaktionen ein ums andere Mal Räume freispielte, die gefährliche Situationen überhaupt erst möglich machten.

Nach zwölf Minuten holte ihn Casemiro bei einer dieser Türöffner-Aktionen rüde von den Beinen, nach 21 Minuten bekam er Marcelos Ellbogen unglücklich ab. Der blutende Messi stopfte sich ein Taschentuch in den Mund und spielte weiter, als ob er schon häufiger mit einem Taschentuch im Mund seiner Arbeit nachgegangen wäre.

Messi vertraut der eigenen Genialität

Dies ist ja genau einer der Unterschiede zwischen Messi und Ronaldo: CR7 inszeniert sich als Superstar, er liebt die große Bühne und steht gerne im Rampenlicht.

Messi kommt im Vergleich dazu wie ein bescheidener Schulbub daher. Er verzieht nur selten eine Miene. Dies macht ihn in gewisser Weise unberechenbar. Denn Messi weiß genau, dass er allen anderen überlegen ist. Er strahlt ein großes Selbstvertrauen in seine eigene Genialität aus - und das wiederum wissen die Kontrahenten genau.

Bezeichnend daher der Blick in die Gesichter der Real-Spieler unmittelbar nach Messis Ausgleichstor zum 1:1. Der 29-Jährige wählte einen grandiosen Laufweg, musste angespielt werden und wurde es natürlich auch, machte zwei schnelle Bewegungen, öffnete sich damit selbst den Raum und netzte allein vor Keeper Keylor Navas ein.

500. Pflichtspieltreffer für Barcelona

Aus den Madrilenen sprach eine gewisse Form der Resignation: Diesen Angriff hätte man grundsätzlich zwar besser verteidigen können, doch letztlich war eben Messi beteiligt - und der ist seit jeher schwer aufzuhalten. Welchen ernsthaften Vorwurf soll man sich also machen?

Auch Sergio Ramos muss wohl von Verzweiflung geplagt gewesen sein, als er Messi nach 78 Minuten enorm hart attackierte und der Argentinier mit Glück sagen konnte, dass er bei diesem Foulspiel seine Beine rechtzeitig in die Höhe bekam. Ramos sah Rot und bescherte Barca und Messi eine zweite Luft.

Bezeichnend für Messis schleichenden Spielstil, der immer wieder auch zwischen gefühlter Teilnahmslosigkeit und technischer Magie wandeln kann, dann das Siegtor. In letzter Sekunde. Die Meisterschaft damit wieder spannend gemacht, die letzte Chance für seinen Klub genutzt. Mit dem 500. Pflichtspieltreffer für nur diesen Klub.

Ich besiege alle Widerstände

Es war in Sergi Roberto einer von Barcas schwächsten Spielern an diesem Abend, der dieses Tor erst möglich machte. Sein starker Antritt durch die gegnerische Hälfte brachte den daran unbeteiligten Messi in Position. Messi hielt sich kurz im Hintergrund, durchschaute den Spielzug und nahm dann den einzig möglichen Laufweg, der einem FCB-Spieler in dieser Situation ermöglichen konnte, zum Abschluss zu kommen.

Pass in den Rückraum, Messis Präzision, ein unhaltbarer Treffer. Das Santiago Bernabeu still. Messi mit seinem Trikot in den Händen als der Stier in der Arena, auf den alle Blicke gerichtet sind und der mit dieser Geste selbst unfreiwillig ausdrückt: Ihr versucht mich aufzuhalten, aber ich besiege alle Widerstände.

Diese Partie war nicht nur der spektakulärste Clasico seit einigen Jahren. Sie war Beweis für die Faszination und Begeisterung, die das Spiel Fußball auf seine Zuschauer ausüben kann.

Messi und Ronaldo sind in der aktuellen Epoche die über allen stehenden Protagonisten, um solche Spiele überhaupt erst wahr werden zu lassen. Pele konnte das auch, mit derselben Konstanz. Nur unter nicht vergleichbaren Umständen vor über 50 Jahren.

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