Die wechselhafte Saison von Marko Arnautovic bei West Ham: Von Hass und Huldigungen

Marko Arnautovic
© getty

Nach einem verheerenden Saisonstart beorderte West Ham Uniteds neuer Trainer David Moyes Rekordtransfer Marko Arnautovic vom Flügel in die Sturmspitze. Seitdem gelangen dem 28-jährigen Österreicher in sechs Premier-League-Spielen ebenso viele Scorerpunkte und Arnautovic wurde sogar zur Wahl zum Spieler des Monats nominiert. Bei der Rückkehr zu seinem Ex-Klub Stoke City aber schlug ihm nichts als Hass entgegen.

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Am 2. Januar, nach einem 2:1-Sieg gegen West Bromwich Albion, publizierte West Ham auf seiner offiziellen Website einen Artikel mit der Überschrift: "Wie Marko West Ham erneut begeisterte." Es ging unter anderem darum, dass Arnautovic "jeden Grashalm beackerte" und "unerbittlich presste". Außerdem wurde seiner Vorarbeit zum späten Siegtor von Andy Carroll gehuldigt.

Der Assist war nach fünf Toren Arnautovics sechster Scorerpunkt in den vergangenen sechs Spielen. Und dann stand da auf der Vereinswebsite geschrieben: "Nachdem er in allen elf Ligaspielen zuvor erstaunlicherweise an keinem Tor direkt beteiligt war." Erstaunlicherweise. Treffend. Denn den verheerenden Saisonstart zuvor hat keiner erwartet und konnte sich schon gar keiner erklären.

Arnautovics verheerender Saisonstart

Nach vier Jahren bei Stoke City wechselte Arnautovic im Sommer für rund 28 Millionen Euro zu West Ham. Als teuerster Transfer der Vereinsgeschichte. So groß aber die Ablösesumme und die Erwartungen waren, so groß war auch die Ernüchterung im Herbst. Arnautovics erstes Premier-League-Spiel für West Ham endete 0:4, beim zweiten sah er für eine Tätlichkeit die Rote Karte. Er enttäuschte, fehlte krankheitsbedingt, enttäuschte erneut. "In seinem eigenen Kopf ist dieser Typ Ronaldo", sagte TV-Experte Jamie Carragher gehässig. "Sein Problem ist, dass er glaubt, besser zu sein, als er wirklich ist."

Im Spiel darauf verlor West Ham zuhause mit 0:3 gegen Aufsteiger Brighton & Hove Albion. "Wer wird rausgepickt?", fragte der kritisierte Arnautovic danach und wusste die Antwort: "Natürlich ich!" Trainer Slaven Bilic strich Arnautovic daraufhin bis zu seiner Entlassung aus der Startelf. West Ham rangierte auf einem Abstiegsplatz.

Bilics Nachfolger wurde David Moyes, bei seiner Ankunft sagte er über Arnautovics bisherige Spiele für West Ham: "In den Clips, die ich gesehen habe, sah er nicht wie ein Team-Player aus." In seinem ersten Spiel unter Moyes durfte Arnautovic trotzdem beginnen. Es war vielleicht sein bis dahin bester Auftritt für West Ham - aber er musste mit einer Handverletzung ausgewechselt werden.

In den sozialen Medien wurde Arnautovic für seine angebliche Theatralik bei der Verletzung verspottet. Was er von anonymer Kritik hinter dem Bildschirm hält, hatte er schon zuvor erklärt: "Das sind Leute, die kein Leben, keine Arbeit und keine Ahnung haben. Sie sitzen halt vor dem Laptop. Mir ist das wurscht, sollen sie."

Arnautovics Rollenwechsel unter Moyes

Statt wie unter Bilic als Linksaußen probierte Moyes Arnautovic erst als Rechtsaußen aus, ehe der neue Trainer sein System umstellte: statt einem 4-1-4-1 oder 4-2-3-1 ein 3-5-2 oder 3-4-3. Arnautovic spielt seitdem meist als (zweiter) Stürmer und Arnautovic gefällt es.

Sky Sports errechnete, dass er vor dem Trainerwechsel 27 Prozent seiner Einsatzzeit auf einer kleinen Fläche auf dem linken Flügel verbrachte, die lediglich rund vier Prozent des gesamten Spielfeld ausmacht. Isoliert. Unter Moyes entwickelte sich Arnautovic dagegen zum steten Aktivposten mit großem Aktionsradius: Er läuft mehr und sprintet mehr. Mehr und effektiver.

Abgesehen von den Stürmern der Top-Sechs-Vereine hat Arnautovic seit seinem Rollenwechsel ligaweit die meisten Großchancen aller Angreifer kreiert, die meisten Schüsse abgegeben, die zweitmeisten Flanken geschlagen und die drittmeisten Dribblings bestritten. In knapp 65 Prozent der Duelle setzte er sich auch durch. Von den Stürmern, die regelmäßig ins Dribbling gehen, ist das nach Liverpools Mohamed Salah und Roberto Firmino sogar der drittbeste Wert der Liga.

In seinem ersten Spiel in neuer Rolle erzielte Arnautovic das 1:0-Siegtor gegen den FC Chelsea, später sollten es die West-Ham-Fans zum Tor des Monats wählen. In den darauffolgenden fünf Spielen ließ Arnautovic fünf weitere Scorerpunkte folgen.

Arnautovics Rückkehr nach Stoke

Unter anderem ein Tor beim 3:0-Auswärtssieg in Stoke, seinem Ex-Verein. Für Arnautovic war das ein aufwühlender Nachmittag. "Als ich mich aufgewärmt habe, hat sich das ganze Stadion auf mich konzentriert", sagte Arnautovic der Sun. "Sie hassen mich, aber sie hassen mich, weil sie mich vermissen und mich verloren haben." Sie, das sind die Stoke-Fans.

Arnautovic wurde vor dem Stadion beleidigt, er wurde darin ausgebuht und bei vergebenen Chancen verspottet. "Es war zu viel", sagte er, "also habe ich mir geschworen: 'Wenn ich treffe, dann drehe ich durch.'" Und nachdem Arnautovic in der 75. Minute tatsächlich traf, rutschte er erst auf den Knien über den Rasen, kreuzte die Fäuste dann wie Hämmer über seinem Kopf und schlug sich schließlich mit der Hand dreimal auf das West-Ham-Logo auf seiner Brust.

Kurz darauf wurde Arnautovic ausgewechselt, sein Ex-Trainer Mark Hughes soll ihn auf dem Weg zur Bank verbal attackiert haben. Später sagte er, Arnautovic solle froh sein, sicher in der Kabine angekommen zu sein. "Warum sollte ich Angst haben?", fragte Arnautovic danach. Er hatte natürlich keine Angst.

Der untypische Premier-League-Spieler

Schon immer eckte Arnautovic gerne an. Wenn es sportlich nicht läuft, bietet er damit eine Angriffsfläche. Wenn es aber läuft, dann wird er genau dafür geliebt. Unter all den Fußballern sei die Tendenz erkennbar, sich in der Öffentlichkeit zu verstellen und zu verschließen. Die Tendenz, zu Robotern zu werden, schrieb die Sun neulich und folgerte: "Arnautovic ist daher kein typischer Premier-League-Spieler." Eine Huldigung.

Moyes verglich Arnautovic zuletzt mit West Hams Vereinslegende Paulo Di Canio, von der Premier League wurde Arnautovic zur Wahl zum Spieler des Monats Dezember nominiert. West Ham befindet sich zwar immer noch in der Abstiegszone, aber die Entwicklung stimmt: Seit Arnautovics erstem Tor gegen Chelsea hat der Klub nur ein Spiel verloren.

Beim vergangenen, einem 1:1-Auswärtsremis bei den Tottenham Hotspur, fehlte Arnautovic jedoch wegen einer Oberschenkelverletzung. "Er ist wirklich wichtig für uns", sagte Moyes. Arnautovic wurde vermisst, nicht aber wie bei seinem Ex-Klub Stoke verdeckt und getarnt mit Hass, sondern offen.

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