Zwischen Sir Alex und Vatikan

Von Robert Arndt
Philip Mulryne verbrachte den Großteil seiner Karriere bei Norwich City
© getty

Nicht selten werden Vergleiche zwischen Fußball und Religion gezogen. Philip Mulryne vereint beides. Nach seiner Profikarriere, unter anderem bei Manchester United, wurde der Nordire von einem römischen Erzbischof zum Priester ernannt. Ein Blick auf eine kuriose Story.

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Ein Satz, im Fußball-Sprech so häufig gehört wie kaum ein anderer: In Stadt xy ist der Fußball eine zweite Religion. In Deutschland ist es der Ruhrpott mit den Epizentren Dortmund oder Gelsenkirchen, auf der Insel wird behauptet, dass es gar flächendeckend sei. Natürlich, England ist das Mutterland des Fußballs.

Zuletzt berichteten alle englischen Medien durchgehend, dass ein ehemaliger Profi von Manchester United sich der Religion Fußball abgewandt hat und stattdessen ein richtiger Priester geworden ist. Die Rede ist vom Nordiren Philip Mulryne, der nun Pater Mulryne angesprochen wird. Er hat dem runden Leder abgeschworen und dient nun der römisch-katholischen Kirche.

Natürlich stürzte sich der Boulevard auf diese Geschichte. Mulryne sprach selbst von einem "Mysterium", als er versuchte, seinen Sinneswandel zu erklären. Absolut verständlich. Niemand will sich Wayne Rooney in dieser Rolle vorstellen. Mulryne sprach dagegen nüchtern von "einem neuen Kapitel in meinem Leben."

Mulryne: Jünger von Sir Alex Ferguson

Es waren wahrscheinlich mehr Schlagzeilen als er in seiner kompletten Karriere als Spieler zuvor produziert hatte. Unter dem emotionalen Prediger Sir Alex Ferguson lernte er das Spielen mit dem runden Leder bei Manchester United. Auch traf er dort zwischen 1996 und 1999 auf gottgleiche Gestalten wie David Beckham, die in Kinderzimmern als Poster hingen, wo früher ein Kreuz mit dem leidenden Jesus Christus angebracht war.

Doch dem Jünger Mulryne waren Gelegenheiten im Orden United vergönnt. Lediglich bei einer Pilgerreise nach Barnsley durfte er an einem Gottesdienst die vollen 90 Minuten mitwirken. Die Roten Teufel (welch ein Widerspruch) gewannen mit 2:0.

Es war an der Zeit, die Zelte abzubrechen. Nach dem Prunk in Manchester verschlug es Mulryne in die Niederungen des Ligensystems. Sowohl in Norwich, Cardiff und Leyton gelang nicht der Durchbruch. Immerhin fand die Heimat, Nordirland, Gefallen am Jünger. Mulryne absolvierte 27 Länderspiele.

Mulryne: Theologie in Rom

2007 schwor er dem Fußball ab und konvertierte zur römisch-katholischen Kirche. Die Unterschiede waren immens. Grölten einst alkoholisierte Menschen Fäkalsprache rund um die gemähten Grünflächen des Landes, war er nun häufiger in den Gotteshäusern der Welt beheimatet, in dem der Pöbel andächtig erschien und nach dem Sinn und der Erleuchtung in ihrem Leben fragten oder eine Beichte ablegten.

Auch Mulryne stellte sich die Frage nach dem Leben und studierte Philosophie und Theologie, unter anderem an der gregorianischen Universität in Rom. Zuvor hatte Mulryne durch kleine Skandale auf sich aufmerksam gemacht (Standard für den britischen Fußballer) und war darum auch aus der nordirischen Nationalelf geflogen.

Doch diese Zeiten waren vorbei, die Transformation zum Musterschüler von Gottes Gnaden perfekt. Am 8. Juli 2017 war es dann soweit: Mulryne wurde vom Diakon zum Priester ernannt. Aus der ewigen Stadt kam sogar ein Erzbischof, um ihn den Segen zu geben. Von Sir Alex bis in den Vatikan.

Medienberichten zufolge legte Mulryne gar ein Gelübde gegen die Armut ab. Am Hungertuch nagt der Nordire aber eher nicht. Rund 700.000 Euro strich er in seiner Zeit als Fußballer ein. Summen, die Mulryne in der Zukunft wohl nicht mehr verdienen wird.

Es sind diese kleinen, aber feinen Unterschiede von Fußball und Kirche. Messen sind kostenlos, eine Karte für das Theatre of Dreams kann dagegen schon mal einen halben Monatslohn verschlingen. Während Spieler Unsummen an Millionen scheffeln und somit mehr und mehr in ihrem eigenen Orbit leben, ist die Kirche ein Wallfahrtsort für jedermann, zumindest in der Theorie.

Weihe durch Römer Erzbischof

Den meisten Leuten scheint es egal zu sein, sie pilgern in Massen in die Stadien, während die Kirchen Mitgliederschwund zu beklagen haben, auch in den erzkatholischen Teilen von Großbritannien. Aber wie heißt es so schön: "Give the people what they want!"

Mulryne ging stattdessen den umgekehrten Weg, ließ die Fußball-Stiefel links liegen, auch weil er mit 30 keine passenden Angebote mehr bekam: "In mir wuchs diese Lust, es zu versuchen", erklärte er gegenüber der BBC seine ungewöhnliche Entscheidung für eine zweite Karriere in der Kirche.

Für Mulryne ist es dagegen logisch: "Ich denke, ich kann vielen Menschen helfen. Ich habe im Business Profifußball jede Menge Erfahrungen gesammelt und will diese nun teilen." Näher erläuterte der Ex-Kicker dies nicht. Es bleibt also fraglich, was genau er den Gläubigen erzählen wird. Klassiker wie der "Der Ball ist rund" oder "Ein Spiel dauert 90 Minuten" predigte bereits ein gewisser Sepp Herberger.

Doch so ganz lassen kann Mulryne von seiner Vergangenheit dann doch nicht. Bei seiner Weihe tauchte ein Bild auf, bei dem Mulryne mit ausgebreiteten Armen auf dem Boden des Gotteshauses lag. Es erinnerte an einen Torjubel. Der Religion Fußball kann anscheinend nicht abgeschworen werden. Amen!

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