Ibra: Engel links, roter Teufel rechts

Von Uli Hebel
Ibrahimovic erzielte in dieser PL-Saison bisher 17 Tore
© getty

Würde man Zlatan Ibrahimovic nach seiner eigenen Identität fragen, er würde einem die Superlative um die Ohren hauen: Legende, Ikone, Superstar. Im Kontext Manchester United aber ist er sehr viel konträrer: Segen und Fluch in einer Person. Auch deshalb ist es Zeit, dass Spieler und Verein die eigene Identität neu bestimmen.

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Jose Mourinho benennt sich selbst den "Calm One". Der "Special One" sei einhergehend mit seinem Berufsbeginn bei Manchester United reifer geworden. Heute fühle er sich glücklich mit seiner Persönlichkeit als Mann. Ruhiger sei er auch und mitnichten ein Problem. Auch wenn er wegen der Selbst-Benennung wieder "verbrannt" werde - die Öffentlichkeit könne seine Wutausbrüche mit einem Finger abzählen. Nur das Mit-Wasser-Kochen gibt er nicht zu, immerhin den Fehler des Wasserflaschentretens räumt er ein. Ob Wasser oder Wein: Jose Mourinho anno 2017 besteht ab sofort auf den Beinamen "The Calm One". Dabei macht sich Jose Mourinho selten etwas aus Namen, es sei denn, es geht um den eigenen.

Was nach außen - seiner Einschätzung nach - erloschen ist, ist nach innen spezieller denn je: Bastian Schweinsteiger spielt jetzt in Chicago mit dem Feuer - nachdem er das Fadenkreuz von Jose Mourinho, inklusive Entschuldigung, verlassen hat. Wenn Jose Mourinho mit seinem bizarren Mentalexperiment um Luke Shaw fertig ist, wäre es Zeit für jemanden seiner Größe. Seiner Ego-Größe.

Einsame Spitze

Ohne Zweifel ist Zlatan Ibrahimovic der Gewinner einer enttäuschenden Saison von Manchester United. Gleichzeitig stabilster und ausbrechendster Leistungsträger der Red Devils. Ohne Ibra wäre United zurückgekehrt in moyes'sche Gebiete. Der Schwede wurde hergestellt um den roten Swagger in alt-arroganten Weihen zu repräsentieren. Ibrahimovic ist aber mehr 40 als 30. Gleichzeitig warnt er seinen Arbeitgeber zur Observierung der Optionen - sein Ego lässt sich nämlich auch von anderen Organisationen umschmeicheln. Zuletzt verneinte niemand Gerüchte um einen Wechsels zu LA Galaxy, wo nach Beckham, Gerrard - und theoretisch Ashley Cole - Platz und Budget für einen neuen Sonnenkönig frei wäre.

Ibras Performances als Fußball-Best-Ager sind exzellent. Wären seine Teamkollegen auf seinem Level, er wäre ein Kandidat für den Spieler des Jahres, Torschützenkönig selbstredend. Kaum einer versüßt einem die Lektüre eines trockenen United-Auftritts wie sein Genius - oft mit einer einzelnen Aktion. Wie er selbst nie schlaff wird zu betonen, ist er auch eine herausragende Addition zur Liga. Er ist Weltstar, Zauberer, Lieblingsspieler, Farbklecks.

All das ist Zlatan Ibrahimovic - aber nicht die Zukunft Manchester Uniteds. Noch nicht einmal die Lösung für die kommende Saison.

Uniteds Torstatistiken sind nicht seinem Selbstverständnis entsprechend. Eine Verfehlung, die sich schon lange hält. Gemessen an diesjährig verbesserten Ballbesitzwerten aber noch intensiver. In 17 Liga-Heimspielen erzielte United 23 Tore.

Nur sechs Mannschaften sind zuhause harmloser. 48 Tore hat United insgesamt; Ibrahimovic ist für 17 verantwortlich, zwei per Strafstoß. Ein guter Wert - aber kein Anlass um auf die Knie zu fallen. Die drei Spieler, die treffsicherer waren - Lukaku, Kane, Sanchez -, brauchen bedeutend weniger Munition für Erfolg.

Nach Spiel-Zeit

Manchester United tanzt schon zu lange zu der Musik der Anderen. Mourinho braucht und will im Sommer offensive Verstärkung. Weder Trainer noch Verein werden sich mit dem vorhandenem Niveau zufriedengeben. Und dann sind da ja noch die Diamanten im eigenen Säckchen. Was also, wenn Mourinho seinem alternden Star nicht mehr die volle Distanz versprechen kann? Selbst ein bald 36-jähriger Ibrahimovic wird sich selbst nicht mehr so sehr aufweichen, als dass er sich in eine Nebenrolle verliebt. Und dann existiert ja noch die These, das Leuchten Zlatan bedecke die Entwicklung Rashfords und Martials. Eine Verpflichtung beispielsweise Griezmanns würde diese Lage nicht bessern - im Vergleich zu Ibrahimovic wäre er kaum schlechter; seine Altersklasse länger prozesskompatibel.

"Ich bin nicht hier, um Zeit zu verschwenden", sagte Ibrahimovic kryptisch nach einem erneuten Heim-Remis gegen Everton, "ich bin hier zu gewinnen." Siege sind in seinem Denken nur mit einem Vollzeit-Zlatan vorstellbar. Zusehen statt spielen dürfte er wohl als Verschwendung der noch verbleibenden Karrierezeit verstehen.

Die Red Devils spielen mit sieben Punkten mehr eine bessere Saison als die letzte es war. Sie stehen aber auf demselben Rang - dem fünften. In der Premierensaison verzeiht United Mourinho die Differenz zum Silber. Diese ist aber im Juli vorbei.

So fantastisch Ibrahimovics Spielzeit auch ist, United sollte die Zeit nicht herausfordern, indem es auf einen 36-Jährigen baut. Es ist das Beste, beide Parteien trennen sich nach einem happy-one-season-wonder. Der zurecht große Name Zlatan Ibrahimovic mag ein Zögern verständlich machen. Aber Jose Mourinho bekommt nicht eine weitere Saison ohne Titel. Special oder calm: Sein eigener Name sollte ihm in diesem Fall wichtiger sein, als der der schwedischen Fußballlegende.

Uli Hebel, geboren 1988 in Burghausen, studierte Journalistik an der Macromedia, Hochschule der angewandten Wissenschaften, in München. Neben diversen Tätigkeiten als freier Journalist, gründete er 2014 - gemeinsam mit Bruder Joachim - den ersten deutschsprachigen Premier-League-Podcast klick & rush. Seit dem ersten Tag ist er als Kommentator und Filmemacher bei DAZN - u.a. für die Premier League und die Championship.

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