"Ich sehe mich als Spielmacher"

Mesut Özil agierte gegen Italien erstmals auf der Doppelsechs neben Toni Kroos
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SPOX: Sie betonen Ihre Vorliebe, Torchancen zu kreieren. Worauf beruht die Grundeinstellung, bevorzugt Tore vorzubereiten als welche selbst zu erzielen?

Özil: Das hat ganz pragmatische Gründe. Das einzige, was im Fußball wirklich zählt, ist der Erfolg der Mannschaft. Ich kann noch so viele Tore erzielen - aber wenn ich es nicht gleichzeitig schaffe, erfolgreich mit meinem Team zu sein, stehe ich am Ende trotzdem ohne Titel da. Und ich bin eben am wertvollsten, wenn ich die Mitspieler einsetze.

SPOX: Die großen Auszeichnungen wie die des Weltfußballers gehen allerdings immer genau an die Torjäger - und nicht an die Torvorbereiter. Philipp Lahm sagte bei Goal.com, das diese Wahl gleich bei Facebook stattfinden könne, weil nur Stürmer eine Chance hätten. Stimmen Sie dem zu?

Özil: Einerseits ist es natürlich schade, dass es vorrangig um Tore geht und auf Vorlagen kein großer Wert gelegt wird. Die Wahl wäre vielleicht auch spannender, wenn es ein anderes Abstimmungsverfahren gäbe. Auf der anderen Seite mache ich mir aus solchen Auszeichnungen aber wie gesagt nicht viel.

SPOX: Gilt das auch für den ewigen Vorlagen-Rekord von Thierry Henry in der Premier League, den Sie in diesem Jahr brechen könnten? Dabei geht es schließlich um eine nackte Zahl, keine subjektive Wahl. Henry gelangen 2002/03 20 Assists, Sie stehen aktuell bei 18.

Özli: Darüber würde ich mich schon freuen, ja. Wenn es mir gelingt, den Rekord zu brechen, ist es ein Beleg für die gute Saison, die ich gespielt habe. Letztlich ist aber auch das nur ein schwacher Trost, wenn wir ohne Titel bleiben. Wir haben in den vergangenen beiden Jahren den FA Cup gewonnen, dieses Jahr wollten wir viel mehr erreichen, was uns leider nicht gelungen ist. Unser Ziel ist und bleibt die Meisterschaft in England.

SPOX: Ihr ehemaliger Jugendtrainer Norbert Elgert bezeichnete Sie im Interview mit SPOX auf absehbare Zeit trotzdem als einen Kandidaten für den Weltfußballer-Preis. Wie ist Ihr Verhältnis zueinander?

Özil: Norbert Elgert hat mich damals zum FC Schalke geholt und mich auf meine Profi-Karriere vorbereitet. Er hatte einen großen Einfluss auf diese frühe Phase meiner Karriere und dafür bin ich ihm überaus dankbar. Wir haben auch heute noch regelmäßig Kontakt und tauschen uns über viele Themen aus. Er hat eine Fußball-Kenntnis wie wenige andere und brachte wahnsinnig viele Spieler wie Julian Draxler, Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Leroy Sane und auch mich hervor.

SPOX: Kürzlich verkündete Elgert, seinen im Sommer 2018 auslaufenden Vertrag auf Schalke nicht zu verlängern und sich stattdessen etwas Neuem widmen zu wollen. Wir groß schätzen Sie den Verlust für Schalke ein?

Özil: Er wird dem Verein natürlich enorm fehlen und Schalke wird ohne ihn nicht das sein, was es war. Viele Spieler sind auch wegen ihm zu Schalke gekommen, er ist europaweit für seine ausgezeichnete Arbeit bekannt. Einen solchen Mann zu verlieren, wird Schalke sehr wehtun.

SPOX: Hartnäckig hält sich das Gerücht, der FC Bayern sei an Elgert interessiert. Können Sie sich den gebürtigen und waschechten Ruhrpottler Elgert in München vorstellen?

Özil: Norbert Elgert ist für jeden Verein und Verband interessant und wird sicher viele Angebote bekommen. Er wird die richtige Entscheidung treffen, davon bin ich überzeugt. Ich wünsche ihm auf jeden Fall alles Gute und vor allem Gesundheit. Er weiß, dass ich sofort da bin, wenn er mich mal braucht. Jeder Klub, natürlich auch der FC Bayern, könnte sich glücklich schätzen, wenn er für ihn arbeitet.

SPOX: Sie sind mit 27 Jahren einer der Erfahrenen im DFB-Team. Kommt ein Leroy Sane inzwischen auf Sie zu und fragt nach einem Rat - von Elgert-Schützling zu Elgert-Schützling? Sane steckt gerade in einer ähnlichen Situation wie Sie vor einigen Jahren und muss sich entscheiden, ob er jetzt schon den nächsten Schritt wagt.

Özil: Bisher haben wir uns noch gar nicht persönlich kennen gelernt. Generell tauscht man sich mit den ehemaligen Kollegen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind, schon aus. Julian Draxler und ich sprechen regelmäßig miteinander, auch über unsere gemeinsame Zeit auf Schalke und das Arbeiten mit Norbert Elgert. Ich stehe für jeden immer für Ratschläge bereit.

SPOX: Exakt vor zehn Jahren dokumentierte der preisgekrönte Regisseur Aljoscha Pause in seinem Kurzfilm "Mesut 17" Ihren Karrierebeginn. Wie sehen Sie den 17-jährigen Mesut Özil heute?

Özil: Damals war alles neu und aufregend für mich. Ich war sehr unerfahren und stand zum ersten Mal in meinem Leben auf der großen Bühne. Manche Dinge, die ich damals auf und neben dem Platz getan habe, würden mir heute nicht mehr in den Sinn kommen. Aber das gehört dazu, man wird erwachsen, wird ein Mann. Ich bin immer noch derselbe Mesut Özil wie damals, der sein Leben genießt und immer Vollgas gibt. Aber definitiv alles etwas ruhiger. (lacht)

SPOX: Sie stehen mit 27 Jahren in der statistischen Mitte eines Fußball-Profis und gehen nun in die zweite Hälfte Ihrer Karriere. Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie?

Özil: Ich habe ja schon viel erlebt und in Deutschland, Spanien und England gespielt. Trotzdem will ich auf jeden Fall noch einige Titel gewinnen, die mir noch fehlen, wie die englische Meisterschaft oder die Champions League. Während meiner Verletzung habe ich zudem gemerkt, wie wichtig die Gesundheit ist, und werde es zukünftig noch mehr zu schätzen wissen, fit zu sein.

SPOX: Können Sie sich auch eine Rückkehr nach Deutschland oder Spanien vorstellen?

Özil: Im Fußball darf man nie nie sagen. Derzeit konzentriere ich mich aber ausschließlich auf die laufende Premier-League-Saison und anschließend auf die Europameisterschaft. Was in der nächsten oder übernächsten Saison passiert, sehen wir dann.

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