Endlich wieder Weltklasse

Von Dominik Stenzel
Petr Cech ist die neue Nummer eins des FC Arsenal
© getty

Mit der Verpflichtung von Petr Cech ist Arsenal womöglich ein Schlüsseltransfer gelungen. Das zeigt allein die Reaktion von Chelsea-Trainer Jose Mourinho, der den Schlussmann ungern beim Rivalen aus dem Norden Londons sieht. Cech wird den Gunners in vielen Bereichen weiterhelfen. Am Ende kann sogar der arg gebeutelte Wojciech Szczesny profitieren.

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Den Neujahrstag 2015 wird Wojciech Sczcesny wohl kaum in guter Erinnerung behalten. Beim 0:2 in Southampton patzte Arsenals Schlussmann bei beiden Gegentoren. Auch wenn der Großteil seiner Teamkollegen ebenfalls einen gebrauchten Nachmittag erwischt hatte, wurde der Pole als Hauptverantwortlicher für die Pleite ausgemacht.

Sczcesnys Aktion nach dem Schlusspfiff brachte das Fass dann zum Überlaufen: Der 25-Jährige steckte sich unter der Dusche eine Zigarette an - Arsene Wenger sah sich nun endgültig zum Handeln gezwungen. David Ospina bekam ab sofort den Vorzug in der Liga, Sczcesny durfte nur noch im Pokal ran.

Ospina machte seine Sache bei seinen 18 Einsätzen durchaus ordentlich. Dennoch fehlt bei den Gunners offenbar die letzte Überzeugung, dass er zu der Sorte Torhüter gehört, die den Unterschied ausmachen kann.

Dazu fehlen fehlen dem 1,83 Meter großen Kolumbianer allein schon die physischen Voraussetzungen, wie Bob Wilson - ehemaliger Torwarttrainer der Gunners und enger Vertrauter von Arsene Wenger - erklärt: "Ich bewundere Ospina, aber er wird manche Schüsse, die andere Torhüter parieren, aufgrund der fehlenden Größe nicht halten können. Heutzutage muss ein Torhüter größer sein", sagte er.

Enorme Verdienste für Chelsea

Fehlende Klasse zwischen den Pfosten ist beileibe nicht der einzige Grund, weshalb Arsenal seit nunmehr elf Jahren auf einen Meistertitel wartet. Dennoch gelangte Wenger mittlerweile zu der Erkenntnis, dass eine Verbesserung auf der Schlüsselposition des Torwarts fundamental für den Titelkampf sei. Und der Franzose hatte Glück. Glück, dass in dieser Transferperiode mit Petr Cech ein absoluter Top-Torhüter auf dem Markt war.

Für rund 15 Millionen Euro wechselt Cech zu den Gunners. "Petr Cech ist ein Spieler, den ich seit langer Zeit bewundere. Ich bin sehr froh, dass er zu uns kommt. Er hat über Jahre bewiesen, dass er zu den besten Torhütern der Welt zählt und wird uns unglaublich weiterhelfen", freute sich Wenger nach der Bekanntgabe des Transfers.

Dass Chelsea überhaupt bereit war, Cech - trotz seines gültigen Vertrages bis 2016 - in den Norden Londons ziehen zu lassen, ist auf seine enormen Verdienste für den Klub zurückzuführen. Cech war bei den Blues zehn Jahre unumstritten zwischen den Pfosten. Die Liste der Erfolge in dieser Zeit liest sich beeindruckend: Viermal wurde Chelsea Meister, viermal holten sie den Pokal. 2012 folgte mit dem Champions-League-Titel die Krönung, im Jahr darauf gewannen die Blau-Weißen auch noch die Europa League.

Mourinhos Luxusproblem

Dass sich Cech in der abgelaufenen Saison meist auf der Bank wiederfand, hatte nichts mit seinen Leistungen zu tun. Mit der Ankunft von Thibaut Courtois stand Trainer Jose Mourinho vor einem Luxusproblem, denn beide Torhüter begegnen sich absolut auf Augenhöhe. Schließlich entschied sich The Special One für den aufstrebenden Belgier Courtois, der schon mit 23 Jahren über beachtliche Erfahrung verfügt und ebenfalls zu den Besten seiner Zunft zu zählen ist.

Cech machte früh klar, dass eine weitere Spielzeit als Nummer zwei keine Option für ihn sei. Das gute Verhältnis zu Roman Abramovich spielte ihm dabei in die Karten: Chelseas Klub-Boss versprach ihm, dass er sich seinen neuen Verein selbst aussuchen dürfe - sehr zum Ärger von Mourinho, der Cech ungern bei einem direkten Konkurrenten sieht.

"Ohne Petr wären wir diese Saison vielleicht nicht Meister geworden, weil er in sehr wichtigen Spielen gespielt hat", beschrieb der Portugiese unlängst Cechs sportlichen Wert. Zudem befürchten die Verantwortlichen, dass Courtois nicht dieselbe Loyalität und Hingabe für den Klub entwickeln könnte wie sein Vorgänger.

Cech will den Rekord

An Angeboten mangelte es Cech offenbar nicht. Zahlreiche Topklubs wurden mit dem Tschechen in Verbindung gebracht, die Entscheidung fiel ihm jedoch nicht sonderlich schwer. Seine Familie fühlt sich in London heimisch, zudem verlockt die Aussicht, als Nummer eins eines Topklubs der Premier League um Titel zu kämpfen.

Cechs Ehrgeiz ist jedenfalls ungebrochen: "Ich besitze immer noch denselben Ehrgeiz und Erfolgshunger wie zu Beginn meiner Karriere. Nachdem Arsene Wenger mit mir über die Ziele des Klubs und meine Rolle sprach, ist mir die Entscheidung leicht gefallen", sagte er bei seiner Vorstellung.

Sein langjähriger Weggefährte und Torwarttrainer Christophe Lollichon verriet einen weiteren Grund für Cechs Verbleib auf der Insel: "Mit 33 hat er noch mindestens drei oder vier Spielzeiten auf höchsten Niveau vor sich. Petr möchte den Rekord an Zu-Null-Spielen in der Premier League brechen."

Das könnte schon bald passieren: Cech hielt seinen Kasten bereits 166 Mal sauber. Rekordhalter ist David James mit 172 Partien ohne Gegentor.

Terry: "Werden ihn schmerzlich vermissen"

Wie groß Cechs Ansehen an der Stamford Bridge nach wie vor ist, zeigt eine Aussage seines langjährigen Weggefährten John Terry, der dem Rivalen indirekt zur Verpflichtung gratulierte: "Niemand sieht gerne, dass Petr Cech wechselt. Wir werden ihn schmerzlich vermissen. Für Arsenal wird Petr mit Sicherheit eine Verstärkung sein. Er wird ihnen 12 oder 15 Punkte pro Saison sichern."

Ob diese Zahlen realistisch sind, wird sich zeigen. Eines steht jedoch fest: Mit Cech hat Arsenal nach Jens Lehmann endlich wieder einen Weltklasse-Keeper in den eigenen Reihen. Englische Medien rechnen derweil mit Ospinas Abgang. Sczcesny hat den Verantwortlichen bereits signalisiert, sich dem Konkurrenzkampf stellen zu wollen.

Topwerte in der Premier League

Statistiken belegen, dass Cech den Gunners, die ihn bereits im Jahr 2002 verpflichten wollten, enorm weiterhelfen kann. In den letzten drei Spielzeiten wehrte Cech 78 Prozent der Schüsse ab - Topwert in der Premier League. Zum Vergleich: Szczesny kam gerade auf 67,2 Prozent. Cech war in den letzten drei Jahren für drei Gegentore unmittelbar verantwortlich, Sczcesny für deren sieben.

Auch Cechs Strafraumbeherrschung beeindruckt: In den letzten drei Spielzeiten griff er bei 88 von 89 Flanken sicher zu. Ein sensationeller Wert, auch wenn der tschechische Nationaltorhüter in diesem Bereich defensiver als andere Torhüter agiert.

In seinen sieben Partien in der abgelaufenen Saison verließ er nur dreimal seinen Kasten, um im Stile eines Liberos eine gefährliche Situation zu klären. Ein mitspielender Torwart a la Manuel Neuer wird Cech wohl nicht mehr werden.

Auch Sczcesny kann profitieren

Das muss er allerdings auch nicht. Cech wird Arsenal in genügend anderen Bereichen weiterhelfen. Er verfügt mit 333 Premier-League-Partien über große Erfahrung und strahlt enorm viel Ruhe aus. In den vergangenen Jahren wirkte Arsenals Abwehr nicht immer sattelfest - nicht unwahrscheinlich, dass Cech mit seiner unaufgeregten, souveränen Art auch positiven Einfluss auf seine Vorderleute ausüben wird.

Doch nicht nur sportlich könnte Cech bei Arsenal eine wichtige Rolle spielen. Cech wird innerhalb der Mannschaft sofort eine Führungsposition beanspruchen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor - besonders in Anbetracht der Tatsache, dass Chelsea im letzten Jahr den zweitjüngsten Kader der Premier League stellte.

Und Sczcesny? Seine Chancen auf Spielzeit werden nicht unbedingt steigen. Wahrscheinlich muss er sich in nächster Zeit mit Einsätzen in den Pokalwettbewerben zufrieden geben. Dennoch kann am Ende selbst der 25-Jährige von dem Transfer profitieren - Konkurrenzkampf schadet schließlich nicht immer.

In seinen sechs Jahren bei Arsenal wurde er nie von einem internationalen Top-Torhüter in der täglichen Trainingsarbeit zu Höchstleistungen getrieben. Zudem kann er sich von Cech eine Menge abschauen. Und wer weiß, vielleicht verleiht das auch seiner Karriere, die am Neujahrstag 2015 ins Stocken geriet, neuen Schwung.

Petr Cech im Steckbrief