Ex-Schalker Donis Avdijaj im Interview: "Tut weh, wenn 1.000 Leute schreiben, ich sei ein Scheißtyp"

Von Robin Haack
Donis Avdijaj stammt aus der Schalker Jugend.
© getty
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SPOX/Goal: Kurz nach Ihrem 18. Geburtstag wurde Ihre 49-Millionen-Euro-Ausstiegsklausel öffentlich. Hat Sie diese Summe rückblickend gehemmt?

Avdijaj: Anfangs hat mir diese Summe geschmeichelt, da sie einen großen Vertrauensbeweis der Schalker bedeutete. Das hat mir gezeigt, dass der Klub an mich glaubt. Jeder meiner Fehltritte wurde ab diesem Zeitpunkt allerdings hart bestraft. Plötzlich ging es nicht mehr um den Fußballer, sondern mehr um mein Verhalten neben dem Platz. Für einen Jungen, der bisher nur mit Fußball überzeugen konnte, war es eine harte Zeit. Erst als ich am Boden war, habe ich verstanden, dass ich einen neuen Weg einschlagen muss.

SPOX/Goal: Warum haben Sie es rückblickend nicht geschafft, sich auf Schalke durchzusetzen?

Avdijaj: Auch durch die Dinge, die neben dem Platz passiert sind, hatte ich auf Schalke einen schweren Stand. Bei meinen Leihstationen habe ich stets überzeugt und nach meiner Rückkehr aus Graz auch auf Schalke gute Leistungen gezeigt. Der damalige Trainer Markus Weinzierl hat mir vertraut und ich habe meine ersten Tore in der Bundesliga erzielt. Leider hat Herr Tedesco nicht auf mich gesetzt. Trotzdem bin ich stolz, für Schalke gespielt zu haben. Ich bin im Verein niemandem böse und noch heute ein Fan des Klubs. Ich wünsche den Königsblauen nur das Beste und bin sicher, dass sie schon bald zurück in die Spur finden werden.

SPOX/Goal: Wie haben Sie die negative Berichterstattung über Sie wahrgenommen?

Avdijaj: Es tut weh, wenn man einen Artikel über sich selbst liest und 1000 Leute in den Kommentaren schreiben, ich sei ein Scheißtyp. Es heißt ständig, Fußballer seien arrogant, aber ich habe so viele Typen kennengelernt, auf die das kein bisschen zutrifft. Wenn die Leute sich einmal ein Bild von einem Menschen gemacht haben, ist es unglaublich schwer, dieses Bild zu verändern. Es ist ein Teufelskreis. Aber ich habe mir diesen Beruf bewusst ausgesucht und weiß, dass er auch Schattenseiten mit sich bringt. Daher habe ich kein Recht, mich zu beschweren.

SPOX/Goal: In Interviews sprechen Sie ungefiltert aus, was Ihnen durch den Kopf geht, während sich viele Fußballer hinter Floskeln verstecken. Warum gehen Sie einen anderen Weg?

Avdijaj: Während der ersten Interviews, die ich kurz nach Abpfiff geben musste, habe ich mir wenig Gedanken gemacht, wie meine Aussagen rüberkommen könnten. Ich habe immer versucht, ich selbst zu sein und auszusprechen, was ich denke. Ich hätte nie gedacht, welche Ausmaße die Auswirkungen mancher Interviews annehmen können. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein sehr herzlicher Mensch bin.

SPOX/Goal: Zu Grazer Zeiten haben Sie ein besonders aufsehenerregendes Interview gegeben. Wie denken Sie heute darüber?

Avdijaj: Damals hatten wir im Trainingslager einen Nachmittag, an dem wir Scherz-Interviews für einen Kanal auf der Youtube-Seite von Sturm Graz aufgezeichnet haben. Jeder Spieler hat ein solches Interview gegeben und es gab auch Antworten, die viel verrückter waren als meine. Im Endeffekt wurden sie aber nie veröffentlicht. Ich hatte in Österreich ein gutes Standing bei den Medien und den Fans - und zu meinem 19. Geburtstag hat sich irgendwer gedacht, man mache mir eine Freude, wenn man das Scherz-Interview veröffentlicht. Anfangs war das auch kein Problem und ich habe nur positive Reaktionen vernommen. Ein paar Monate später habe ich dann in einer deutschen Zeitung plötzlich von einem Skandal-Interview mit mir gelesen. Ich konnte es nicht glauben.

SPOX/Goal: Bereuen Sie dieses Interview?

Avdijaj: Hätte ich gewusst, was daraus entsteht, hätte ich es nie gegeben. In den ersten Jahren meiner Profikarriere bin ich wiederholt in Fettnäpfchen getreten. Was aus diesen Dingen dann medial gemacht worden ist, hatte in den meisten Fällen aber auch so gut wie gar nichts mehr mit der Realität zu tun.

SPOX/Goal: Hatten Sie aufgrund der medialen Nebengeräusche zwischenzeitlich Angst um Ihre Karriere?

Avdijaj: Ja, ich hatte Angst. Im Laufe der Jahre habe ich gemerkt, dass bei mir plötzlich nicht mehr zählt, wie ich Fußball spiele. Es ging nur noch um die Dinge, die ich außerhalb des Platzes mache. Auch deshalb habe ich mich für einen Wechsel ins Ausland entschieden, denn außerhalb Deutschlands habe ich sportlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Bei meinen Leihstationen in Graz und Kerkrade hatte ich eine tolle Zeit. Mir ist bewusst, dass ich in den vergangenen Jahren sportliche Rückschritte gemacht habe, doch es motiviert mich unglaublich, mich wieder nach oben zu kämpfen. Ich will allen zeigen, dass das Sportliche bei mir im Vordergrund steht.

SPOX/Goal: Seit 2017 sind sie Nationalspieler des Kosovo. Was bedeutet es Ihnen, für das Geburtsland Ihrer Eltern aufzulaufen?

Avdijaj: Meine Geschwister und ich sind zu Hause zweisprachig aufgewachsen, weshalb wir beide Kulturen gut kennen. Meine Eltern sind als junge Menschen nach Deutschland gekommen und haben die Sprache nicht beherrscht, aber alles gegeben, um mich schnellstmöglich zu integrieren. Obwohl ich in der Jugend für die deutsche Nationalmannschaft gespielt habe, kann ich mich voll mit dem Kosovo identifizieren und es macht mich unheimlich stolz, für dieses Land aufzulaufen.

Avdijaj: Wir haben viele sehr starke Talente und ich glaube, dass unsere Mannschaft das Potenzial hat, in den kommenden Jahren für Furore sorgen. Trotzdem müssen wir kleine Schritte machen, auch wenn es in der Nations League sehr gut läuft. Wir hängen in vielen Dingen noch hinterher. Es ist ein weiter Weg bis zu den Top-Nationen. Wenn wir es aber schaffen, künftig all unsere Top-Talente zu halten, können wir es in Europa weit nach vorn schaffen.

SPOX/Goal: Was war Ihr verrücktestes Erlebnis mit der Nationalmannschaft? Halimi berichtete von Kühen auf dem Trainingsplatz.

Avdijaj: Besar ist schon ein bisschen länger dabei als ich, deshalb ist er bei verrückten Geschichten wahrscheinlich der bessere Ansprechpartner. Dass Kühe gerne das Gras von unseren Trainingsplätzen fressen, kann ich aber bestätigen. (lacht) Da die meisten Plätze in der Folge derart schlecht sind, fahren wir mit der Nationalmannschaft teilweise zwei Stunden, um auf dem besten Trainingsplatz des Landes zu trainieren. Als ich dort das erste Mal angekommen bin, war ich geschockt - denn auch dieser Platz war miserabel. (lacht)

SPOX/Goal: Welche Bedeutung hat der Fußball für die Kosovaren?

Avdijaj: Im Kosovo läuft nicht alles so, wie es laufen sollte, es herrscht viel Armut. Zusammen mit meinen Eltern unterstütze ich monatlich mehr als 100 Familien, Waisenkinder und bedürftige Menschen, denen es an den einfachsten Sachen mangelt. Für viele im Kosovo bedeutet der Fußball alles und die Bevölkerung macht es unglaublich stolz, uns siegen zu sehen. Die Karten für unser letztes Heimspiel in der Nations League waren nach 32 Minuten ausverkauft. Die Nachfrage war so groß, dass wir als Spieler nicht einmal mehr Karten für unsere Familien bekommen haben.

SPOX/Goal: Ihr Vertrag bei Willem II läuft im kommenden Sommer aus und Top-Teams wie Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven, Feyenoord Rotterdam oder AZ Alkmaar sollen Interesse an Ihnen haben.

Avdijaj: Ich habe vom Interesse gehört und es schmeichelt mir, dass solch große Vereine sich mit mir befassen. Meiner Meinung nach könnten diese Klubs in jeder europäischen Liga mithalten. Solche Geschichten zeigen mir, dass ich aktuell auf dem richtigen Weg bin. Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, auch in den kommenden Jahren in den Niederlanden zu spielen.

SPOX/Goal: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Avdijaj: So weit schaue ich nicht in die Zukunft. Ich habe in den vergangenen Jahren viel erlebt und gelernt, dass es im Fußball nichts bringt, langfristig zu planen. Aktuell setzte ich mir nur kurzfristige Zeile und und diese beinhalten, der Mannschaft Woche für Woche zu helfen. Was dann passiert, werden wir sehen.

SPOX/Goal: Welche Rolle spielt die Bundesliga in Ihren Gedanken?

Avdijaj: Ich bin in Deutschland geboren und habe als kleiner Junge jede Woche die Bundesliga im Fernsehen geschaut. Natürlich kann ich es mir vorstellen, künftig noch mal dort zu spielen. Ich bin für alles offen. Egal wo, mein Ziel ist es, den Leuten zu zeigen, dass ich es drauf habe.