Marcelo Bielsa in Leeds: Das vielleicht spannendste Projekt im Weltfußball

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© getty

Unter dem argentinischen Trainer Marcelo Bielsa spielt der englische Zweitligist Leeds United so gut und erfolgreich wie seit dem Premier-League-Abstieg 2004 nicht mehr. Bielsa lässt die Spieler Müll aufklauben, jubelt mit ihnen im Training und wird von den gegnerischen Trainern gehuldigt.

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Schon knapp 85 Minuten hatte Bielsa bei seiner Antrittspressekonferenz im Juli gesprochen, als ihm schließlich die Frage aller Fragen gestellt wurde. Die Frage, die an der Elland Road in Leeds wirklich zählt. Don Revie oder Brian Clough? "Ich würde lieber verlieren, als zu betrügen. Ich ziehe den schönen Fußball dem pragmatischen vor", sagte Bielsa. Er sprach keinen der beiden Namen aus, aber klar war damit trotzdem: Clough!

Und klar war damit vor allem auch: Bielsa hat profundes Wissen über die Geschichte seines neuen Klubs. Es hatte sich ja schon ein bisschen die Frage aufgedrängt: Wie soll das denn funktionieren? Hier dieser argentinische Star-Trainer, dort dieser englische Zweitligist. Dieser englische Zweitligist, der aber - das muss man dazusagen - eigentlich kein normaler englischer Zweitligist ist. Leeds United war mal größer als jetzt, viel größer.

Und zwar wegen Revie, der ersten Auswahlmöglichkeit. Er war es, der Leeds als Trainer Ende der 1960er Jahre aus dem Nichts zu einem der besten Klubs Englands machte und ihm mit einer Herangehensweise am Rande der Legalität gleichzeitig den Spitznamen "dirty Leeds" bescherte. Massenschlägereien auf dem Platz standen an der Tagesordnung genau wie Manipulationsvorwürfe abseits davon.

Clough dagegen war ein Liebhaber des schönen Spiels, somit Revies exaktes Gegenstück, sein wohl größer Kritiker - und völlig überraschend auch sein Nachfolger als Leeds-Trainer. Nach 44 legendären Tagen musste er den Klub 1974 aber verlassen. Revies Ansatz war Leeds nicht auszutreiben, sein Abschied gleichzeitig der Anfang vom Ende der goldenen Vereinsära.

1992 gewann der Klub noch einen Meistertitel, um die Jahrtausendwende spielte er in der Champions League, dann ging finanziell nichts mehr. 2004 stieg Leeds aus der Premier League ab und kehrte nie mehr zurück. Die Anzahl an Trainerwechseln liegt seitdem beängstigend nahe an der Anzahl an Siegen. Leeds United, ein gefallener Riese.

El Loco: Kaffeebecher und Kündigung

Nur mehr Verrückte glaubten an eine Auferstehung des Klubs. Der Mann mit dem Spitznamen "El Loco" war also womöglich der ideale Mann für den im Sommer mal wieder vakanten Trainerposten. Bielsa hatte Argentinien 2004 zum Olympiasieg geführt, später die erfolgreichste Zeit von Athletic Bilbaos jüngerer Vereinsgeschichte geprägt, sich in Marseille auf einen heißen Kaffeebecher gesetzt und war bei Lazio Rom noch kürzer im Amt, als Clough in Leeds: nach zwei Tagen hatte er genug und kündigte. Marcelo Bielsa, "El Loco". Der Verrückte.

Im Frühjahr kamen erste Gerüchte über einen Wechsel nach Leeds auf, sie wirkten irgendwie unwirklich. "Zuerst dachte man, Leeds könnte ihn nicht bezahlen und er würde ohnehin nicht so weit unten arbeiten wollen", erinnert sich Journalist Phil Hay, der für die Yorkshire Post über den Klub berichtet, gegenüber SPOX. "Aber dann wurde recht schnell klar, dass ihm das Gehalt relativ egal ist, und er an Leeds sah, was er einst auch an seinem ersten Klub Newell's Old Boys gesehen hatte. Einen großen Klub, den er zurück nach oben führen will."

Nachdem Bielsa in Leeds tatsächlich einen Zweijahresvertrag unterschrieben hatte, sagte er: "Es ist unmöglich, ein Angebot von einem Klub mit einer so reichhaltigen Geschichte wie Leeds abzulehnen."