"Gepanzerte Fahrzeuge sind normal"

Von Interview: Adrian Fink
Slaven Skeledzic (l.) ist der neue Nationaltrainer Afghanistans
© getty

Aus dem Nachwuchs des FSV Frankfurt zum Nationaltrainer Afghanistans: Slaven Skeledzic hat eine spektakuläre Beförderung hinter sich. Im Interview mit SPOX spricht er über seinen außergewöhnlichen Job, den Mordversuch am Vorgänger und Bewachung rund um die Uhr.

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SPOX: Herr Skeledzic, Sie waren beim FSV Frankfurt im Jugendbereich tätig und sind jetzt Nationaltrainer Afghanistans - ein ungewöhnlicher Wechsel. Wie ist der afghanische Verband auf Sie aufmerksam geworden?

Skeledzic: Ich bin in Deutschland kein ganz unbeschriebenes Blatt mehr, weil es mir gelungen ist, überdurchschnittlich viele Spieler auszubilden, die es in Deutschland oder im Ausland in die höchsten Ligen geschafft haben. Außerdem hat der afghanische Verband eine klare Trainings- und Spielphilosophie gesucht. Deshalb haben sie meine Arbeit jahrelang verfolgt. Als sie mich dann kontaktiert haben, ging alles relativ schnell.

SPOX: Wie haben die Verantwortlichen des FSV Frankfurt reagiert, als Sie ihnen von Ihren Plänen erzählt haben?

Skeledzic: Sie haben sich sehr verständnisvoll gezeigt. Niemand hat gesagt: "Mach das nicht" oder dergleichen. Nach dem Gespräch in Frankfurt bin ich nach Afghanistan gefahren, um die endgültigen Gespräche zu führen.

SPOX: Wie war da Ihr erster Eindruck des Landes?

Skeledzic: Sehr positiv. Alle Menschen sind auf mich freundlich und respektvoll zugekommen und waren sehr sympathisch. Der Umgang mit verschiedenen Kulturen stellt für mich kein Problem dar, da ich bereits Spieler aus vielen Ländern und Kulturkreisen trainiert habe. Aber alle Gepflogenheiten kenne ich noch nicht. Da wird man immer noch überrascht.

SPOX: Zum Beispiel?

Skeledzic: Ich bin meinem Co-Trainer unabsichtlich mal auf den Fuß getreten. Er hat daraufhin seine Hand ausgestreckt. Damit konnte ich zunächst nicht viel anfangen, habe ihm aber auch die Hand gegeben. Danach hat er mir erklärt, dass es in Afghanistan so üblich sei, wenn man sich mit den Füßen stößt.

SPOX: Ihr Vorgänger Yousuf Kargar wurde bei einer Attacke im Januar mit zehn Messerstichen verletzt. Wie geht es ihm?

Skeledzic: Mein Stand der Dinge ist, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht, allerdings habe ich nur Informationen aus dritter Hand. Ich wünsche ihm bei seinem Genesungsprozess natürlich alles Gute.

SPOX: Inwieweit hat die Attacke auf Ihren Vorgänger bei Ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt?

Skeledzic: Überhaupt nicht.

SPOX: Das müssen Sie uns erklären.

Skeledzic: Es gibt einfach zu viele offene Fragen: War es wegen des Fußballs oder war er zur falschen Zeit am falschen Ort? War es ein gezielter oder nicht gezielter Überfall? Da ich die Hintergründe nicht kenne, sehe ich keine Verbindung zu meiner Situation. Auch an anderen Orten kann man ein Opfer eines Überfalls werden, dafür muss man nicht in Kabul sein.

SPOX: Trotzdem ist es eine mutige und gleichzeitig ungewöhnliche Entscheidung. Wie hat Ihr Umfeld reagiert?

Skeledzic: Die Meisten haben sich darüber gefreut, dass ich diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen darf. Aber es gab auch kritische Stimmen, weil Leute Angst um mich hatten.

SPOX: Was entgegnen Sie diesen Stimmen?

Skeledzic: Das stärkste Argument ist, dass ich weiterhin vorwiegend in Deutschland leben und nur vereinzelt in Kabul sein werde. Ich arbeite viel aus meinem Home-Office. Trotzdem befinde ich mich im stetigen Austausch mit den Verantwortlichen. Es gibt nicht nur sehr viel Arbeit innerhalb, sondern auch außerhalb der Landesgrenzen. Meine wichtigste Aufgabe ist es schnellstmöglich eine schlagkräftige Mannschaft zu formen, die erfolgreich sein kann.

SPOX: Wurden aufgrund der jüngsten Ereignisse bestimmte Vorkehrungen getroffen, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten?

Skeledzic: Mir wurde maximaler Schutz zugesichert. Ich verspüre keinerlei Angst, wenn ich mich frei bewege. Dennoch werde ich rund um die Uhr bewacht. Während meiner Aufenthalte werde ich in speziellen Sicherheitshotels abgeschottet. Außerdem habe ich mehrere Bodyguards. Zu manchen Terminen werde ich in gepanzerten Fahrzeugen gefahren. Aber das ist in Afghanistan normal. Auch rund um die Mannschaft herrschen Sicherheitsvorkehrungen. Aber das bedeutet nicht, dass ich mich bedroht fühle.

Seite 1: Skeledzic über den Mordversuch am Vorgänger und ständige Bewachung

Seite 2: Skeledzic über kulturelle Eigenheiten, die Sprachbarriere und den WM-Traum

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