Es hat sich ausgetanzt

Von Kevin Niekamp
2012 war die Stimmung bei den Hearts noch ausgelassen, zum Feiern gibt es derzeit wenig Grund
© getty

Nach den Glasgow Rangers steht mit Heart of Midlothian der nächste schottische Traditionsverein vor dem Abgrund. Schuld sind finanzielle Probleme und Unvermögen eines litauischen Investors. Doch die "Queen" und die Fans haben den Verein noch nicht aufgegeben und kämpfen für sein Überleben.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Als sich die Gründungsväter des Heart of Midlothian FC im Jahr 1874 im gleichnamigen Tanzsaal in der schottischen Hauptstadt trafen, ahnte wohl niemand von ihnen, dass es einem einzigen Mann gelingen sollte, ihren Verein innerhalb eines Jahrzehnts zunächst an die Spitze und danach an den Abgrund des schottischen Fußballs zu bringen. Doch genau das geschah beim viermaligen Meister: dank des litauischen Geschäftsmanns Wladimir Romanow.

Dieser hatte den Verein 2004 mit der Vision übernommen, "Abramowitschs Chelsea mit einem Zehntel der Summe zu schlagen". Der Plan sah vor, die Champions League drei Jahre nach der Übernahme zu gewinnen. Nachdem es seit 1984 keinen anderen Meister als die Rangers oder Celtic gegeben hatte, sollte ein neuer Konkurrent im ewigen Duell um die Meisterschaft geboren werden.

Es sind Forderungen, die heute nur noch mit Galgenhumor zu ertragen sind, denn der Traditionsverein steht dicht vor dem Abgrund. Romanow ist mittlerweile pleite, die Hearts belastet ein Schuldenberg von 30 Millionen Euro und ein 15-Punkte-Abzug bedeuten den bereits feststehenden Abstieg in die Zweitklassigkeit.

Chaotische Anfangszeit

Der Beginn der Romanow-Ära war von Missverständnissen und willkürlichen Entscheidungen des Litauers geprägt. Zu unzähligen Transfers, vor allem von Spielern aus Romanows Heimatstadt Kaunas (in sieben Jahren gab es 46 Transferbewegungen zwischen den beiden Teams), gesellten sich Trainerentscheidungen, die seinen Stand bei den Fans belasteten.

Als "großer Name" wurde ihnen 2005 Graham Rix präsentiert. Der ehemalige Chelsea-Coach war 1999 zu einer Haftstrafe wegen sexuellen Handlungen mit einer 15-Jährigen verurteilt worden.

Rix wurde im Frühjahr 2006, nachdem er sich über die Zusammenarbeit mit Romanow beklagt hatte, entlassen. Trotz Halbfinaleinzug im Pokal und Platz zwei in der Liga wurde er durch Romanows Landsmann Valdas Ivanauskas ersetzt.

Erster Titel in der "neuen Zeit"

Ivanauskas hielt den zweiten Platz, was das beste Ergebnis in der Romanow-Ära bedeutete und gewann mit dem Pokal gegen den Drittligisten FC Gretna den ersten Titel in der "neuen Zeit". Es ist eine von Ironie und Traurigkeit geprägte Randnotiz, dass sich Gretna, aufgrund finanzieller Schwierigkeiten, 2008 auflöste.

Durch Platz zwei in der Liga durften die Hearts in der Champions-League-Qualifikation antreten. Dort schieden die Rostbraunen gegen AEK Athen aus und auch der weitere Saisonverlauf war mit Platz vier eher enttäuschend.

Dies setzte sich in den folgenden Jahren fort. Romanow setzte immer wieder Leute seines Vertrauens in wichtigen Positionen ein und der Trainerstuhl wurde mit elf verschiedenen Besetzungen seit Juni 2005 zum Schleudersitz.

Unterschiede zu Chelsea oder Malaga

Die mit dem Einstieg eines Investors einhergehenden vielzähligen Transferaktivitäten bewahrheiteten sich in der Folge auch bei den Hearts. Sagenhafte 443 Transfers (Aufnahmen von Jugendspielern inklusive) gab es seit dem Sommer 2004.

Jedoch wurde in Edinburgh, anders als bei Chelsea oder Malaga, das Geld nicht zum Fenster rausgeschmissen. Was mit dem erwirtschafteten Transfer-Plus von 17,9 Millionen Euro passiert ist, weiß jedoch wohl nur Romanow selbst.

Sportlich blieb man weit hinter den überzogenen Forderungen des Litauers zurück. Bis zur Saison 2011/12 pendelten die Hearts jeweils zwischen den Plätzen vier bis acht. Der "drei-Jahre-Champions-League-Plan" rückte in unerreichbare Ferne.

Der Anfang vom Ende

Der Pokalsieg im Mai 2012 tröstete über den fünften Platz in der Liga hinweg, bedeutet aber im Rückblick lediglich den Gipfel, von dem es in den nächsten Monaten steil bergab gehen sollte.

Im März 2013 meldete das litauische Kreditinstitut Ukio Bankas, desse Anteile Romanov zu 64,9 Prozent gehören, Insolvenz an. Die Schulden der Bank in Höhe von 318,6 Millionen Euro überstiegen das Vermögen des 66-Jährigen. Unter Romanow wechselten die Hearts in den Besitz der Ukio Bankas und waren somit direkt durch die Pleite betroffen.

Ein Defizit von 30 Millionen Euro, durch Schulden bei anderen Banken, sowie überhöhten Spieler- und Transferkosten zustande gekommen, hatte das Einsetzen eines Insolvenzverwalters im Klub zur Folge.

Im vergangenen Sommertransferfenster durften keine neuen Spieler verpflichtet werden. Um zumindest kurzfristig Steuerschulden und Gehälter in Höhe von 590.000 Euro decken zu können, setzte man den gesamten Kader auf die Transferliste. Sportlich wurde den Hearts eine Hypothek von minus 15 Punkten aufgebrummt.

Jüngster Kader der Liga

Insgesamt 13 Spieler verließen den Verein. Der Kader wurde mit Spielern aus der eigenen Jugend aufgefüllt. Der Altersschnitt liegt aktuell bei 21,4 Jahren und beinhaltet nicht einen Spieler über 30. Die Stürmer sind nicht älter als 20 Jahre alt. Kapitän Danny Wilson, ehemals Liverpool, ist mit 22 der Älteste in der Abwehr.

Es ist die berühmte Tugend, die aus der Not geboren wird: Der Weg auf die Jugend zu setzen und auf teure Stars und hochdotierte Verträge zu verzichten, kann auf lange Sicht der Richtige sein, um sich wieder nach oben zu kämpfen. Gleichzeitig ist es, nach aktuellem Stand, auch der einzig mögliche.

Aktuell steht die jüngste Mannschaft der Liga bei plus sechs Punkten und hat, bei noch vier ausstehenden Spielen über 20 Punkte Rückstand zum rettenden Ufer. Der Abstieg in die zweite Liga ist bereits besiegelt.

Finanzielle Rettung dank der "Queen"

Viel wichtiger ist allerdings die wirtschaftliche Situation. Nachdem die Gläubiger im November einem außergerichtlichen Vergleich (CVA) zugestimmt haben, was die Situation zu einem Sanierungs- statt Insolvenzfall macht, stimmten auch die Gläubiger der Ukio Bankas dem Aktienverkauf zu.

Die Geschäftsfrau Ann Hudge (verkaufte 2005 ihr IT-Unternehmen für 50 Millionen Euro) kaufte die Hearts-Aktien der Ukio Bankas für drei Millionen Euro.

Die Dauerkartenbesitzerin wurde als "Queen of Hearts" gefeiert und erwartet keine Gewinnbeteiligung, sie hat das Geld geliehen. Das Geld muss ihr die Fan-Organisation (Foundation of Hearts) zurückzahlen, allerdings nicht in den nächsten zwei Jahren.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre muss es den Fans außerdem gelingen, weitere sechs Millionen Euro aufzutreiben, um den Verein dauerhaft in ihren Besitz zu bringen.

"Ann war von Anfang an beteiligt, wollte es aber nicht öffentlich bekannt geben. Sie ist ein lebenslanger Hearts-Fan und in der Position, helfen zu können", so ein Mitglied der FoH. Die Intension der Organisation ist simpel: Sie möchte den Verein zu den Menschen zurückbringen, die begeistert von diesem Klub sind - den Fans.

Von unten wieder hoch

Diesen Fans ist der lange und steinige Weg, der ihnen in den nächsten Jahren bevorsteht, bewusst. Mit ihren Hearts wird ein weiterer großer Klub nach den Glasgow Rangers die Spitze des schottischen Fußballs verlassen.

Über lange Jahre war das Rennen um die Meisterschaft ein Zweikampf zwischen Celtic und den Rangers. Mittlerweile ist selbst das durch den Zwangsabstieg der Rangers nicht mehr der Fall. 1984 wurde zuletzt eine Mannschaft Meister, die nicht aus Glasgow kommt: der FC Aberdeen unter einem gewissen Sir Alex Ferguson.

Die Meisterschaft ist vorerst nicht das Ziel der Hearts, dennoch scheint dieser Umbruch Früchte zu tragen und er kann, mit bescheidenen Mitteln und viel Geduld, dahin führen, wo Romanow mit viel Geld und wenig Zeit hinwollte: In die oberen Bereiche des schottischen Fußballs. Und dann wird auch in Edinburgh bald wieder getanzt.

Heart of Midlothian: News und Informationen