EM

Tanz den Zaza

Von Johannes Raif
In den Himmel von Bordeaux: Simone Zaza vergibt im Elfmeterschießen gegen Manuel Neuer
© getty

Deutschland und Italien liefern sich einen epischen Elfmeterkrimi, Manuel Neuer bricht einen Rekord von Iker Casillas. Wales jagt eine deutsche Bestmarke - und Portugal wirkt führungslos. Hier sind die Zahlen und Fakten zum Viertelfinale der EM.

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Drama, Baby! So langsam geht der Puls bei den meisten ja nach dem Elfer-Krimi gegen Italien wieder nach unten. Die Nerven der deutschen Fans wurden aber auch wirklich lange genug strapaziert. Genauer gesagt, war der Shootout mit Italien das längste Elfmeterschießen der EM-Historie neben dem 9:8 i.E. der Tschechoslowakei gegen Italien 1980 im Spiel um Platz 3 - in beiden kamen je 18 Schützen zum Einsatz. Doch während 1980 einzig ein gewisser Fulvio Collovati vergab, versagten dieses Mal gleich sieben Spielern die Nerven. Das gab es zuvor noch nie bei einer Welt- oder Europameisterschaftsendrunde, womit Deutschland auch als erste Nation trotz drei Fehlschüssen im Elfmeterschießen die nächste Runde erreicht hat. Ein gutes Pferd springt ja bekanntlich nur so hoch, wie es muss. Ganz freisprechen wollen wir die Herren Schweinsteiger, Özil und Müller aber nicht - schließlich hatte die DFB-Auswahl gegen Italien so viele Fehlschützen wie zuvor in sechs Elfmeterschießen zusammen. Zuvor scheiterten nur Uli Stielike im WM-Halbfinale 1982 gegen die Franzosen und Uli Hoeneß 1976 im EM-Finale gegen die Tschechoslowakei bei einem großen Turnier für Deutschland im Elfmeterschießen.

Tanz den Zaza! Wo Gewinner sind, muss es leider auch Verlierer geben. Ganz besonders blöd lief es ja bekanntlich bei Simone Zaza. Extra für das Elfmeterschießen eingewechselt, davor keine einzige Ballaktion gehabt und dann den Elfer drüber gehauen... Ach ja, und zudem noch mit seinem tänzelnden Anlauf vor dem Elfer für einige Lacher gesorgt. Schlechter hätte das Turnier für den Stürmer von Juventus Turin kaum enden können. So richtig toll lief es für ihn persönlich davor ohnehin auch nicht: In 120 Einsatzminuten bei dieser EM hatte Zaza genau einen Torschuss. Der ging drüber. Man hätte es ahnen können.

Trio Tricolore: Nach dem Schützenfest gegen die Isländer im Viertelfinale (5:2) stehen die Franzosen als deutscher Halbfinalgegner fest. Die Offensivleistung der Équipe Tricolore wird auch bei den Deutschen Eindruck hinterlassen haben, stellen die Franzosen seit dem Viertelfinale doch nicht nur die beste Offensive im Turnier (elf Tore), sondern sind auch das erste Team der EM-Geschichte das viermal vor der Halbzeitpause traf. Erneut seinen Anteil daran hatte das Trio Antoine Griezmann (vier Turniertreffer), Olivier Giroud (drei) und Dimitri Payet (drei), die an allen fünf Toren gegen die Isländer direkt beteiligt waren. Damit ist Frankreich das erste Team überhaupt, das bei einer EM drei Spieler mit mindestens drei Treffern stellt. Das nennt man dann wohl schwer ausrechenbar.

Neuer Rekord für Neuer: Noch kann Deutschland aber die beste Defensive im Turnier dagegen setzen. Nach dem Elfmeter von Leonardo Bonucci musste Manuel Neuer erstmals bei dieser EM hinter sich greifen, womit er einen neuen Rekord aufstellte: Er wurde zum ersten europäischen Torhüter, der bei großen Turnieren 557 Minuten in Folge ohne Gegentor bleiben konnte. Damit überbot er den alten Rekord von Iker Casillas (553 Minuten von 2012-2014) um 4 Minuten.

Wales' Traumstart: Aller Anfang ist schwer, das weiß man auch beim EM-Neuling Island. "Vielleicht wäre es ein bisschen zu viel gewesen, die EM gleich im ersten Versuch zu gewinnen", musste so auch der isländische Angreifer Kolbeinn Sigthorsson nach dem Viertelfinal-Aus gegen die Franzosen eingestehen. Nichtsdestotrotz ist mit Wales aber ein EM-Debütant weiter im Rennen. So weit wie die Waliser kam zuletzt 1992 ein Neuling bei einer Europameisterschaft, damals scheiterte Schweden bei der EM-Premiere im Semifinale an Deutschland. Das Endspiel erreichte noch kein Debütant seit Einführung der Gruppenphase bei Europameisterschaften (1980). Wales wird jetzt doch nicht...?! Für das letzte verbliebene Team von der Insel spricht seine Treffsicherheit: Wales traf in jeder der ersten fünf EM-Partien - nur Deutschland hatte einen besseren Lauf und traf in jedem seiner ersten sechs EM-Spiele.

Portugal lässt Führungsarbeit schleifen: Bei den Portugiesen hat man bei dieser EM ja ein bisschen das Gefühl, dass sie sich durch das Turnier gemogelt haben. Erst erreichten die Mannen um CR7 als erstes Team der EM-Historie die K.o.-Phase ohne einen einzigen Sieg und in den folgenden beiden Spielen ging es dann in die Verlängerung. Nach Ende der regulären 90 Minuten lag Portugal bei dieser EURO also überhaupt noch nicht in Front. Zwischenzeitlich in Führung lagen die Portugiesen im kompletten Turnierverlauf insgesamt nur ganze 22 Minuten. Die anderen Halbfinalisten Deutschland (227), Wales (203) und Frankreich (116) leisteten hier deutlich mehr Führungsarbeit auf ihrer fußballerischen Tour de France. Besonders bitter ist das aus Sicht des portugiesischen Viertelfinalgegners Polen - der muss nämlich die Koffer packen, ohne auch nur ein einziges Mal in Rückstand gelegen zu haben. Neben Polen ist Deutschland übrigens das einzige Team im Turnier, das noch keinem Rückstand hinterherlaufen musste, überhaupt war dies bei den vergangenen beiden Turnieren nur ganze acht Minuten der Fall (im Gruppenspiel gegen Ghana bei der WM 2014).

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