Die gefühlte Krise

Mandzukic, Kroos, Robben und Alaba (v.l.) feiern nicht eben ekstatisch das 2:0 gegen den FCK
© getty

Titelverteidiger FC Bayern hat das DFB-Pokalfinale nach dem 5:1 gegen den 1.FC Kaiserslautern erreicht und träumt weiter vom Triple. Doch beim Rekordmeister kann man aufgrund der aktuellen Stimmungslage beinahe eine Krise vermuten. Matthias Sammer schlägt Alarm, die Spieler betätigen sich dagegen als Mutmacher.

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Der Trainer nimmt alle Schuld auf sich und räumt schonungslos Fehler ein. Während er das macht, stellt er seine eigene Kompetenz in Frage und zieht sogar einen Abschied in Betracht - für den Fall der Fälle. Einen Tag später nimmt der Sportdirektor die Führungsspieler in Schutz. Der gleiche Sportdirektor kritisiert einen Abend später vor laufender Kamera die gesamte Mannschaft und ruft Alarmstufe Rot aus.

Zeitgleich versuchen Spieler etwas gequält Erklärungsansätze zu finden, geloben Besserung, warnen aber auch zugleich vor dem Scheitern.

Das, was der FC Bayern in den letzten Tagen öffentlich zur Schau stellt, ist das Musterbeispiel einer klassischen Krise und der Versuch der Bewältigung. Nein, der FC Bayern steckt nicht in der Krise, aber er verhält sich so. Der FC Bayern, der so früh wie nie in der Historie des deutschen Fußballs Meister wurde. Der FC Bayern, der im Halbfinale der Champions League steht und dort seinen Wunschgegner bekommen hat. Der FC Bayern, der im Pokal-Halbfinale 5:1 gegen den 1.FC Kaiserslautern gewonnen hat.

"Kuscheloase" beim FC Bayern

Wüsste man es nicht besser, hätte man am Mittwochenabend gedacht, es wäre zuletzt alles andersherum gelaufen. Wohin man auch blickte, man sah nach dem 5:1 gegen den FCK nur besorgte bis erregte Gesichter. "Ich glaube, wir gehen zu positiv miteinander um, zu nett", schimpfte Matthias Sammer nach dem Schlusspfiff in München bei "Sky". "Wir müssen ein Stück weit mehr brennen und auch den Mut haben, diese Dinge untereinander anzusprechen."

Der Sportdirektor macht eine "Kuscheloase" beim FC Bayern aus, die ihm nicht schmeckt. Als ihn Reporter am Mittwochabend in den Katakomben um weitere Ausführungen baten, reagierte Sammer schroff und ging davon - ohne weiteren Kommentar.

Erinnerungen an die Vorsaison werden wach, als Sammer damals früh in der Saison nach einem Sieg gegen Werder Bremen öffentlich die Mannschaft und deren Gangart kritisierte und intern dafür sogar Kritik einstecken musste.

Rhythmus verloren - und nicht mehr gefunden

Doch damals wie heute scheint Sammer - trotz des de facto vorliegenden Erfolgs - durchaus Recht zu haben. Der Sportchef schlägt Alarm, weil er das sieht, was die wahrlich hervorragenden Statistiken derzeit wohl in der Tat etwas übertünchen: Der FC Bayern hat in der wichtigsten Phase der Saison seinen Rhythmus verloren und weiß augenscheinlich nicht, wie er ihn wieder finden soll.

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Es ist keine Sache der Motivation - und mitnichten eine Sache des Könnens. Der FC Bayern wirkt wie ein Symphonieorchester, das seit einer halben Ewigkeiten jede Konzerthalle der Welt im Sturm erobert hat. Jetzt klingt das Orchester immer noch gut, aber eben nicht mehr ganz so stimmig, so berauschend wie vorher.

Kaiserslautern gelang es, mit einfachen Mitteln den Favoriten aus dem Konzept zu bringen und die Offensivbemühungen des Bundesligisten 20 Minuten lang komplett zu neutralisieren. Erst eine Standardsituation verhalf den Gastgebern zur Führung. Später wurde es besser, wenn auch nicht die Intensität an den Tag gelegt wurde, die Bayern reihenweise neue Bestmarken aufstellen ließ.

Pep: "I'm sorry"

"I'm sorry. Ich bin nicht Gott", sagte Trainer Guardiola am Dienstag. "Ich bin kein Trainer, der immer, immer gewinnt. Ich habe nicht den Schlüssel dazu."

Die Krux ist, dass seine Mannschaft derzeit ja immer noch in den meisten Fällen gewinnt. Gegen Kaiserslautern reichte es so zu einem Sieg in beachtlicher Größenordnung - und auch am kommenden Samstag könnte es beim Gastspiel gegen Kellerkind Eintracht Braunschweig reichen.

Aber gegen Borussia Dortmund kam der Meister unter die Räder. Und in der kommenden Woche gastiert der Champions-League-Sieger im Estadio Bernabeu bei Real Madrid. Ein Gegner, der "Konzentrationsfehler" eiskalt ausnutzt (Philipp Lahm).

Rotation? Kein Problem!

Dante, Jerome Boateng und selbst Bastian Schweinsteiger fabrizierten gegen Kaiserslautern abermals unnötige Ballverluste, Boateng musste zeitweise zum Dauerrapport an die Seitenlinie.

Die Protagonisten wollen die Rotation als möglichen Grund der Leistungsdelle nicht gelten lassen. "Wir rotieren schon die ganze Saison. Ein Problem war es nie", sagt etwa Arjen Robben trotzig.

Auch die Systemänderungen fallen offenbar nicht ins Gewicht: "Der Trainer weiß, welche Spieler auf welchen Positionen besonders stark sind und so setzt er uns auch ein", sagt Thomas Müller.

Auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ging es am Mittwochabend zu weit, über die Taktik des Trainers zu diskutieren. "Wir haben einen hochqualifizierten Trainer. Taktik ist kein Thema, über das ich sprechen muss." Rummenigge sieht kein Grund, seine Kritik zu vertiefen und ein Fass aufzumachen. Dafür ist auch bisher schlicht und ergreifend nichts passiert.

Bayern-Spieler machen sich Mut

Allerdings gibt es keine Garantie, dass es so bleibt, zumal jetzt die eigentlich wichtigen Spiele kommen. "Wenn wir nach Lissabon wollen, müssen wir uns steigern", sagte Rummenigge mit besorgter Miene und zählte Mittwochabend alle Stärken der Königlichen auf, die just in diesen Augenblicken gegen Barcelona in Führung gingen und die Copa del Rey für sich entscheiden konnten.

Während man auf der Chefetage besorgt ist, sind die Spieler des FC Bayern noch relativ entspannt. Robben sah gegen Kaiserslautern eine "klare Besserung" zu den letzten Wochen. Und Kapitän Lahm mag das Kaiserslautern-Spiel nicht als Maßstab für Madrid gelten lassen: "Das kann man gar nicht vergleichen. Wir werden sicher anders agieren."

Ein Aspekt macht den Bayern-Stars besonders Mut: "Ich mache mir keine Sorgen, weil die Mannschaft in der jüngsten Vergangenheit immer gezeigt hat, dass sie bei den wichtigen Spielen da ist. Die Konzentration wird definitiv da sein", sagt Lahm. Müller sieht es ähnlich: "In den wichtigen Spielen waren wir zur Stelle."

Das zwischenzeitliche 0:1 gegen Manchester United, als Patrice Evra ein Traumtor gelang, schien der Wakeup-Call zur richtigen Zeit zu sein, doch die erhoffte Wirkung des Tores für den Rest der Saison ist offenbar schnell verpufft.

Ein neuer Anlauf erfolgt spätestens in Madrid. Dann muss der FC Bayern wieder stimmig und konzentriert auftreten. Andernfalls könnte aus einer gefühlten Krise auch ganz schnell eine echte werden.

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