BVB nach erster Saisonniederlage gegen Atletico Madrid: Eine Prüfung, um zu reifen

Der BVB kassierte bei Atletico die erste Niederlage unter Lucien Favre.
© getty

Borussia Dortmund hat in der Champions League bei Atletico Madrid die erste Niederlage unter Trainer Lucien Favre erlitten. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist nun dahin, doch das könnte der Mannschaft des BVB möglicherweise mehr helfen als schaden.

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So ganz ohne etwas mitgenommen zu haben, musste der BVB das Stadion Wanda Metropolitano dann doch nicht verlassen. "Das ist für meinen Bruder", sagte Dortmunds Torhüter Roman Bürki und hielt das Trikot von Torschütze Antoine Griezmann in seiner Hand.

Doch in der Tabelle der Champions-League-Gruppe A hilft das der Borussia natürlich trotzdem nicht weiter. Zwei Siege aus den beiden Spielen gegen Brügge und Monaco müssen nun her, um sicher auf Platz eins ins Achtelfinale einzuziehen. Andernfalls müsste man auf einen Ausrutscher Atleticos hoffen.

Diese Ausgangslage ist machbar und weiterhin komfortabel genug.

Bürki erzählte in den Katakomben nicht nur von dieser Randnotiz, sondern sprach auch davon, dass die erste Dortmunder Saisonniederlage womöglich auch gar nicht so schlecht sei. Dies schärfe nach den euphorischen Vorwochen die Sinne, sagte der Schweizer, der bereits am Vortag eine gewisse Müdigkeit im Kopf ausgemacht hatte.

BVB-Kapitän Reus: Erste 25 Minuten kontrolliert

Das passte zur Aussage von Kapitän Marco Reus nach dem Spiel. "Wir waren geistig nicht auf der Höhe", meinte der Nationalspieler, der manche Beobachter ein wenig mit der Aussage verwunderte, der BVB habe die ersten 25 Minuten der Partie gar kontrolliert.

Wirklich falsch lag Reus damit nicht, vielleicht war nur das Wort 'kontrollieren' an dieser Stelle nicht das passende. Dortmund hatte in der Anfangsphase des Spiels zwar keine echte Torchance herausgespielt, die andauernden Offensivbemühungen der Hausherren aber tatsächlich vielbeinig abgewehrt. Der BVB spielte nicht grandios auf wie so manches Mal zuletzt, doch er geriet in dieser Phase nicht in Rückstand und agierte am Ball sowie im Spielaufbau abgeklärt genug, um die Partie einigermaßen ausgeglichen zu gestalten.

Das war es dann aber auch mit den positiven Nachrichten, denn anschließend kassierte man nicht nur das letztlich verdiente 0:1, sondern verlor im Anschluss daran den Zugang zur Partie und geriet mächtig ins Schwimmen. Einzig ein starker Bürki verhinderte Schlimmeres, doch im zweiten Abschnitt konnte auch er die verdiente Niederlage nicht verhindern.

BVB: Reifeprüfung trotz Niederlage?

Damit ist der Nimbus der Unbesiegbarkeit für den BVB dahin und es ist ja nach den Geschehnissen der Vorsaison erstaunlich genug, dass dies erst im November nach zuvor 15 Pflichtspielen ohne Pleite geschah. So sahen es im Anschluss an das 0:2 auch alle Akteure, die sich zum Spielgeschehen äußerten. Das Motto: Alles kein Beinbruch, Atletico war eben besser, das wird uns nicht umwerfen.

Während nach dem überraschenden wie überzeugenden 4:0 im Hinspiel gegen die Rojiblancos viele von einer bestanden Reifeprüfung für das Team von Lucien Favre sprachen, könnte die Partie in Spaniens Hauptstadt trotz der Pleite gar einen ähnlichen Effekt haben.

Es war ja bereits vor Anpfiff klar, dass gegen die auf Revanche sinnenden Spanier eine weitere große Prüfung auf die junge und vor der Saison neu formierte BVB-Elf warten würde. Die hat man nun zwar nicht bestanden, doch sie könnte der Mannschaft in ihrem Entwicklungsprozess möglicherweise mehr helfen als schaden - ganz im Sinne von Bürkis Aussage.

Atletico manipulierte das BVB-Spiel effektiv

Atletico hat dem BVB in einigen Spielphasen die Grenzen aufgezeigt. Die Spanier haben Dortmunds Plan, mit den schnellen Außen Christian Pulisic und Jadon Sancho ins letzte Drittel zu kommen, durch geschicktes Verschieben und Doppeln durchkreuzt und diese Waffe über 90 Minuten lahmgelegt. Auch attackierte das Team von Rumpelstilzchen-Trainer Diego Simeone die erfahrenen Dortmunder Taktgeber Axel Witsel und Thomas Delaney so frühzeitig, dass dieser eigentliche Stabilitätsfaktor für die Borussia größtenteils keiner war.

Dortmund biss sich zudem an der Madrider Defensive, die sich anders als im Hinspiel nun wieder so berüchtigt wie in den Vorjahren präsentierte, die Zähne aus und fand kein Mittel für Läufe oder Pässe in die Tiefe. "Sie standen defensiv sehr gut, sehr kompakt und waren nach Balleroberungen gefährlich. Da musst du schnell agieren. Gegen solche Mannschaften muss man die Geduld haben und unnötige Ballverluste vermeiden", sagte Favre.

Das war dem BVB derart konsequent in dieser Saison im Grunde noch gar nicht passiert, so dass man sicher sein kann, dass Tüftler Favre wie seine Spieler einige Lerneffekte aus einer solchen Partie ziehen werden. Sie könnte der Truppe dabei helfen, weiter zu reifen, denn Atletico hat zumindest in dieser Partie gezeigt, was eine große Mannschaft ausmachen kann.

BVB und Atletico in der Gruppe A: Die Tabelle

TeamToreGegentorePunkte
Borussia Dortmund829
Atletico Madrid769
Club Brügge654
AS Monaco2101

Erste BVB-Pleite unmittelbar vor Bayern-Spiel

Inwiefern der Anschauungsunterricht in Zukunft der eigenen Stärke zuträglich sein wird, steht im Moment natürlich auf einem anderen Blatt. Denn eine gewisse Brisanz steckt ja schon darin, dass man die erste Niederlage ausgerechnet unmittelbar vor dem wichtigen Duell mit dem FC Bayern in der Bundesliga hinnehmen muss.

Zwar beriefen sich alle Dortmunder am späten Dienstagabend darauf, dass das Duell mit Atletico keinerlei Auswirkungen auf die Partie am Samstag haben werde. Dazu habe man in den letzten Wochen zu viel richtig gemacht und starken Fußball geboten - und der war sogar deutlich besser als das, was der Rekordmeister zuletzt so auf die Reihe bekam.

Reifeprüfungen gibt es während einer Saison allerdings viele und die nächste steht für Borussia Dortmund nun direkt ins Haus.

Diese könnte größer werden als noch jene im Heimspiel gegen Atletico. Aber da hatte man dann ja mit 4:0 gewonnen.

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