Karim Benzema weckt Real Madrid gegen Ajax auf: Endlich wieder tödlich

Von Jonas Rütten
Er trifft und trifft und trifft und trifft: Karim Benzema ist das Gesicht des Real-Aufschwungs seit Mitte Januar.
© imago

Real Madrid wurde beim 2:1 (0:0) gegen Ajax Amsterdam lange Zeit dominiert, ja fast schon vorgeführt von mitreißend spielenden Niederländern. Doch am Ende war Real eben wieder das Real, das man aus der vergangenen Saison in der Königsklasse kennt. Während Ajax die Kaltschnäuzigkeit und auch das Glück fehlte, hatten die Königlichen den Killerinstinkt von Karim Benzema. Der ist unter Trainer Santiago Solari endlich wieder tödlich, plötzlich von den Fans geliebt und ohnehin "der beste Stürmer der Welt".

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Karim Benzema, alle anderen Spieler von Madrid und die Fans der Königlichen hatten an diesem denkwürdigen Abend in der Amsterdamer Johan-Cruyff-Arena etwas gemeinsam. Sie alle mussten leiden - auf die eine oder andere Weise.

Die Real-Anhänger, weil sie mit ansehen mussten, wie der im Schnitt drei Jahre jüngere und unbekümmerte Underdog aus den Niederlanden ihre Königlichen über weite Strecken der Partie schwindelig spielte und den amtierenden Champions-League-Sieger besonders im ersten Durchgang nach Belieben dominierte.

Die Spieler von Real, weil sie nur selten adäquate Mittel gegen das mutige und aggressive Vollgaspressing von Ajax fanden, sich Ballverlust um Ballverlust leisteten und offensiv kaum mal etwas zustande brachten.

Und Benzema, weil dieser ausgerechnet in seinem 450. Pflichtspiel für Real "seit Minute fünf nach einem Schlag" Schmerzen am linken Oberschenkel gespürt habe.

Doch Real leidet eben nicht wie eine normale Mannschaft. "Madrid leidet wie ein Champion", titelte die Marca nach dem Spiel. Und Benzema leidet nicht wie ein normaler, angeschlagener Stürmer, sondern wie ein Stürmer, von dem Reals Präsident Florentino Perez erst am Dienstag sagte, dass er "der beste Stürmer der Welt" sei.

Vinicius Jr. und Benzema bei Real Madrid: "Der Junge hört zu"

Der leidende Champion gewann - trotz einer mitreißenden Leistung von Ajax. Und der leidende Benzema traf - trotz Verletzung. Doch nicht nur das. Der 31-Jährige, der sich seit Wochen in Bestform befindet, riss ein bis dahin biederes und behäbiges Real Anfang der zweiten Halbzeit aus dem Tiefschlaf. Erst mit einem sanften Rüttler, einem Abschluss, den Ajax-Keeper Onana noch parieren konnte (51.). Dann mit dem sprichwörtlichen Eimer Wasser ins Gesicht, dem Führungstreffer (60.). Real war anschließend zwar nicht gänzlich wie ausgewechselt, aber wesentlich besser im Spiel.

Vorbereitet hatte das 1:0 erneut Vinicius Jr. und das äußerst sehenswert. Wie Slalomstangen ließ er die bis dahin so sattelfeste Amsterdamer Defensive um Matthijs de Ligt, Noussair Mazraoui und Daley Blind stehen. Vinicius Jr. und Benzema. Beide sind sie untrennbar mit dem königlichen Aufschwung seit Mitte Januar, seit dem 2:0-Sieg über den FC Sevilla in der Liga, verbunden.

Auf der einen Seite der 18-Jährige, der nun schon zwölf Torvorlagen auf dem Konto hat. Auf der anderen Seite der bei den Fans oftmals umstrittene Franzose, der seit der Amtsübernahme von Santiago Solari an 19 Toren direkt beteiligt war (14 Tore, fünf Vorlagen) und seinen verloren geglaubten Killerinstinkt, die tödliche Abgebrühtheit vor dem gegnerischen Tor, wiederentdeckt hat. Sie verstehen sich blendend auf und offenbar auch neben dem Platz.

"Ich liebe es, mit Vinicius zu spielen", sagte Benzema nach dem Spiel. "Der Junge hört sehr gut zu, ist wiss- und lernbegierig und arbeitet sehr hart. Hoffentlich macht er so weiter wie bisher." Und Vinicius Jr.? Der dankte Benzema, weil dieser ihm "seit meiner Ankunft hier sehr geholfen hat".

Historischer VAR greift ein: Tor-Klau von Amsterdam?

Sehr geholfen hatte Real gegen Ajax vor Benzemas 60. Treffer in der Königsklasse (nur Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Raul trafen häufiger) auch der erste Einsatz des Videobeweises in der Geschichte der Champions League. Nachdem zuvor bereits Mazraoui im Eins-gegen-Eins gegen Thibaut Courtois an den eigenen Nerven (9.), Dusan Tadic am Pfosten (26.) und Hakim Ziyech erneut an Courtois (36.) gescheitert waren, erlöste Nicolas Tagliafico endlich die kochende Amsterdam-Arena.

Doch die Freude währte nur kurz. Mit Entsetzen musste Frenkie de Jong, für den es ab Sommer mit dem FC Barcelona wohl öfter gegen Real Madrid gehen wird, mit ansehen, wie sich Schiedsrichter Damir Skomina kurz ans Ohr griff, anschließend zur Seitenlinie schritt und nach kurzem Videostudium den Treffer zurücknahm.

Eine korrekte Entscheidung, weil Tadic im Moment des Kopfballs von Tagliafico ein My im Abseits stehend Courtois den Weg zum Ball versperrte. Aus Amsterdamer Sicht aber auch eine Entscheidung, die einem "Tor-Klau" gleich kam und "die in der Regel immer nur zugunsten eines großen Klubs" getroffen werde, wie de Jong nach dem Spiel scharfzüngig bemerkte.

Es entbehrte darüber hinaus nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Ajax-Kapitän de Ligt Schiedsrichter Skomina noch vor dem Spiel fragte, ob es den VAR in diesem Spiel geben werde. "Ja, ja. Den gibt es. Er hilft mir und meinen Assistenten", antwortete Skomina. Nur half er eben an diesem Abend nicht Ajax, sondern Real.

Champions League: Die ewige Torschützenliste

SpielerVereineCL-SpielzeitenSpieleTore
Cristiano RonaldoManchester United, Real Madrid, Juventus16158121
Lionel MessiFC Barcelona15129106
RaulReal Madrid, FC Schalke 041514272
Karim BenzemaOlympique Lyon, Real Madrid1511160
Ruud van NistelrooyPSV EIndhoven, Manchester United, Real Madrid117356

Sergio Ramos und die absichtliche Gelbsperre

Und die Königlichen benötigten diese Hilfe im ersten Durchgang dringend. Weil die Mittelfeldzentrale um Toni Kroos und Luka Modric dauerhaft unter Stress stand. Weil Daniel Carvajal mit Tadic und David Neres extreme Probleme hatte. Weil Benzema bis zu diesem Zeitpunkt noch das Gegenteil von tödlich war. Weil Ramos als Einziger an seine Bestform kam und als einziger Real-Spieler über die Hälfte seiner Zweikämpfe gewann.

Seinen Einsatz bezahlte der Real-Kapitän mit der dritten Gelben Karte im Wettbewerb. Damit fehlt Ramos Real im Rückspiel am 5. März im Bernabeu. Das Kuriose daran: Ramos gab nach dem Spiel indirekt zu, die Sperre billigend in Kauf genommen zu haben. Real war zu diesem Zeitpunkt nach dem hochverdienten Amsterdamer Ausgleich von Zyiech (75.) durch Marco Asension erneut in Führung gegangen (87.).

Ramos habe die gute Ausgangslage für das Rückspiel "irgendwo im Hinterkopf" gehabt, womit er zwar nicht sagen wollte, "dass ich unseren Gegner unterschätze, aber manchmal muss man eben Entscheidungen treffen". Ein Hauch von Arroganz, der in der Vergangenheit auch Benzema mehrmals nachgesagt und dem unterstellt wurde, die klaffende Lücke in Reals Offensive nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo nicht füllen zu können.

Benzema bei Real Madrid: Vom CR7-Sidekick zu "unserer Nummer 9"

Doch der 31-Jährige lässt die Zweifler und die im Sommer vehementen Forderungen nach einer hochkarätigen Neuverpflichtung im Sturm verstummen. "Die, die Benzemas Leistungen erst jetzt bemerken, tun mir leid. Er spielt seit Jahren einen unglaublichen Fußball, nicht erst jetzt", sagte Solari erst kürzlich in Richtung der Benzema-Kritiker. Dass die Leistungen des Franzosen teilweise im Verborgenen blieben, lag auch an Ronaldo.

Doch mittlerweile ist Benzema bei Real nicht mehr nur der CR7-Sidekick, sondern "Karim, unsere Nummer neun". Das sangen die Fans im Bernabeu erst Anfang Februar lauthals, nachdem Benzema beim 3:0 gegen Deportivo Alaves erneut getroffen hatte.

Auf die anschließenden Standing Ovations, die es im Bernabeu da noch bei seiner Auswechslung gab, musste Benzema am Mittwochabend in Amsterdam verzichten. In der 73. Minute endete die Leidenszeit des Franzosen, während sie für Ramos und Co. noch gut 15 Minuten weiterging. Als der eingewechselte Kasper Dolberg aber in der Nachspielzeit auch noch die letzte Ajax-Großchance vergab, war es vollbracht.

Real war wieder das K.o.-Phasen-Real aus der vergangenen Champions-League-Saison. Und Benzema war wieder tödlich für den Gegner. Die Oberschenkelblessur, die ihn 68 Minuten lang quälte, stellte sich als nicht gravierend heraus. "Mir geht es gut. Ich werde einen oder zwei Tage ausruhen, das wars", sagte der Franzose. Für Real eine gute und für die kommenden Gegner eine schlechte Nachricht.

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