Hertha BSC legt besten Saisonstart der Vereinsgeschichte hin: Sexy B an der Spree

Die Mannschaft von Hertha BSC feiert mit ihren Fans den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte.
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Hertha BSC steht auf dem zweiten Tabellenplatz der Bundesliga. Die Berliner legten mit zehn Punkten aus den ersten vier Spielen den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte hin. Der zweitjüngste Kader der Bundesliga löst bei den Fans das aus, was Marketing-Kampagnen und Image-Wechsel nicht schaffen.

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Da musste Vadder erst auf den Tisch hauen. "Er rief mich zuerst an und fragte: Herr Zander, was ist denn hier überhaupt los?" Gemeint ist Hertha-Präsident Werner Gegenbauer, der auf die lauthalsen Proteste aus der Fanszene reagierte.

Frank Zander ist seit 25 Jahren eine echte Größe im Verein, vor allem bei den Fans. Seine Stadion-Hymne "Nur nach Hause" ertönt seitdem vor jedem Heimspiel im Berliner Olympiastadion. Meist performt sie der heute 76-Jährige selbst. Beim Heimspielauftakt verlegte die Hertha Zanders Auftritt nach vorn, um beim Spielereinlauf Platz für "Dickes B" von der Berliner Reggea-Gruppe Seeed zu schaffen.

Ein weiterer Schachzug des Herthaner Image-Wandels, der federführend vom ehemaligen Twitter-Sportchef Paul Keuter seit zwei Jahren versucht wird. "Die Marketingstrategen von Hertha dachten wohl, die Fans werden das schon schlucken. Doch dann spürten sie die Macht der Kurve", sagte Zander im Interview mit der Berliner Zeitung.

Hertha soll hipper werden und das weltoffene, urbane Lebensgefühl der Stadt verkörpern. So der Plan von Keuter und der Agentur Jung von Matt. Selbstironie, Internationalisierung und Berlin-Mitte-Swag sollen das Image der Alten Dame verjüngen. Bei den Fans stößt die neue Ausrichtung der Hertha kaum auf Wohlwollen. Zumindest Zander erhielt beim Heimsieg gegen Gladbach wieder seinen angestammten Platz.

Hertha BSC spielt attraktiven Fußball

Seine zwischenzeitliche Degradierung ins Vorprogramm war so ziemlich das Einzige, das bei Hertha in dieser Saison bisher nicht reibungslos ablief. Denn für Attraktivität sorgt bei der Hertha keine Marketing-Kampagne, sondern die Mannschaft.

Sportlich ist Hertha so gut wie lange nicht. Zehn Punkte aus vier Spielen zum Saisonstart. Der zweitjüngste Kader der Liga überzeugt durch frechen und attraktiven Offensivfußball. Sexy B statt Dickes B.

"Wir hatten Spaß und die Fans mit Sicherheit auch", sagte Doppeltorschütze Vedad Ibisevic nach dem 4:2-Spektakel am Samstag gegen Gladbach. Sechs Tore, 33 Torschüsse: Die Zuschauer kamen auf ihre Kosten. Pal Dardai strahlte bis über beide Ohren. "Am Ende des Spiels habe ich zum Manager gesagt: 'Das war Spaß'", sagte der Berliner Trainer.

Hertha BSC: Kreativität wie zu Zeiten von Marcelinho

Niklas Stark fasste den aktuellen Erfolg seiner Mannschaft wie folgt zusammen: "Defensiv treten wir zurzeit sehr diszipliniert auf, taktisch sind wir sehr variabel und machen es unseren Gegner schwer, sich auf uns einzustellen - im Mittelfeld haben wir ein paar Granaten und links vorne haben wir mit Javairo einen Pfeil, den man mal schicken kann. Das passt im Moment echt gut, den Schwung wollen wir natürlich mitnehmen."

Der Berliner Erfolg hat mehrere Gesichter. Eines hat Stark bereits beim Namen genannt: Javairo Dilrosun. Der Linksaußen kam im Sommer ablösefrei aus der Jugend von Manchester City. In bisher drei Profispielen für die Hertha war er an vier Toren direkt beteiligt (1 Tor, 3 Assists).

Arne Maier ist ohnehin längst nicht mehr aus der Berliner Zentrale wegzudenken. Der 19-Jährige ist der Motor der Herthaner Mannschaft. Der Gewinner der Fritz-Walter-Medaille in Silber glänzte auch gegen Gladbach mit den meisten Ballaktionen, 80 Prozent gewonnenen Zweikämpfen und einer herausragenden Passquote von 98,4 Prozent.

Arne Maier ist nicht mehr wegzudenken aus der Berliner Mannschaft.
© getty
Arne Maier ist nicht mehr wegzudenken aus der Berliner Mannschaft.

Dazu kommen Ondrej Duda in Topform, der scheinbar nicht alternde Salomon Kalou und Liverpool-Leihgabe Marko Grujic. Herthas Mittelfeld verfügt über so viel Qualität und Kreativität wie Berlin seit dem Abgang von Marcelinho vor zwölf Jahren nicht mehr gesehen hat.

Hertha-Trainer Pal Dardai setzt auf junge Spieler

Grujic fällt nun nach dem bösen Einsteigen von Patrick Herrmann mit einem Bänder- und Kapselriss zwar länger aus. Doch die Qualität des Kaders in der Breite scheint diesen Ausfall kompensieren zu können - auch wenn die Startelf damit wohl wieder älter wird.

Denn bisher sind es vor allem die jungen Spieler, die bei der Hertha für Aufwind sorgen. Zwölf Profis aus dem aktuellen Kader stammen aus der eigenen Akademie. Herthas Nachwuchsarbeit trägt aktuell Früchte. Mit Dardai steht der nötige Förderer an der Seitenlinie.

Das passt zur nachhaltigen Arbeit, die er bei der Hertha leistet. Mit dem Abstieg hat der Hauptstadtklub seit vier Jahren nichts mehr zu tun. Die Youngster sollen diese Kontinuität aufrechterhalten.

Der Ungar weiß aber auch um die Gefahr für seine junge Mannschaft: "Wir haben viele junge Spieler, Selbstvertrauen ist da sehr wichtig. Wenn es nicht läuft, werden viele unsicher. Das kann gefährlich werden. Wenn aber unsere jungen Spieler Selbstvertrauen aufbauen, kann das eine traumhafte Saison werden. Dieses Gefühl habe ich."

Hertha BSC trifft nun auf Werder Bremen und den FC Bayern

Die Hertha ist bisher die Überraschungsmannschaft der Saison. Ob sie das auch in der nächsten Woche nach Spielen gegen Werder Bremen und den FC Bayern noch ist, bleibt abzuwarten. Ein Platz im oberen Tabellendrittel erwartet aber ohnehin niemand von der Hertha.

Dardai & Co. freuen sich daher einfach über die Erfolgsserie und nehmen mit, was geht. Die Fans goutieren den starken Saisonstart, wissen die Dinge aber einzuordnen. Wenn es am Ende doch für Europa reichen sollte ... aber das ist zu weit gedacht. Für den Moment gilt: Nur nach Hause geh'n wir nicht.

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