Der Saisonstart des FC Bayern München: Chancenlose Cowboys und Indianer

Der FC Bayern hat sich mit 3:0 beim VfB Stuttgart durchgesetzt.
© Getty

Der FC Bayern München hat auch das zweite Bundesligaspiel der Saison 2018/19 gewonnen. Nach dem 3:1 gegen ultraaggressive Hoffenheimer gab es ein 3:0 bei ultradefensiven Stuttgartern. Für die Ligaspannung ist das eher ein schlechtes Zeichen.

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"Doch, das war schon geplant", rechtfertigte sich Christian Gentner eine knappe Stunde nach Abpfiff. Der Stuttgarter Kapitän war gefragt worden, ob man in seinem Lager denn nicht auf die Idee gekommen sei, wenigstens ein bisschen weiter aus der eigenen Deckung rauszurücken. Wenigstens nach dem Rückstand die Bayern nicht erst knapp vor dem eigenen Strafraum zu attackieren, sondern vielleicht schon an der Mittellinie oder so.

Eigentlich wollten sie das auch, erklärte Gentner also, zuckte mit den Schultern und sagte: "Wir haben das versucht, aber daraufhin haben die Bayern den Druck nochmal erhöht. Sie hatten dann quasi die Idee, uns stattdessen noch weiter reinzudrängen." Und wenn die Bayern schon eine Idee haben, dann setzen sie die natürlich exakt genau so um. Wie man mittlerweile weiß: selbstverständlich auch unter dem neuen Trainer Niko Kovac.

Bis zur 37. Minute spielten sie sich den Ball munter zu (zu diesem Zeitpunkt lag der Ballbesitzanteil bei knapp 80 Prozent), ehe ihn Leon Goretzka eben zur Führung ins Tor schoss. Daraufhin erspielten sich die Bayern einige weitere gute Chancen, schossen zwei weitere Tore (durch Robert Lewandowski und Thomas Müller) und ließen dabei keinen einzigen nennenswerten Gegenangriff zu.

FC Bayern: 12:0 Ecken, 24:4 Torschüsse, 7:0 Schüsse aufs Tor

"Die Statistik ist für mich wenig interessant", sagte Gentner danach zwar, aber in diesem Fall war sie zumindest aussagekräftig. 12:0 Ecken, 24:4 Torschüsse, 7:0 Schüsse aufs Tor. Arjen Robben hatte also recht gehört, als er nach dem Spiel sagte: "Die hatten keinen einzigen Schuss aufs Tor, soweit ich das gehört habe." Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke fasste die aussagekräftigen Statistiken auch noch in ein paar aussagekräftige Sätze. "Die waren uns in allen Belangen überlegen." Oder: "Die haben kaum Fehler gemacht." Und: "Die haben eine beeindruckende Wucht an den Tag gelegt."

Reschke stand da als Repräsentant des VfB, aber eigentlich auch der ganzen Bundesliga. Diesem Wettbewerb, dem der FC Bayern seiner Meinung nach trotz offiziellem Mitgliedsstatus inoffiziell eigentlich nicht mehr angehört. "Die spielen einfach in einer anderen Liga", sagte Reschke und nannte die Bayern eine "Granatenmannschaft". Gut, man könnte einwenden, dass die Saison gerade erst angefangen hat und der Vorsprung auf den aktuell zweitplatzierten VfL Wolfsburg lediglich zwei Tore beträgt. Aber die bisherigen Spiele der Bayern waren für die Spannungserwartung der Bundesliga schon ein bisschen ernüchternd.

Nach dem 5:0-Sieg gegen den Pokalsieger Eintracht Frankfurt im Supercup spielte Bayern mit Hoffenheim und Stuttgart bisher gegen zwei der vier besten Vereine der vergangenen Rückrunde. Und mit der TSG gleichzeitig gegen den einzigen, von dem vor dem Saisonstart eine verbale Kampfansage an den Sechs-Mal-in-Folge-Meister ausgegangen war. "Ich strebe immer nach dem Maximalen und das Maximale ist der Titel", hatte Trainer Julian Nagelsmann verkündet.

Stuttgart präsentiert sich Wild-West-unverdächtig

Beim Eröffnungsspiel probierten es Nagelsmanns Hoffenheimer dann mit einer ultraaggressiven Spielweise. Dadurch verloren die Bayern zwar wegen eines Syndesmosebandrisses Kingsley Coman, dafür aber keine Punkte. Den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz-Rummenigge animierte das zu einer tadelnden Stellungnahme auf der vereinseigenen Homepage. "Das war Fußball in Wild-West-Manier", polterte er.

Die Rahmenbedingungen des Spiels in Stuttgart waren dagegen zunächst Wild-West-unverdächtig. Die Gastgeber hatten wie gewohnt Fußballschuhe statt Stiefel an und Cowboyhut trug auch keiner auf dem Kopf, Benjamin Pavard lediglich die gewohnten Locken und Emiliano Insua einen Zopf. Statt wilden Hengsten tollte am Spielfeldrand nur Fritzle herum. Ein harmloses Krokodil mit rotem Cappy, das als VfB-Maskottchen tätig ist.

Und auch der Fußball der Stuttgarter war keiner in Wild-West-Manier, obwohl das manche Bayern trotzdem suggerieren wollten. Nach einer Grätsche von Anastasios Donis gegen Franck Ribery in der 21. Minute sprang die Bayern-Bank kollektiv wütend auf, nach einem Einsteigen von Pablo Maffeo gegen Ribery in der 34. musste dieser erst behandelt werden und dann von Betreuern gestützt den Platz verlassen (um wenig später wieder zurückzukommen).

"Man sieht wie hart gegen uns gespielt wird und das ist nicht gut. Manchmal sind da Sachen dabei, die einfach nicht okay sind, die zu hart sind, die ohne Rücksicht auf die Gesundheit unserer Spieler sind", klagte Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Er dachte wohl noch an das Hoffenheim-Spiel, in Stuttgart gab es nämlich tatsächlich wenig Gesundheitsgefährdendes. Laut Statistik begingen die Stuttgarter gar nur drei Fouls im Vergleich zu acht von Seiten der Bayern. Übertriebene Härte hätte er "nicht so stark wahrgenommen", sagte auch Bayerns Goretzka.

Reschke prophezeit dem FC Bayern drei weitere Meistertitel

In der Tat probierten es die Stuttgarter acht Tage nach der ultraaggressiven Spielweise der Hoffenheimer mit der des Underdogs zweiten Lieblingsausrichtung: ultradefensiv. Bis auf Mario Gomez hatten alle Stuttgarter eine durchschnittliche Aufenthaltsposition in der eigenen Hälfte. Sie belauerten ihre Gegner, fast ein bisschen wie Indianer. Sie spekulierten auf Konter, die sie bei Gelegenheiten jedoch nicht ausspielten. Zum Erfolg (wobei bei dieser Ausrichtung ein 0:0 als Erfolg gilt) führte das bis zu besagter 37. Minute, dann wurde es schmerzhaft. Diesmal jedoch nicht für die Bayern, sondern für die Gegner.

"Die Bayern waren mächtig und das hat uns allen wehgetan", sagte Reschke. Uns, den Stuttgartern. Und uns, den Bundesligisten. "Es ist völlig klar, dass der FC Bayern deutscher Meister wird", prophezeite Reschke: "Und zwar nicht nur dieses Jahr, sondern dieses, nächstes und übernächstes."

Gentner erklärte ebenfalls "davon auszugehen", dass der FCB Meister wird, betonte aber auch: "Dass man sie an einem Tag mal am falschen Fuß erwischen und schlagen kann, traue ich einigen Mannschaften durchaus zu." Die Frage ist dabei aber einerseits, welcher Fuß denn der falsche ist. Sowie andererseits und viel wichtiger, wie man ihn nun erwischen kann. Die ersten beiden Spiele haben gezeigt: ultraaggressiv und ultradefensiv eher nicht.

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