Von wegen Freie Radikale und so

Yunus Malli ist der Durchbruch beim VfL Wolfsburg noch nicht gelungen
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Yunus Malli wechselte im Winter mit hohen Erwartungen vom 1. FSV Mainz 05 zum VfL Wolfsburg. Bei den Rheinhessen als Freie Radikale noch Leader und Leistungsträger, enttäuschte die Nummer 10 bei den Wölfen bislang. Zuletzt verlor er gar seinen Stammplatz. Am Samstag erzielte Malli als Joker beim 3:0-Sieg gegen den FC Ingolstadt seinen ersten Treffer für die Niedersachsen. Für seinen 45-minutenlangen Auftritt erhielt er die Note 2,5.

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Eigentlich ist die Situation ungefährlich. Einwurf für den FC Ingolstadt, Nähe eigene Eckfahne. Suttner wirft zu Cohen. Alles unter Kontrolle.

Doch dann geht es dahin. Maximilian Arnold vom VfL Wolfsburg jagt seinem Gegenspieler den Ball ab, geht von Rechtsaußen parallel zur Grundlinie nach innen. Kurzer Blick nach oben, Pass auf den Elfmeterpunkt. Und dort kommt er herangerauscht: Yunus Malli schießt gegen die Laufrichtung von Keeper Orjan Nyland unten rechts ein.

Für die Wölfe ist der Treffer zum 2:0 ein besonderer. Die Vorentscheidung im vielleicht wichtigsten Spiel der Saison. Warum so wichtig? Weil die Formkurve zuletzt nach unten zeigte und eine Niederlage gegen die zuletzt starken Schanzer fünf Spieltage vor Schluss den direkten Abstiegsplatz 17 bedeuten würde. Denn die Konkurrenz siegt.

"Natürlich befreiend"

Für den Torschützen selbst ist der Treffer ebenfalls ein besonders wichtiger: "Es war heute einfach ein gelungener Tag", sagt Malli nach der Partie: "Natürlich fühlt sich das befreiend an." Warum so befreiend? Weil es der erste Treffer des 25-Jährigen seit seinem Wechsel zu den Wölfen war.

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Nicht nur Malli selbst betonte die Erleichterung über sein Tor: "Dass Yunus getroffen hat, ist richtig schön", gab sein Trainer Andries Jonker zu Protokoll.

Klar, ein Trainer will immer das Maximum aus jedem seiner Spieler herausholen. Im Falle von Malli hatten sich zuletzt allerdings die kritischen Nachfragen gehäuft. Eine unangenehme Situation, der jeder Coach gerne aus dem Weg gehen möchte.

Der Mann, der bei Mainz den Unterschied machte

Im Winter war der geborene Kasseler vom 1. FSV Mainz 05 nach Wolfsburg gewechselt. Für eine Summe von 12,5 Millionen Euro, die nicht einmal zu hoch gegriffen wirkte.

Immerhin war der Deutsch-Türke bei den Mainzern seit Jahren absoluter Leistungsträger. Neun Scorerpunkte in der Saison 2014/2015, 15 in der vergangenen Saison und in dieser Hinrunde schon wieder zwölf. In der Offensive der Mainzer war Malli der Mann, der den Unterschied machte.

Beinahe folgerichtig rankten sich im vergangenen Sommer die Wechselgerüchte. Am heißesten führte die Spur zu Borussia Dortmund. Medientenor: Verein will, Spieler will, aber Mainz will nicht. Also blieb er. Und er schmollte nicht, stattdessen sorgte er in der Hinrunde mit dafür, dass die 05er immerhin auf Rang zehn überwinterten.

Als Wolfsburg den Zuschlag bekam, zweifelte kaum einer die Rechtfertigung der Ablösesumme an.

Durchwachsenes Zwischenzeugnis

Nach wenigen Monaten fiel das Zwischenzeugnis allerdings durchwachsen aus. Oder wie es Jonker zwischenzeitlich ausdrückte: "Er gibt sich sehr viel Mühe." Ein vielsagender Satz.

Nur einen Assist per Freistoßflanke in seinem zweiten Ligaspiel für Wolfsburg hatte Malli bis dato auf dem Konto. Vor zwei Wochen gegen den SC Freiburg saß er erstmals über 90 Minuten auf der Bank.

"Yunus tut sich noch schwer, wirklich Einfluss auf den Spielverlauf zu haben", analysierte Jonker jüngst die Leistungen seines Sorgenkindes. Tatsächlich ist Mallis Einfluss auf das Spiel der Wölfe ein ganz anderer als noch in Mainz.

In Mainz mit allen Freiheiten ausgestattet

Unter Martin Schmidt war er offensiv mit allen Freiheiten ausgestattet. Eine Zehn, ein hängender Stürmer, mal fallend, mal auf den Flügeln, mal in der Spitze. Selten mit richtig vielen Defensivaufgaben belastet, stattdessen eine Freie Radikale.

In Wolfsburg hat er seinen Platz noch nicht so richtig gefunden. Auf der Zehnerposition setzte Jonker zuletzt auf Maximilian Arnold. Für den Mann mit der Trikotnummer 10 blieb bei seinen Auftritten die Rolle als Linksaußen.

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"Für ihn ist das kein Problem", betont Jonker, wenngleich er um die Lieblingsposition seines Schützlings wisse: "Wir haben ausgiebig darüber gesprochen. Er versteht seine Rolle, wenn er von links spielt." Sowieso stehe seine Entscheidung: "Jeder Trainer ist in der Lage, Spieler auf die Position zu stellen, auf der sie am liebsten spielen. Aber wenn ich alle persönlichen Wünsche erfüllen muss, dann geht's nicht. So spielen manche Spieler auf Positionen, wo es für die Mannschaft am besten ist, der individuelle Spieler muss sich anpassen."

Neben der ungewohnten Position kommt die Ausrichtung des Wolfsburger Spiels Malli (noch) nicht entgegen. Trotz der prominenten Rückennummer ist der Deutsch-Türke nicht der große Star in der Mannschaft, der er noch in Mainz war. Von wegen Freie Radikale und so. Er ist nicht Wasserträger, aber eben einer von vielen.

Anderes Aufgabenfeld, "nicht die beste" Körpersprache

Bei den Wölfen muss er spürbar mehr Defensivaufgaben erledigen, auf dem Flügel weitere Wege gehen und häufiger den Pass spielen, anstatt selbst zum Abschluss zu kommen. Das Spiel ist deutlicher auf einen Zielspieler ausgerichtet. Und der heißt nicht Malli, sondern Mario Gomez.

Darüber hinaus kommt speziell in einer Halbserie, in der es bei den Niedersachsen alles andere als gut läuft und plötzlich Abstiegskampf auf der Tagesordnung steht, auch Mallis Körpersprache als Schwierigkeit hinzu. Diese bezeichnete er in der Sport Bild nämlich selbst als "nicht die beste. Ich bin nicht der Typ, der auf oder neben dem Platz rumschreit. Mir wurde oft vorgeworfen, dass ich auf dem Platz lustlos wirke. Aber das ist meine Art. Ich glaube, so etwas zu ändern, ist sehr schwer."

Schwierige Eingewöhnungszeit

Das große Wort Eingewöhnungszeit steht dick über den ersten Monaten von Malli im grün-weißen Trikot.

Doch womöglich war die komplette Nichtberücksichtigung gegen Freiburg und die Nichtnominierung für die Startelf gegen Ingolstadt der Tritt in den Hintern, den er gebraucht hat.

Denn der Auftritt nach seiner Einwechslung war vielversprechend. Er belebte das Offensivspiel, hatte nach wenigen Momenten bereits eine gute Chance zum 2:0, als er konsequent den Laufweg in den Fünfer durchging und den schwierig zu nehmenden Ball knapp über das Tor setzte. Später machte er es bei seinem Treffer besser. Zudem gewann er 60 Prozent seiner Zweikämpfe und legte einen weiteren Torschuss auf.

In den kommenden Wochen will er wieder aktiv auf dem Platz mithelfen, mit seinem neuen Team die Klasse zu halten. Wenngleich er mit einem Auge auch noch auf die alte Heimat schaut: "Am besten wäre es, wenn wir und Mainz drinbleiben würden."

Yunus Malli im Steckbrief