Die Ein-Mann-Büffelherde verdreht Dino-Köpfe

Kyriakos Papadopoulos feiert einen wichtigen Sieg des Hamburger SV mit seinen Teamkollegen
© getty

Kyriakos Papadopoulos war der Garant für den wichtigen Sieg des Hamburger SV gegen seinen Stammverein Bayer Leverkusen - und das nicht nur wegen seines entscheidenden Tores. Beim Bundesligadino sind alle angetan von der Einstellung und der Spielweise des Griechen. Doch kommt die Euphorie verfrüht? Für seine Leistung in der Partie gegen die Werkself bekam Papadopoulos die Note 2.

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Ein Tor gegen den Ex-Verein. Eine delikate Angelegenheit. Die meisten Fußballer drehen ab, laufen schnell zurück in die eigene Hälfte, mit leicht gesenktem Kopf, nicht einmal mit hochgerissenen Armen. Aus Respekt vor der Vergangenheit.

Nicht so Kyriakos Papadopoulos im Moment seines Führungstores für den Hamburger SV gegen Bayer Leverkusen. Eben hat sich der Verteidiger von seinem Bewacher Charles Aranguiz gelöst und eine Flanke von Nicolai Müller mit seinem Quadratschädel ins linke Eck gewuchtet. Im Stile eines echten Neuners. Passenderweise, schließlich trägt der bullige Verteidiger auch die Nummer 9.

Jetzt brechen im Hamburger Volksparkstadion alle Dämme. Papadopoulos sprintet zur Eckfahne, klopft sich auf seine Brust mit dem HSV-Logo und rutscht auf den Knien in Richtung Publikum.

Ein episches Bild: der Torschütze vor der jubelnden Masse, neben seinem Kopf die wehende Eckfahne mit der Raute. Sie soll auch weiter in der Bundesliga wehen. Und Papa soll eine tragende Rolle für dieses erneut schwierige Vorhaben spielen. Zumindest sehen das beim HSV alle so.

"Diese Mentalität brauchen wir"

Teamkollegen und Verantwortliche kamen nach der starken Leistung des Matchwinners gegen die Werkself aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: "In Sachen Herz und Mentalität ist er jemand, der all das abliefert, was ich mir wünsche", lobte Markus Gisdol seinen Winterneuzugang: "Er ist vorausgegangen und hat alle mit seiner Art mitgezogen. Genau diese Mentalität brauchen wir."

Genau diese von Gisdol angesprochene Mentalität war am Freitagabend gelebter Abstiegskampf. Nicht elegant. Nicht in Schönheit sterbend. Nicht klein-klein. Sondern auf die Zwölf. Im Stile einer häufig im Zusammenhang mit Lucio zitierten Ein-Mann-Büffelherde.

Papadopoulos schreckte nicht zurück und setzte seinen bulligen Körper gewinnbringend ein. Er gewann 73,3 Prozent seiner Zweikämpfe - der beste Wert aller 22 Startelf-Akteure. In der Luft setzte er sich sogar in acht von neun Duellen durch.

Die falscheste Neun

Seine Kopfballstärke nutzte er sowohl defensiv als auch offensiv bei Standardsituationen. Als der Transfer des Griechen bekannt gegeben wurde, machte sich unter anderem Teamkollege Lewis Holtby noch darüber lustig, dass der Innenverteidiger die Rückennummer 9 wählte.

In Zeiten des Kunstbegriffes "falsche Neun" könnte man Papadopoulos als die "falscheste Neun" bezeichnen, schließlich ist er Abwehrspieler. Aber gegen Leverkusen gab er vier Torschüsse ab - ebenfalls Bestwert aller Akteure auf dem Rasen. Zum Vergleich: Hamburgs Angreifer Bobby Wood schoss einmal aufs Tor, Leverkusens Stürmer Kießling (dreimal), Mehmedi (gar nicht) und Volland (einmal) waren auch nicht torgefährlicher.

Und die Kirsche auf der Sahne war schließlich der Kopfball, der zum 1:0-Sieg im Netz landete. Ein Tor des Willens.

Gefährliche Euphorie

Die anschließende euphorische Stimmung im Hamburger Volkspark wirkte beinahe gefährlich. Angesichts der weiterhin prekären Tabellensituation warnte der Matchwinner: "Wir haben damit nichts geschafft. Ein Schritt allein reicht nicht. Wir müssen sofort nach vorne blicken und hart arbeiten."

Nicht nur auf dem Platz, sondern auch von seiner Wortwahl hat der 24-Jährige den Abstiegskampf verinnerlicht. Dabei gab er bei Sky zu: "Für mich ist das hier sicher etwas Neues. Ich habe bislang immer auf einem Champions-League-Platz gespielt. Doch mir macht es hier sehr viel Freude."

Zeug zum Publikumsliebling

Keine Frage, auch in Hamburg hat Papadopoulos das Zeug zum Publikumsliebling. Das hatte er mit seiner kämpferischen Art bereits auf Schalke. Bereits in Leverkusen.

Und nicht nur in die Herzen der Fans spielte sich der Grieche schnell: "Ich kenne ihn ja erst zwei Wochen, sonst habe ich immer gegen ihn gespielt. Doch so einen Typen mit einer positiv verrückten Art im Team zu haben, macht einfach nur Spaß und tut uns gut", schwärmte etwa Rene Adler.

Kaum hat Papadopoulos drei Spiele absolviert, nimmt die Diskussion um seine Zukunft bereits Fahrt auf. Denn: Er spielt nur auf Leihbasis bis Saisonende in der Hansestadt. Sein Stammverein ist Bayer Leverkusen, bei dem er einen Vertrag bis 2020 hat.

In Stellung

Doch bereits jetzt bringen sich die Parteien in Stellung. "Hamburg ist ein toller Verein mit super Fans. Also warum nicht? Wenn ich am Ende hierbleiben will und der Verein die Ablöse zahlen kann, wird man sehen, was passiert", zeigte sich der Abwehrmann selbst einem Verbleib beim HSV gegenüber offen.

Hamburgs Sportchef Jens Todt äußerte sich zwar defensiv, aber nicht abgeneigt: "Kyriakos ist ein interessanter Spieler. Wir müssen die Machbarkeit prüfen, wenn wir die Klasse erhalten haben."

Die besonnene, erst einmal abwartende Art ist in dieser Personalie vonnöten. Gerade bei einem Verein wie dem HSV, der in den letzten Jahren nicht jede Millionen goldrichtig investiert hat.

Kaufoption über 12 Millionen Euro

Bei Papadopoulos' vorheriger Leihe zu RB Leipzig vereinbarte Leverkusen eine Kaufoption in Höhe von 12 Millionen Euro. Viel billiger dürfte auch der Hamburger SV im Fall der Fälle nicht wegkommen.

In der Euphorie der Matchwinner-Leistung der Nummer 9 gegen Leverkusen könnte man sich dazu hinreißen lassen zu sagen: Das ist doch ein Schnäppchen!

Doch es waren bislang auch erst drei Spiele. Zuversicht ist erlaubt, Euphorie verfrüht. Zumal die Krankenakte der letzten Jahre zumindest eine Beobachtung der Entwicklungen nahelegt.

Seit seiner ersten Knie-OP im November 2012 machte Papadopoulos gerade einmal 38 Bundesligaspiele. Alleine 2016 hatte er mit einer Kapselverletzung, einem Sehnenanriss, Knieproblemen und einer weiteren Knie-OP zu kämpfen. Bei seinem Leihgeschäft nach Leipzig kam er gerade einmal auf einen Ligaeinsatz mit gerade einmal 27 Minuten. Über dem Zustand des Knies steht nach wie vor ein dickes Fragezeichen.

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Doch erst einmal will der HSV im abstiegskampfeigenen Spiel-zu-Spiel-Sprech ohnehin nicht allzu fern in die Zukunft blicken. Und in der Gegenwart sind die Rothosen glücklich, eine griechische Bullenherde in ihren Reihen zu wissen, der es egal ist, gegen wen es geht: "Ich bin immer motiviert, gebe immer 100 Prozent, da ist es egal, ob es gegen meinen Ex-Verein geht oder nicht."

Da trifft es sich gut, dass die Ein-Mann-Bullenherde mit dem Ligadino am kommenden Wochenende gegen die Roten Bullen antritt. Gegen einen weiteren Ex-Klub.

Kyriakos Papadopoulos im Steckbrief