Florian Kohfeldts Serie mit Werder Bremen: Der Korkut von der Weser

Florian Kohfeldt hat Werder Bremen aus der Abstiegszone geführt.
© getty

Florian Kohfeldt hat Werder Bremen aus der Abstiegszone geführt. Der junge Trainer wird an der Weser als Retter bejubelt, lässt offensiven Fußball spielen und findet derzeit immer die richtige Kombination. Seine größte Herausforderung erwartet ihn allerdings wohl erst nach der WM.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Erstaunt blickt der deutsche Fußballfan nach Stuttgart und reibt sich die Augen: Der vor wenigen Wochen noch abstiegsbedrohte VfB klopft nach dem Sieg am 27. Spieltag gegen Freiburg sogar an der Tür zur Europa League - Tayfun Korkut, anfangs noch von nahezu der gesamten Fangemeinde abgelehnt, ist plötzlich der Heilsbringer.

Hinter dem Wunder im Schwabenländle geht ein bisschen unter, dass Florian Kohfeldt im Norden der Republik Ähnliches vollbracht hat. Als er nach dem zehnten Spieltag übernahm, stand Werder ohne Sieg und mit gerade einmal drei Treffern auf Platz 17 da. Jetzt, nach dem fünften Erfolg in den letzten sieben Spielen, sind es schon acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Stuttgart ist übrigens nur vier Zähler weg.

Der Unterschied: Der Bundesliga-erfahrene Korkut setzte von Beginn an auf pragmatischen Ergebnisfußball. Hinten dicht, vorne hauen Gomez oder Ginczek schon einen rein. Kohfeldt dagegen, frisch von der U23 aufgestiegen, korrigierte erst einmal die Journalisten, die ihm ein zweites "L" in den Nachnahmen dichteten. Und predigte dann trotz der prekären Tabellensituation Offensivfußball. Mitspielen, Ballbesitz, Angriffslust.

Kohfeldt mit Bremer Leistung gegen Augsburg zufrieden

Viereinhalb Monate später zeigt seine Mannschaft, dass es diese Anweisungen verstanden hat. Zehn Punkte holte Werder aus den letzten vier Spielen, und wusste dabei spielerisch größtenteils zu überzeugen.

Nach der ersten Hälfte gegen Augsburg gab es deshalb vom Übungsleiter nichts zu kritisieren. Werder hatte je nach Situation gepresst, war sicher gestanden oder hatte blitzschnell umgeschaltet. Das Ergebnis waren klare Torchancen, von denen Ishak Belfodil zwei in Tore ummünzen konnte. "Ich bin natürlich grundsätzlich mit der Art und Weise wie wir gespielt haben sehr einverstanden. Die erste Halbzeit war vielleicht sogar die beste der letzten Wochen", konstatierte Kohfeldt.

Er hatte seine Startelf mal wieder umgekrempelt, wie so oft in den letzten Wochen. Je nach Taktik und Gegner kommen gerade in der Offensive unterschiedliche Akteure zum Zug, die sich zeigen dürfen. Mal war es Florian Kainz, gegen den 1. FC Köln Milot Rashica, gegen Augsburg dann Belfodi, der mit drei Scorerpunkten sein wohl bestes Spiel im Werder-Dress machte. "Mann des Spiels", brachte es Max Kruse auf den Punkt.

Wieder standen gegen Augsburg die Außenverteidiger sehr hoch, Kainz und Belfodil kamen immer wieder in die Mitte, um mit Kruse zu kombinieren. Der FCA hatte darauf keine Antwort - "die haben fünf Spieler in der Offensive, die ständig kreuz und quer laufen", stellte Philipp Max fest - und versagte überdies in den Zweikämpfen. Ein Wackler gegen Hinteregger genügte Belfodil für den ersten Treffer, beim zweiten Tor konnte er unbewacht vom linken Flügel in die Mitte ziehen. "Ich gebe immer mein Bestes und bin heute sehr glücklich", erklärte der Doppelpacker.

Bremen unter Kohfeldt: Rotation und Punkte

Was nicht heißt, dass Belfodil am 1. April gegen Eintracht Frankfurt wieder in der Startelf stehen wird. Kohfeldt, der ihn nach den Spiel mit den Worten "Er hat den Körper eines Mittelstürmers, aber die Schnelligkeit eines Flügelstürmers" lobte, hat plötzlich einige Optionen - und er hat es geschafft, dass auch die Spieler mitziehen, die draußen sitzen. Wie der abwanderungswillige Kapitän Zlatko Junuzovic. "Zwischen uns ist alles gut", betonte der 30-Jährige, der nach dem Anschlusstreffer ins Spiel gekommen war. "Wenn ich auf dem Platz bin, gebe ich alles für den Verein, egal, von welcher Minute an."

Kohfeldt selbst gab sich nach Spielende Mühe, die Euphorie zu dämpfen, auch wenn es jetzt schon ein ordentliches Polster auf die Abstiegszone ist: "Ich warne vor Selbstzufriedenheit", sagte er, "wir brauchen noch Punkte."

Die Euphorie um seine eigene Person wird derweil erst einmal nicht kleiner werden. Die "Kohfeldt-Tabelle" stellt ihm schließlich ein außerordentlich gutes Zeugnis aus: Nimmt man nur die Punkte ab dem 11. Spieltag, steht Werder mit 28 Punkten aus 17 Partien auf Platz 5.

"Kohfeldt-Tabelle"
TeamSpieleBilanz (S-U-V)TorePunkte
Bayern München1614-1-141:1143
Schalke 04179-5-328:2032
Eintracht Frankfurt179-3-527:2030
Bayer Leverkusen168-5-325:1829
Werder Bremen178-4-527:2028
Borussia Dortmund166-7-326:2225
VfB Sututtgart177-3-716:1924

Mehr noch: 1,65 Punkte pro Bundesligaspiel sind die beste Bilanz eines Werdertrainers seit Thomas Schaaf (1,62).

Hat Kohfeldt also gar die Möglichkeiten, in die Fußstapfen der Werder-Legende Schaaf zu treten? Natürlich ist es viel zu früh, daran zu denken - und niemand weiß, ob der 35-Jährige das überhaupt wollen würde. "Das wünsche ich ihm nicht. Bloß nicht", sagte der langjährige Kommentator Marcel Reif vor dem Spiel dem Weser-Kurier. "Er ist intelligent und weiß hoffentlich, wann es gut ist; wann man alles gesagt hat. Tauscht man nicht die Mannschaft permanent aus, muss der Trainer nach drei oder vier Jahren wechseln."

Dazu kommt, dass, sollte am Klassenerhalt nicht mehr gerüttelt werden, Kohfeldt im Herbst erst einmal die chronische Hinrundenschwäche an der Weser überwinden müsste. Vorgänger Alexander Nouri übernahm seinerseits im Oktober 2016 und landete in der Rückrundentabelle mit 29 Punkten auf Rang vier. Es folgte der Absturz nach der Sommerpause.

Artikel und Videos zum Thema