Milos Jojic vom 1. FC Köln im Interview: "Beim BVB habe ich keine Sekunde gezögert"

Milos Jojic spielte anderthalb Jahre für Borussia Dortmund.
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Milos Jojic ist beim 1. FC Köln nach Startschwierigkeiten mittlerweile Stammspieler und Leistungsträger. Im Interview spricht der Serbe über seinen Werdegang, Anpassungsprobleme in Deutschland und die größten Erfolge seiner Karriere.

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Darüber hinaus erklärt Jojic, warum Novak Djokovic für seine Ernährungsumstellung verantwortlich ist und wie er die Chancen des Effzeh im Kampf gegen den Abstieg einordnet.

SPOX: Herr Jojic, Sie sind ein Bücherwurm. Wie ist Ihre Leidenschaft fürs Lesen entstanden?

Milos Jojic: Als ich in der Schule war, hat mich das nicht so interessiert, obwohl meine Mutter extrem viel liest und versucht hat, es mir nahe zu legen. Ich habe erst damit angefangen, als ich nach Dortmund gewechselt bin. Dort war ich häufig alleine und hatte viel Zeit. Von da an habe ich die Bücher nur so verschlungen, weil es mir mehr Spaß macht zu lesen als fernzusehen. Ich habe mit Romanen angefangen, mich dann viel mit der serbischen Geschichte befasst und in letzter Zeit lese ich fast nur noch aus dem Bereich Psychologie.

SPOX: Wie haben Sie die Faszination dafür entwickelt?

Jojic: Ich fand das Thema von Anfang an spannend. Ich habe mich mit verschiedenen Ansätzen beschäftigt. Die helfen mir enorm weiter, im Privatleben wie im Sport. Diese Bücher sind eine unheimlich große Hilfe für mich, vor allem in Phasen, in denen es nicht läuft.

SPOX: Sie haben zudem neben der Karriere schon früh ein Sportmanagement-Studium begonnen. Warum?

Jojic: Meine Eltern haben Wert daraufgelegt, dass ich mich nicht nur auf den Fußball konzentriere, sondern auch etwas für meinen Kopf tue und die Schule nicht vernachlässige. Wir Fußballer haben genug Zeit, um parallel andere Dinge zu machen. Also habe ich mich schon in meiner Zeit bei Partizan für die Sport-Universität entschieden. Nach meinem Wechsel zum BVB hat mir die Uni ermöglicht, das Studium in Deutschland fortzusetzen. Ich musste nur für die Prüfungen nach Serbien reisen. Aus der Ferne war es natürlich ein bisschen schwieriger, aber ich habe es durchgezogen und vor einem halben Jahr den Abschluss gemacht.

SPOX: Sie sind in der Nähe von Belgrad aufgewachsen und bereits mit elf Jahren zu Partizan gewechselt. Wie kam es dazu?

Jojic: Ich habe als Fünfjähriger in einem kleinen Verein namens Jedinstvo Stara Pasova angefangen, Fußball zu spielen. Dort habe ich schon immer in den älteren Jahrgängen gekickt, weil ich besser war als die Gleichaltrigen. Bei einem Spiel hat ein Jugendtrainer von Partizan zugeschaut. Ihm hat meine Leistung gefallen, also hat er mich zum Training eingeladen. Das war im April. Nach einem halben Jahr Probetraining habe ich einen Spielerpass bekommen.

SPOX: Wie sehr hat es Ihre Jugend beeinflusst, schon so früh bei einem der größten serbischen Vereine zu spielen?

Jojic: Ich war noch ein Kind, da nimmt man das alles noch nicht so ernst. Aber der Fußball hat im Laufe der Jahre einen immer größeren Raum in meinem Leben eingenommen. Das Training wurde mehr, dazu kamen die U-Nationalmannschaften. Ich habe in allen Altersstufen für Serbien gespielt. Erst in diesen Jahren wurde mir bewusst, was ich geschafft habe. Jedes Kind in Serbien möchte für Partizan oder Roter Stern spielen.

SPOX: Zwischen 2010 und 2012 waren Sie für zwei Jahre an Teleoptik Zemun ausgeliehen und haben dort erste Erfahrungen im Erwachsenenbereich gemacht.

Jojic: Das war bei jungen Spielern üblich. Teleoptik Zemun ist der Ausbildungsverein von Partizan. So konnte ich weiter im gleichen Trainingszentrum arbeiten, mit einer Infrastruktur auf dem gleichen, hohen Niveau. Der einzige Unterschied war, dass wir in der zweiten Liga gespielt haben. Wir waren damals richtig gut und nach der Hinrunde sogar Erster. Für meine persönliche Entwicklung war das genau der richtige Schritt.

SPOX: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren ersten Erstliga-Einsatz nach Ihrer Rückkehr zu Partizan?

Jojic: Wir haben zu Hause gegen Hajduk Kula gespielt. Ich bin nach einer guten halben Stunde eingewechselt worden und in der 43. Minute habe ich direkt mein erstes Tor geschossen. Traumdebüt, oder? (grinst)

SPOX: Mit Debüts kennen Sie sich ja aus. Auch in der Nationalmannschaft und beim BVB haben Sie in Ihrem ersten Spiel sehr schnell getroffen.

Jojic: Ich bin ein optimistischer Typ und konzentriere mich zu 100 Prozent auf eine neue Aufgabe. Ich habe mir mein erstes Tor vorher immer wieder vorgestellt. Dass es so schnell passiert ist, hätte ich natürlich nicht gedacht.

SPOX: War das der schönste Treffer Ihrer Karriere?

Jojic: Ich treffe nicht so oft, aber wenn, dann waren es meistens schöne Tore. Ich erinnere mich an einen sehenswerten Lupfer mit Köln gegen den BVB. Und besonders in den zwei Jahren bei Teleoptik waren einige spektakuläre Dinger dabei. Wenn ich mir das Highlightvideo aus dieser Zeit ansehe, kann ich manchmal gar nicht glauben, dass ich das bin. Aber das wichtigste war natürlich das Siegtor für Partizan im Derby gegen Roter Stern.

SPOX: ... am 28. Mai 2013.

Jojic: Es stand 0:0 in der 90. Minute und ich habe einen Freistoß zum 1:0-Sieg und damit zur Vorentscheidung im Titelkampf verwandelt. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich das gemacht habe, aber irgendwie ist er reingeflogen. Für den Verein hatte das einen riesigen Stellenwert. Roter Stern stand damals bei 26 Meisterschaften, Partizan bei 25 und wir haben damit ausgeglichen. Die Fans reden heute immer noch von diesem Tor.

SPOX: Richtig eskaliert ist die Stimmung dann zwei Spiele später, als Sie die Meisterschaft am letzten Spieltag endgültig perfekt gemacht haben.

Jojic: Als der Schiedsrichter das Spiel gegen Spartak Zlatibor Voda abpfiff, sind die Zäune gebrochen und alle Fans sind auf den Platz gestürmt, um mit uns zu feiern. Sie haben uns die Trikots vom Leib gerissen, ich stand am Ende nur noch in Unterhose da. Das war volle Ekstase.

SPOX: Haben diese Wochen Ihren Status im Verein und in der Stadt verändert?

Jojic: Sehr sogar. Vorher war ich kein Stammspieler und saß häufig auf der Bank. Diese Spiele waren mein Durchbruch. In der Stadt haben mich die Leute häufiger erkannt und sich nach mir umgedreht. Aber in Serbien sind die Leute anders, zurückhaltender. Sie nicken einem zu, aber sie kommen eigentlich nie auf dich zu und bitten dich um ein Autogramm oder ein Foto.

SPOX: Passiert Ihnen das in Deutschland oft?

Jojic: Das ist der Normalfall. In Dortmund war das ganz extrem. Hier in Köln kommt es auch vor, aber seltener.