Der zu alte Prototyp

Von Sebastian Schuch
Kevin Kampl spielte bereits für Leipzigs Schwesterklub RB Salzburg
© getty

Kevin Kampl wechselte am letzten Tag der Sommertransferperiode von Bayer Leverkusen zu RB Leipzig. Als neuer Rekordtransfer des Vizemeisters und weil RasenBallsport für ihn die selbstauferlegten Prinzipien über Bord warf, steht er unter besonderer Beobachtung. Dabei könnte er sich als ideale Verstärkung entpuppen.

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"Ich werde Leverkusen auf jeden Fall verlassen, das ist Fakt", sagte Kampl bereits Ende Juli gegenüber dem kicker und machte klar, dass er mit 26 Jahren den nächsten Schritt in seiner Karriere gehen wollte. Nach einer schwachen Saison in der Bundesliga verpasste Bayer den internationalen Wettbewerb. Zu wenig für Kampl.

Dass in der Folge lange alles auf einen Wechsel nach China zu Bejing Guoang hindeutete, passte da auf den ersten Blick nicht wirklich ins Bild. Auf den zweiten allerdings schon. Mit Roger Schmidt ist mittlerweile ein langjähriger Wegbegleiter Kampls Trainer in Peking. "Wenn ich da hingehe, dann nur wegen Roger", gestand Kampl.

Kampl, der Kampfspieler

Dreieinhalb Jahre, zwei davon in Salzburg, eineinhalb in Leverkusen, arbeiteten Kampl und Schmidt zusammen. Der Slowene war in dieser Zeit immer gesetzt.

Trotz seiner auf 1,78 m Körpergröße verteilten 67 Kilo kommt Kampls Spiel vor allem über die Intensität und Leidenschaft. Kampl ist sich für keinen Zweikampf zu schade und lief in der vergangenen Saison im Schnitt 10,5 Kilometer pro Spiel. Hinzu kommt eine gute Antizipation und fertig ist der ideale Pressingspieler.

Durch diese Eigenschaften passte er in Schmidts Power-Pressing-Fußball wie die Faust aufs Auge. Kein Wunder, dass Schmidt ihn mit nach China nehmen wollte und Kampl von dieser Idee durchaus angetan war.

Letztlich scheiterte der Wechsel ins Reich der Mitte aufgrund "unvereinbarer Differenzen". Verlassen hat Kampl die Werkself bekanntlich dennoch. Nach Leipzig. Dahin, wo er nach Meinung der RB-Verantwortlichen insgeheim schon lange hin gehörte.

Protoytpischer Red-Bull-Spieler

Bereits nach der Saison 2012/13, Kampl war ein Jahr zuvor nach Salzburg gewechselt, waren sich im Bullen-Universum alle einig, dass er einer der ersten Spieler sein sollte, die künftig für Leipzig auflaufen. Sechs Tore und 14 Vorlagen machten Lust auf mehr.

Insgesamt sammelte Kampl in seinen ersten zweieinhalb Jahren bei Red Bull 83 Scorerpunkte in 109 Partien und konnte den typischen RB-Fußball bis ins Mark verinnerlichen. Zur Saison 2015/16 war dann eigentlich der Wechsel nach Leipzig angedacht, wenn RasenBallsport in die Bundesliga aufgestiegen wäre.

Allerdings war schon zur Winterpause absehbar, dass Leipzig dieses Ziel verpassen würde und Kampl entschied sich für den Dortmunder Pressing-Fußball unter Jürgen Klopp, ein halbes später für Förderer Schmidt und Jugendklub Bayer Leverkusen und vor Wochenfrist, mit zweieinhalb Jahren Verspätung, für Leipzig.

RB wirft für Kampl Prinzipien über Bord

Doch Kampls Wechsel zum Vizemeister ist mehr, viel mehr, als einfach nur die Rückkehr des "verlorenen Sohnes". Zum einen ist er mit einer Ablöse von 20 Millionen Euro neuer Rekordtransfer der Leipziger, zum anderen warfen Ralf Rangnick und Ralph Hasenhüttl die selbstauferlegten Prinzipien über Bord.

Ursprünglich sollte kein Spieler, der älter als 24 Jahre ist, verpflichtet werden, um so Talente weiter zu fördern. "Es wäre völlig unlogisch, wenn wir jetzt, wo wir diese Sensation vollbracht haben, unseren Weg verlassen würden. Wir werden weiterhin keinen Spieler holen, der älter als 24 Jahre ist", sagte Rangnick noch im Mai.

Mit 26 Jahren passt Kampl nicht wirklich ins Beuteschema, das einst noch einen Transfer von Jamie Vardy verhinderte. Deshalb sah sich Rangnick bei der Präsentation des Rekord-Neuzugangs auch zu einer Erklärung gezwungen: "Zwar ist Kevin ein wenig älter als alle anderen Neuzugänge - allerdings kennt er unsere Spielphilosophie schon sehr gut und wird nur wenig Anlaufzeit benötigen."

Kampl bringt internationale Erfahrung nach Leipzig

Mit einem Durchschnittsalter von 24,2 Jahren stellt RB Leipzig den jüngsten Kader der Bundesliga und ist vor allem international gesehen äußerst grün hinter den Ohren. Zwar finden sich aktuell zwölf A-Nationalspieler im Kader, doch auf Klubebene durften sich nur wenige im internationalen Vergleich beweisen.

Genau hier kommt Kampl ins Spiel. Mit 40 Europacupspielen hat der Slowene mehr Einsätze auf dem Buckel als jeder andere Spieler im Kader. Zudem ist Kampl der Einzige, der in zwei Saisons in Folge in der Champions-League-Gruppenphase auflief.

Neben der Erfahrung soll auch Kampls Polyvalenz in Leipzig zum Tragen kommen. Der 26-Jährige kann im Mittelfeld nahezu ohne Leistungseinbußen auf jeder Position eingesetzt werden und wäre auch als Option auf der offensiven Außenbahn denkbar. Einen derart vielseitigen Spieler hatte Hasenhüttl bislang nicht zur Verfügung.

In Dortmund und Leverkusen war die fehlende Position noch Fluch und Segen. Zwar war Kampl ein wichtiger Spieler, durch den häufigen Wechsel zwischen Zentrale und Außenbahn entstand allerdings der Eindruck, er sei entbehrlich.

Wie passt Kampl ins RB-System?

Deshalb stellt sich die Frage, wie Kampl in das System der Leipziger passt? Auf den offensiven Außen beanspruchen Emil Forsberg und Marcel Sabitzer die Positionen für sich, mit Bruma steht zudem ein guter Backup-Spieler parat. Naby Keita ist zentral gesetzt und nach der starken Vorsaison stellen auch Diego Demme und Stefan Ilsanker Ansprüche auf einen Stammplatz.

Ist also gar kein Platz für Kampl? Auch hier täuscht der erste Blick. Im Gegensatz zum Schmidtschen System benötigt die Spielidee Hasenhüttls nicht zwingend einen defensiv denkenden Mittelfeldspieler. Vor allem nicht, wenn die Zentrale von zwei bei RB ausgebildeten Spielern besetzt wird.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es durchaus vorstellbar, dass Kampl und Keita gemeinsam in der Zentrale spielen. Obwohl sie ähnliche Spielertypen sind. Oder genau, weil sie ähnliche Spielertypen sind.

Kampl: Keitas "Erbe"

Vor allem wenn Leipzig als Favorit in die Partie geht, dürfte wohl Kampl neben Keita auflaufen. Geht es gegen Bayern, Dortmund oder später vielleicht Madrid oder Barcelona sind dagegen defensivere Qualitäten gefragt. Dann könnten Ilsanker oder Demme den Vorzug erhalten.

Der Verlierer des Kampl-Transfers ist zunächst wohl Konrad Laimer. Der 20-Jährige benötigt noch etwas Zeit, um sich an das Niveau der Bundesliga zu gewöhnen. Hinter Keita und Kampl hat er nun ein Jahr Zeit sich zu entwickeln.

Gleichzeitig hat Hasenhüttl die Möglichkeit, die Mannschaft auf die Zeit nach Naby Keita vorzubereiten, ohne, dass sein Nachfolger in einem Jahr erst integriert werden muss. Keita wechselt im kommenden Sommer nach Liverpool, mit Kampl steht der Eins-zu-eins-Ersatz bereits parat.

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