Den HSV eines Besseren belehren

Michael Gregoritsch erzielte für den FC Augsburg das entscheidende 1:0 gegen RB Leipzig
© getty

Im Sommer wunderte sich Michael Gregoritsch, dass ihn der Hamburger SV verkaufen wollte, nun ist er mit dem FC Augsburg Tabellenfünfter. Beim Sieg gegen RB Leipzig erzielte der 23-jährige Österreicher das entscheidende Tor - und wurde dann zur Halbzeit ausgewechselt.

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Wenn der Spieler Michael Gregoritsch in der sommerlichen Transferperiode auch Manager des Hamburger SV gewesen wäre, dann wäre er an diesem Dienstagabend mit seinen HSV-Kollegen im Mannschafthotel gesessen. Er hätte sich die Ansprache von Trainer Markus Gisdol angehört und sich mental auf das anstehende Spiel bei Borussia Dortmund vorbereitet.

"Ich hätte mich an Stelle des HSV nicht abgegeben", erklärte Gregoritsch jedenfalls, nachdem er vom HSV für 5,5 Millionen Euro an Augsburg abgegeben worden war. Warum Gregoritsch das denkt, schilderte er dann auch noch ausführlich: "Ich bin ein junger Spieler, spreche Deutsch, habe zwei Jahre in Folge gute Scorer-Statistiken gehabt und 55 Spiele gemacht. Ich habe mich in Hamburg wohlgefühlt und hatte ein super Verhältnis zu den Fans." Ein Bewerbungsschreiben für einen Verbleib, wobei es sich bei der Sprache eher um Steirisch handelt.

Gregoritsch war damals aber bekanntlich nicht der HSV-Manager und deshalb ist er jetzt Spieler des FC Augsburg und spielte als solcher an eben jenem Dienstagabend in der Augsburger WWK Arena gegen RB Leipzig. Er spielte das Spiel aber nicht nur, er entschied es. In der 4. Minute schoss Gregoritsch das siegbringende 1:0. "Das erwarten wir von ihm", sagte sein Trainer Manuel Baum danach. "Super Ballannahme, super Ballmitnahme." Baum nickte zufrieden.

Gregoritsch: "Drei Chancen, alle drei durch mich"

Nach dem Sieg gegen Leipzig durfte Baum erstmals in dieser Bundesliga-Saison restlos zufrieden sein mit Gregoritsch. In der Vorbereitung traf er noch fleißig, doch in den ersten drei Bundesligaspielen und beim Aus im DFB-Pokal beim 1. FC Magdeburg enttäuschte er eher und wurde jeweils torlos ausgewechselt. Zuletzt beim Sieg bei Eintracht Frankfurt saß Gregoritsch dann 90 Minuten lang nur auf der Bank.

"Ich hatte eine große Fresse vor der Saison und das ist mir ein bisschen auf den Kopf gefallen, weil ich nicht so gut gespielt habe", sagte Gregoritsch, nachdem er gegen Leipzig in die Startelf zurückgekehrt war und dann sehr gut gespielt hatte. Nun zeigte er keine große Fresse, sondern ausschließlich eine glückliche. Sein rechter Mundwinkel grinste sogar so sehr, dass er fast sein rechtes Ohr berührte.

"Mir ist ein riesiger Rucksack runtergefallen", sagte Gregoritsch über seinen Treffer. Das war schon bei seinem Torjubel knapp zwei Stunden zuvor deutlich erkennbar: Gregoritsch hörte da gar nicht mehr damit auf, seine Fäuste vor der Brust zu ballen. Gleichzeitig schrie er die Freude so laut er konnte aus sich heraus.

Es war aber nicht nur der Treffer, den Gregoritsch beisteuerte. Als Augsburg Leipzig zu Beginn des Spiels überrannte, war Gregoritsch der auffälligste Spieler. Hinter den beiden Spitzen Alfred Finnbogason und Caiuby sorgte er für die entscheidenden Impulse. "Wir hatten in der Anfangsphase drei Chancen, alle drei durch mich", sagte Gregoritsch und grinste wieder. Die Zufriedenheit mit seiner eigenen Leistung war in aller Fülle zu spüren.

Gregoritsch: "Ich mache das 1:0, wir gewinnen 1:0"

Die dritte und letzte dieser drei Chancen trug sich aber bereits in der 13. Minute zu. Als Leipzig dann besser ins Spiel fand, wuchs in Trainer Baum das Verlangen nach einer taktischen Umstellung. "Wir hatten ab der 15. Minute keinen Zugriff mehr", sagte Baum. Um das zu ändern, wechselte er Gregoritsch zur Halbzeit aus und brachte den etwas defensiveren Ja-Cheol Koo.

Gregoritsch hatte mit dieser Maßnahme überhaupt kein Problem. Es war aber ohnehin egal, worüber Gregoritsch nach dem Spiel sprach, er grinste sowieso. Auch angesprochen auf diese durchaus überraschende Auswechslung. "Wer weiß, wie lange das mit mir noch gut gegangen wäre?", fragte Gregoritsch, offenbar ein Freund des hypothetischen Spekulierens. "Ich mache das 1:0, wir gewinnen 1:0", sagte er, "und dann reichen doch 45 Minuten, oder nicht?" In der Tat: Sie reichten. Nicht nur zum Sieg, sondern auch zum zwischenzeitlichen Sprung auf den dritten Tabellenplatz.

Gregoritsch: "Weltklasse und eigentlich eine Sensation"

"Geil", analysiert Gregoritsch und erklärte die Auswirkungen des Augsburger Erfolgslaufs auf den mannschaftsinternen Trainingsplan: "Wir müssen jetzt nicht mehr so oft in den Kraftraum gehen, weil wir auch so schon eine riesige Brust haben." Trainer Baum kündigte derweil an, auf seinem Handy einen Screenshot von der Tabelle zu machen.

Gregoritsch genoss einfach den Moment. "Ich bin kein Freund davon zu sagen: 'Am Ende zählt es'", sagte er. "Es macht einfach Spaß, auf die Tabelle zu schauen, wenn man nicht 18. ist, sondern Dritter." Den dritten Platz büßte Augsburg am Mittwoch zwar noch ein, die Punktanzahl blieb aber naturgemäß gleich. "Ein Viertel der Punkte, die wir erreichen wollen, haben wir jetzt", sagte Gregoritsch. Zehn von den 40, die den Klassenerhalt bedeuten würden. Und das nach erst fünf Spielen. "Weltklasse und eigentlich eine Sensation", fasste es Gregoritsch zusammen.

Sein Ex-Klub hätte diese Ausbeute wohl auch gerne, der HSV hält in dieser Saison erst bei sechs Punkten. "Vielleicht hatte man in Hamburg den falschen Blick auf mich", sagte Gregoritsch im Sommer. In Augsburg ist er dabei, seinen Ex-Klub eines Besseren zu belehren.

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