"Ich weiß, was 'Wann kommschn?' bedeutet"

Kerem Demirbay spielt seit Sommer 2016 bei 1899 Hoffenheim
© getty

Kerem Demirbay spielt seit Sommer für die TSG 1899 Hoffenheim - und dort seine bislang mit Abstand beste Saison. Bei den Kraichgauern ist er zu einem wichtigen Bestandteil der Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann geworden. Im Interview spricht der 23-Jährige über seine Ruhrpott-Wurzeln, einen vielbeachteten Auftritt im Designermantel und ein putziges YouTube-Video.

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SPOX: Herr Demirbay, Sie sind im hektischen und pulsierenden Ruhrpott aufgewachsen. Wie lebt es sich im beschaulichen Kraichgau?

Kerem Demirbay: Ich wohne in Mannheim, fühle mich hier in der Gegend unglaublich wohl und habe mich gut eingelebt.

SPOX: Ist es Ihnen denn nicht zu ruhig?

Demirbay: In erster Linie bin ich hier, um meinem Beruf nachzugehen und Fußball zu spielen. Wie gesagt, ich fühle mich sehr wohl hier und Städte wie Frankfurt, Stuttgart oder Heidelberg wären ja auch in unmittelbarer Nähe.

SPOX: Und wie kommen Sie mit dem badischen Dialekt zu Recht?

Demirbay: Wenn jemand schnell redet und dazu noch leicht nuschelt, tue ich mich manchmal noch etwas schwer. (lacht) Aber ansonsten klappt das schon richtig gut, ich weiß mittlerweile auch was gemeint ist, wenn ich "Wann kommschn?" gefragt werde. (lacht)

SPOX: Ihre fußballerischen Wurzeln liegen in NRW. Wie lief verliefen die ersten Jahre?

Demirbay: Ich habe als kleiner Junge nur fünf Minuten vom Stadion in Gelsenkirchen gewohnt. Dort habe ich das Kicken gelernt und erste Erfahrungen in den Jugendmannschaften gemacht. Mit 14 Jahren bin ich dann schon zur C-Jugend von Borussia Dortmund gewechselt.

SPOX: Das hört sich heikel an.

Demirbay: Wenn ein Bundesligaprofi viele Jahre für einen Klub gespielt hat und dann zum direkten Liga-Konkurrenten und Rivalen wechselt, ist das sicherlich etwas Besonderes und kommt auch nicht so oft vor. Aber in der Jugend ist das schon noch etwas anderes.

SPOX: Bei Dortmund war jedoch recht schnell wieder Schluss. Was war passiert?

Demirbay: Ich war zu dieser Zeit körperlich einfach noch nicht so weit. Ich wollte mich dort entwickeln und den nächsten Schritt machen. Doch der Sprung in die B-Jugend kurze Zeit später war einfach zu groß für mich. Mein damaliger Trainer hat mir deshalb einen Wechsel nahegelegt. Er meinte, dass Spieler wie ich einfach Spielpraxis sammeln müssen. Deshalb bin ich nach Wattenscheid gewechselt.

SPOX: Der richtige Schritt?

Demirbay: Absolut. Die Zeit hat mich geprägt und mir in meiner Entwicklung sehr geholfen. Letztlich kann man viel spekulieren, welcher Weg noch besser gewesen wäre. Fakt ist, ich bin jetzt hier bei der TSG, spiele in der Bundesliga und lebe meinen Traum. Dafür habe ich viel gearbeitet. Im Gegensatz zu anderen Menschen geht es mir unglaublich gut und ich bin dankbar, dass ich jeden Tag das machen darf, was ich liebe: Fußball spielen.

SPOX: In der A-Jugend folgte der Schritt zurück zum BVB. Dort war die Durchlässigkeit vom Jugendbereich zu den Profis unter U23-Coach David Wagner recht gut. Wieso hat es bei Ihnen nicht hingehauen?

Demirbay: Es hätte hingehauen, hätte ich das vorliegende Angebot unterschrieben. Aber ich habe mich dann am Ende dafür entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen und zum Hamburger SV zu gehen.

SPOX: Dennoch hat es zwischen Ihnen und dem HSV nie wirklich gefunkt.

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Demirbay: Ich weiß wirklich nicht, woran es letztlich gelegen hat. Ich wiederhole mich da immer wieder. Die Sache ist für mich komplett abgehakt. Ich freue mich einfach, jetzt bei der TSG zu sein und Bundesliga zu spielen. Ich denke, ich habe alles richtig gemacht.

SPOX: In diese schwierige Zeit kam zudem der Zwischenfall mit Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus. Sie sagten, Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen. Was sagen Sie mit etwas Abstand zu diesem Thema?

Demirbay: Ich habe diesen Satz aus der Emotion heraus gesagt, dafür habe ich mich entschuldigt. Auch wenn es falsch war, Fehler passieren im Leben.

SPOX: Als Strafe mussten Sie ein Mädchenspiel pfeifen. Ihr Auftreten im Designermantel schlug hohe Wellen.

Demirbay: Ich habe mich dazu schon mehrmals geäußert, dabei möchte ich es jetzt auch belassen. Wie gesagt, ich habe mich damals entschuldigt, meine Strafe zu Recht abgesessen, deshalb ist die Sache für mich jetzt auch erledigt.

SPOX: Ihr damaliger Verein Fortuna Düsseldorf ließ das Spiel absichtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Erst im Nachhinein stellte der Klub Bilder des Spiels ins Internet und brachte den Shitstorm damit ins Rollen. Hatten Sie mit einem solch heftigen Echo gerechnet?

Demiray: Nein.

SPOX: Was haben Sie daraus gelernt?

Demirbay: Dass ich das in dieser Art und Weise nicht mehr machen würde. Aber wie gesagt, jeder Mensch macht Fehler, aus denen man lernen muss.

SPOX: Im Anschluss zogen Sie sich aus den sozialen Medien zurück. Ein bewusster Schritt?

Demirbay: Ja. Ich halte generell nicht viel von Facebook, Twitter und Co. Ich habe schlichtweg gemerkt, dass mir das nicht gut tut. Mein Privatleben möchte ich für mich behalten.

SPOX: Ihr Vater ist auf Twitter hingegen sehr aktiv. Er postet gefühlt alles, was es zu Ihnen im Internet zu finden gibt. Ist es nicht toll, wenn der Vater so stolz ist?

Demirbay: Ich liebe meine Familie und die Menschen, die ich um mich habe. Sie geben mir in jeder Sekunde das Gefühl, stolz auf mich zu sein - unabhängig von Social Media. Deshalb sollte es eigentlich andersrum sein: Ich bin viel stolzer auf meine Eltern und müsste deshalb eigentlich über sie twittern. Sie haben aus mir das gemacht, was ich heute bin.

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