"Völler würde heute 32 Millionen kosten"

Von Maximilian Schmeckel
Zwei Legenden des Fußballsports: Otto Rehhagel und Rudi Völler
© getty

Rund 40 Jahre lang war Otto Rehhagel als Trainer im Profibereich tätig. Seine letzte Station führte den heute 78-Jährigen im Jahr 2012 zu Hertha BSC. Im Interview mit den Perform-Portalen SPOX und Goal spricht Rehhagel über mangelnde Chancengleichheit in der Bundesliga, aufstrebende Trainer vom Schlage Julian Nagelsmann und die Stürmerproblematik der deutschen Nationalmannschaft.

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Frage: Herr Rehhagel, Sie als langjähriger Bremen-Trainer: Macht Ihnen die Entwicklung von Werder in den letzten Jahren Angst?

Otto Rehhagel: Natürlich ist Werder in einer schwierigen Situation, aber das war man auch schon viele Male zuvor. Die Verantwortlichen wissen, was zu tun ist, die Spieler, wie ernst die Lage ist. Generell ist es schon bedenklich, dass man vor einigen Jahren die Bayern in die Schranken gewiesen hat und heute gegen den Abstieg spielt. Es gibt in der Bundesliga keine Chancengleichheit mehr. Der beste Fußball wird da gespielt, wo das meiste Geld ist: bei den Bayern.

Frage: Heißt für Sie?

Rehhagel: Die Reichen werden immer reicher werden und im Umkehrschluss auch die besten Spieler haben. Du weißt derzeit als Bundesliga-Trainer, dass du nur bei Bayern Deutscher Meister werden kannst. Und es ist heute nun mal auch so, dass Spieler schneller die Vereine wechseln, weil sie anderswo deutlich mehr Geld verdienen können. Früher war diese Schere lange nicht so groß, was bedenklich ist.

Frage: Wie sehen Sie RB Leipzig als Teil dieser Entwicklung?

Rehhagel: Dietrich Mateschitz kann sein Geld reinstecken, wo er will, er ist ein freier Mann. Deshalb maße ich mir nicht an, das zu kritisieren. So ein Gebaren führt aber wie gesagt dazu, dass keine Chancengleichheit mehr herrscht. Als ich damals bei Bremen war, haben wir großartige Spieler für wenig Geld geholt - das geht heute nicht mehr. Wynton Rufer, Rudi Völler und Klaus Allofs haben damals alle zwei Millionen Euro gekostet. Heute müsste man 32 bezahlen - oder mehr.

Frage: Zuletzt wechselten einige Spieler für viel Geld nach China, wo Carlos Tevez nun der bestverdienende Spieler der Welt ist.

Rehhagel: Das ist menschlich. Jeder Spieler hat einen Berater, der für ihn das Beste herausholen will. Und das heißt in den meisten Fällen eben, ihn dorthin zu transferieren, wo er das meiste Geld verdienen kann. Genau deshalb ist es nicht verwunderlich, dass so viele Spieler nach England und neuerdings eben auch nach China wechseln.

Frage: Glauben Sie, dass künftig auch Bundesliga-Spieler ins Reich der Mitte gehen?

Rehhagel: Deutsche Spieler, die ins Ausland zu einem Top-Klub wechseln, gehen nicht, um mehr zu verdienen, sondern um sich persönlich weiterzuentwickeln. Denn auf höchstem Niveau agieren in Deutschland nun mal nur der FC Bayern und mit Abstrichen Borussia Dortmund. Hierzulande ist vielen wichtiger, sportlich Erfolg zu haben. Zumal man auch in Deutschland Summen verdient, von denen die Spieler früher nur träumen konnten.

Frage: Sie glauben also nicht, dass Probleme auf den deutschen Fußball zukommen?

Rehhagel: Wir haben in Deutschland gegenüber allen anderen Nationalmannschaften einen Vorteil: 1958, als ich ein junger Bursche war und die Weltmeisterschaft in Schweden stattfand, hatten die Brasilianer mit Pele, Garrincha und Vava die beste Mannschaft der Welt und auch 2002 hatten sie ein unglaubliches Team. 2014 haben sie gegen Deutschland 7:1 verloren. Ein anderes Beispiel ist Bulgarien, das 1994 mit Stoitschkow Deutschland rausgeworfen hat und heute ein fußballerischer Niemand ist. Da fragt man sich, wie so etwas möglich ist. Deutschland dagegen ist seit Jahrzehnten erfolgreich, weil man sich in vielen Dingen weiterentwickelt und aus Fehlern lernt. 2000 etwa, als man nach dem Aus bei der EM die Jugendarbeit reformierte und 2014 die Früchte erntete. Abgesehen von einigen wenigen schwachen Turnieren spielte man immer um den Titel mit.

Frage: Eine große Rolle spielt also die fußballerische Ausbildung?

Rehhagel: Mit dem Fußball ist es wie mit der Musik. Man braucht gute Lehrer und Beharrlichkeit, um irgendwann Erfolg zu haben. Beim Weltklasse-Pianisten Lang Lang zum Beispiel war sein Vater wie ein Wilder hinterher, dass sein Sohn stetig Fortschritte macht. Schon mit fünf Jahren musste er sechs Stunden am Tag üben. Deshalb ist er so gut geworden. Man braucht natürlich auch Talent, aber nach oben schafft man es nur durch harte Arbeit.

Frage: Wie sehen Sie junge Fußballlehrer, die Mehmet Scholl "Laptop-Trainer" nannte?

Rehhagel: Die jungen Trainer sind alle gut ausgebildet, werden an den Sporthochschulen hervorragend geschult. Man braucht aber auch Glück, um reinzurutschen so wie ich damals, als ich 1972 als junger Mann den FV Rockenhausen übernahm und dort Erfolg hatte. Das war die Eintrittskarte zu meiner großen Karriere. Glück hatte ich dann auch bei Offenbach, als ich sehr gute Spieler wie Siggi Held, Josef Hickersberger oder Erwin Kostedde trainieren konnte. 1974 schlugen wir die Bayern mit 6:0. Als Trainer ist man nur so gut wie seine Spieler. Das gilt heute wie damals.

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