"Brauchen die Nationalteams so viele Termine?"

Max Eberl arbeitet seit Anfang 2005 als Funktionär bei Borussia Mönchengladbach
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Max Eberl arbeitet seit über 25 Jahren in der Fußballbranche. Manche Entwicklungen sind dem Manager von Borussia Mönchengladbach ein Dorn im Auge. Im zweiten Teil des Interviews spricht Eberl über Fußball als moderne Form von Brot und Spiele, die stets verhallende Kritik an der hohen Belastung der Spieler, das Thema Internationalisierung bei der Borussia und seine persönliche Zukunft in diesem Geschäft.

Hier geht es zum ersten Teil des Interviews mit Max Eberl

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SPOX: Herr Eberl, Würden Sie sich eigentlich als Fußballromantiker beschreiben?

Max Eberl: Ja. Ich würde grundsätzlich viel lieber über die Basics und das Spiel an sich sprechen, anstatt über Themen außerhalb des Platzes.

SPOX: Das kommt jetzt etwas zu spät.

Eberl: Schon in Ordnung. (lacht)

SPOX: Wie sehr können Sie sich beim Amateurfußball vergnügen?

Eberl: Ich gucke liebend gern meinem Sohn zu, wenn er in der Niederrheinliga mit dem SC Kapellen gegen einen Verein wie den VfR Fischeln spielt. Das ist ursprünglicher Fußball und bleibt für mich immer etwas Schönes. Andererseits merkt man im Amateurfußball teilweise, dass der Profifußball nach unten abfärbt. Ich bin der Meinung, dass das Hochglanzprodukt Profifußball Acht darauf geben muss, nicht von der Basis abzudriften und in kaum greifbare Sphären vorzustoßen.

SPOX: Sie arbeiten seit über 25 Jahren in diesem Geschäft. Wenn Sie könnten, an welchen Punkt der Geschichte würden Sie den aktuellen Fußball gerne zurücksetzen?

Eberl: Schwierig. Vielleicht ins Jahr 2002 rund um die Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea. Damals war man sozusagen noch gezwungen, die Spiele anzuschauen und konnte sich nicht in diesem Umfang online bedienen. Man darf wiederum nicht den Fehler machen, die früheren Zeiten zu glorifizieren. Auch damals gab es Trainer, die sauer waren und dich nachts um drei Uhr um den Platz gescheucht haben. (lacht) Da war auch nicht alles richtig. Aber alles war deutlich anonymer.

SPOX: Was denken Sie, wenn Sie einen Spieler für 40 Millionen Euro transferieren oder mit einem 20-Jährigen um ein Millionengehalt feilschen müssen?

Eberl: Es ist wie Monopoly, die Schlossallee ist dort das Größte. Es geht mittlerweile nur noch in die Richtung höher, schneller, weiter und ob am Ende der Summe noch eine Null mehr steht. Es wird keine Ewigkeit mehr dauern, bis die Milliardengrenze geknackt und es wirklich fragwürdig wird. Der Fußball ist ein Volkssport und wird es auch immer bleiben. Reden wir jedoch über diese Dimensionen, wird es irgendwann nicht mehr verständlich und entfernt sich weiter von der Realität. Der Fußball ist so gesehen ein bisschen das moderne Brot und Spiele. Alles fokussiert sich auf ihn und die gesellschaftliche Gewichtung ist unglaublich hoch - für meine Begriffe fast schon zu hoch. Doch das wird sich nicht aufhalten lassen. Man sollte sich deshalb immer wieder daran erinnern: Es ist nur Fußball und er ist zur Unterhaltung da. Es ist keine Weltpolitik, er heilt auch keine Krankheiten oder bringt technologischen Fortschritt mit sich.

SPOX: Fürchten Sie, dass der Bombast und die Aussicht auf Erlöse langfristig den Sport in den Hintergrund drängen?

Eberl: Das Spiel an sich scheint immer weniger interessant und wird für meine Begriffe manchmal zu wenig wahrgenommen. Interessant sind lediglich das Ergebnis und die Folgen, die deshalb entstehen. Das Spiel ist das Vehikel, um Stories zu verkaufen, deren Inhalte sich um alles außerhalb des Spiels drehen.

SPOX: Mittlerweile steigt auch die Zahl der Fußballverdrossenen immer weiter an.

Eberl: Die Gefahr besteht zumindest. Manche Spitzenteams bestreiten fast 70 Pflichtspiele in der Saison, der Löwenanteil davon wird im Fernsehen übertragen. Da kann ich schon nachvollziehen, dass man davon müde wird. Ich selbst ertappe mich auch dabei und frage mich, ob ich mir das dritte Vorrundenspiel der EM noch anschaue oder nicht. Das Thema Belastung wird immer präsenter. Ich verstehe deshalb nicht, wieso man diese Turniere unter den heutigen Bedingungen noch weiter aufbläht. Wir müssen aufpassen, dass der Fußball damit nicht auf die Nase fällt.

SPOX: Weshalb war für Sie die letzte Europameisterschaft weniger attraktiv?

Eberl: Wir wollen, dass die großen Top-Stars die großen Turniere entscheiden - so wie es früher war. Doch der Großteil kann das kaum mehr, denn die Spieler stehen am Ende einer Saison und müssen nach 60 Pflichtspielen im Verein noch weitere Partien bestreiten. Dadurch sinkt das Niveau. Es ist klar, dass auch die Top-Spieler ihr Leistungsniveau nicht ein Jahr lang problemlos oben halten können. Letztlich steigt die Verletzungsgefahr und die Endspiele finden ohne die Mehrzahl dieser Spieler statt.

SPOX: Populär ist dann der Einwand: Diese Spieler verdienen doch aber einen Haufen Geld.

Eberl: Das hat nichts mit Geldverdienen, sondern mit Leistungsfähigkeit zu tun. Die hohe Anzahl an Spielen schadet dem Niveau und der Attraktivität der Turniere. Das ist für mich eine Gefahr. Die letzte EM wird uns nicht lange in Erinnerung bleiben. Doch dazu gehört auch die Frage: Brauchen die Nationalmannschaften bei dieser Belastung wirklich so viele Termine? Ich will sie damit nicht ab-, sondern aufwerten. Es muss wieder mehr wichtige und schöne Spiele geben. Die Nationalteams müssen sich bei großen Turnieren mit ihren besten Spielern auf ihrem besten Niveau messen können, das wäre mein Wunsch.

SPOX: Sehr vielen Vereinen ist die hohe Belastung der Spieler ein Dorn im Auge. Entsprechende Äußerungen gibt es zur Genüge, doch offenbar keinen konkreten Adressaten und Vermittler.

Eberl: Die Verbände haben dort eine Verantwortung. Der DFB ist der größte Sportfachverband der Welt. Da finde ich, dass wir durchaus ein Wort haben. Den Klubs in England, Spanien oder Italien geht es doch genauso. Ich denke, man muss sich hinter UEFA und FIFA nicht länger verstecken, denn wie die Vergangenheit gezeigt hat, wird auch dort nicht immer alles richtig gemacht. Die Verbände haben das Recht, konstruktive Vorschläge zu machen - nicht nur dem Kommerz, sondern dem Sport an sich zur Folge.

SPOX: Viele Spieler, hohe Belastung - der Wettbewerb ist nicht nur physisch, sondern gerade wirtschaftlich knallhart geworden. Auf die Bundesliga herunter gebrochen muss sich auch ein Klub wie Borussia Mönchengladbach langfristig Gedanken machen, wie er sich für diesen Konkurrenzkampf ausrichten will. Muss besonders das Thema Internationalisierung ein größeres werden, um mithalten zu können?

Eberl: Wir haben gemerkt, dass die Champions League das Interesse an uns in entfernteren Ländern wecken kann. China und Amerika sind große Märkte und dort wollen wir langfristig versuchen, uns zu positionieren. Eine Reise dorthin ist dann unumgänglich. Man darf einzig unter keinen Umständen die Basis und Heimat vergessen, diesen Spagat gilt es hinzukriegen. Es geht nicht darum, auch auf den allerletzten Euro zu schielen, nur um einen internationalen Sponsor zu bekommen. Wir sind ein traditionalistisch denkender Verein und sinnieren nicht über Verkäufe von Anteilen. Eine strategische Partnerschaft wäre eher denkbar.

SPOX: Könnten Sie sich persönlich einen Punkt vorstellen, an dem Sie das Geschäft verlassen, weil es sich zu sehr entgegen Ihren Vorstellungen verändert hat?

Eberl: Wenn es so wäre, um den ersten Teil des Gesprächs noch einmal aufzugreifen, dass das Thema Social Media in irgendeiner Form auf meine Familie zurückfallen würden, dann schon. Es wäre es nicht wert, wenn jemand leidet.

SPOX: Wie groß ist andererseits der Reiz, eines Tages einmal in vergleichbarer Position bei einem der potenteren Vereine zu arbeiten?

Eberl: Ich strebe nicht ständig nach Höherem. Meine Antriebsfeder ist, dass ich meinen Job bestmöglich machen möchte. Ich will in der Aufgabe aufgehen. Da bin ich konservativ. (lacht) Ich schiele nicht nach dem nächsten Schritt, mir macht die Arbeit in Mönchengladbach Freude. Ich mache sie natürlich auch, um etwas zu gewinnen. Ich möchte gern mal einen Pokal in den Händen halten.

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