Zentrum ohne Powerhouse

Von SPOX
David Alaba zog sich die zweite schwere Knieverletzung in dieser Saison zu
© getty

Zum zweiten Mal in dieser Saison fällt David Alaba mit einer Knieverletzung mehrere Wochen aus. Alaba will kämpfen, ein vorzeitiges Saisonende ist aber wahrscheinlich. Seine Vielseitigkeit wird dem FC Bayern fehlen - möglicherweise nicht nur kurzfristig.

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Es war ein Zweikampf, wie er unzählige Male in einem Fußballspiel vorkommt. Ermin Bicackic schirmt mit normalem Körpereinsatz den Ball ab, um ihn ins Aus trudeln zu lassen. David Alaba zieht den Bosnier leicht an der Hüfte und versucht mit dem linken Fuß an den Ball zu kommen. Dabei verliert er das Gleichgewicht, Bicackic kann sich ebenso wenig auf den Beinen halten und fällt dem Gesäß voraus auf Alabas linkes Knie.

Bicakcic ist keinerlei Vorwurf zu machen, für Alaba ist das aber nur ein schwacher Trost. Der Österreicher bezahlt seinen Einsatz im Testländerspiel gegen Bosnien (1:1) und diesen harmlosen Zweikampf mit der zweiten schweren Verletzung innerhalb von fünf Monaten.

Anfang November 2014 zog sich Alaba im Champions-League-Spiel des FC Bayern gegen den AS Rom (2:0) einen Teilabriss des Innenbandes im rechten Knie zu; bis zu seinem Comeback Mitte Januar im Trainingslager in Doha vergingen knapp zehn Wochen.

"Ich will beim Saisonfinale dabei sein"

Mittwochmittag diagnostizierte Bayerns Mannschaftsarzt Dr. Müller-Wohlfahrt nun einen Innenbandriss im linken Knie. Voraussichtliche Pause: sieben Wochen. Alaba muss etwa 14 Tage Gips tragen, in vier Wochen soll mit dem Aufbautraining begonnen werden.

"Ich bin jetzt natürlich tieftraurig", sagte Alaba auf der Webseite des Vereins. Mit einem vorzeitigen Saisonende will er sich aber nicht beschäftigen. "Ich habe ein großes Ziel vor Augen: Ich will beim Saisonfinale wieder dabei sein. Ich werde mich jetzt gut erholen und dann in der Reha Vollgas geben."

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge reagierte betroffen auf die Nachricht. "Das tut uns natürlich weh, weil David in einer guten Verfassung war und wichtige Tore erzielt hat mit seinen Freistößen. Aber wir können es nicht ändern. Es wäre ein Fehler, wenn Bayern München jetzt lamentieren würde. Wir schauen voraus, wir haben einen guten Kader, der das jetzt auffangen muss."

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Geht man von den veranschlagten sieben Wochen Pause aus, wäre Alaba rund um das Bundesliga-Finale am 23. Mai wieder einsatzbereit. Im Anschluss finden noch das DFB-Pokalfinale (30. Mai) und das Champions-League-Finale (6. Juni) statt.

Guardiola setzt auf lange Rekonvaleszenz

Dass Alaba in dieser Saison noch einmal für den FC Bayern spielen wird, scheint nach jetzigem Stand allerdings unrealistisch, selbst wenn die Münchner eins oder gar beide Endspiele erreichen sollten. Trainer Pep Guardiola ist kein Freund von hastigen Comebacks, verletzten Spielern wird die volle Regeneration zugestanden, das Heranführen an die Belastungen im Spiel erfolgt in kleinen Schritten.

"Ein Spiel ist etwas ganz anderes als ein Training. Die Spieler müssen nach einer Verletzung viele Trainings absolvieren und hundertprozentig fit sein, damit ich sie im Spiel einsetzen kann", sagt Guardiola.

Kapitän Philipp Lahm, der sich nach einer Verletzung langsam wieder herangetastet hat, sagte im Bayrischen Rundfunk: "Zu 100 Prozent fit wird man erst wieder nach drei, vier Spielen über 90 Minuten, dann ist man wieder spielfit." Ein DFB-Pokal- oder CL-Finale wäre kein geeignetes Pflaster für Alabas Comeback nach knapp zwei Monaten.

Alaba verpasst ausgerechnet die Phase, die über Gut und Böse einer ganzen Saison entscheidet. Bundesliga in Dortmund, DFB-Pokal in Leverkusen, Champions League gegen Porto. Und das ist vermutlich erst der Anfang.

Vielseitigkeit ohne Qualitätsverlust

Umso bitterer für Alaba, der sich erst im Januar wieder rangekämpft und vergleichsweise schnell sein hohes Leistungsvermögen wieder erreicht hat. "David ist ein vorbildlicher Profi, der sich auch entsprechend verhält, damit sich sein Körper von Verletzungen schnell erholen kann", sagte Sport-Vorstand Matthias Sammer damals.

Guardiola verzichtet äußerst ungern auf Alaba, mit seinem Repertoire hat sich der 22-Jährige weitgehend unentbehrlich gemacht. Ob als klassischer Außenverteidiger in der Viererkette, linker Verteidiger in der Dreierkette oder zentraler Mittelfeldspieler - Alaba hat ohne Qualitätsverlust viele Positionen drauf.

Selbst im Kader des FC Bayern gibt es kaum einen Spieler, der die Attribute Physis, Technik und Spielintelligenz so gewinnbringend verbindet wie Alaba. Zudem haben seine drei Freistoßtore in der Rückrunde gegen Stuttgart, Braunschweig und Bremen den Bayern in schwierigen Phasen geholfen.

Bayern verliert Dynamik

"Sein Vater und seine Mutter haben David eine überragende Kondition mitgegeben", sagte Guardiola im Winter in Katar. "Er ist einer meiner wichtigsten Spieler, weil er überall spielen kann: weiter vorne, weiter hinten, außen, in der Mitte. Und er spielt immer auf sehr hohem Niveau, mal bei acht, mal bei neun, mal bei zehn auf der Skala".

Die Verletzung kommt auch deshalb zur Unzeit, weil mit Arjen Robben schon ein Spieler verletzt ist, der Tempo ins Spiel bringt und Eins-gegen-eins-Situationen lösen kann. Mindestens in Dortmund wird auch Franck Ribery fehlen. Die Geschwindigkeit und die Überraschungsmomente im Spiel der Bayern leiden darunter.

Bastian Schweinsteiger, Xabi Alonso oder Philipp Lahm sind andere Spielertypen als Alaba, sie sind Strategen und verteilen die Bälle gut. Aber sie haben nicht die Dynamik eines Alabas. Er ist das Powerhouse im Zentrum des Bayern-Spiels. Der Österreicher hat die Lücke im System ausgefüllt, die Thiago Alcantara hinterlassen hatte - der Spanier tastet sich erst langsam wieder heran.

Heißes Real-Gerücht

Immerhin ist Guardiola erprobt darin, Alaba zu ersetzen. Nach dessen Ausfall in der Hinrunde ließ der Trainer überwiegend Viererkette spielen mit Juan Bernat als Linksverteidiger.

Diese Variante bietet sich wieder an, wenngleich Guardiola mehrere Optionen hat, zumal Alaba in der Rückrunde oft im Mittelfeld spielte, während die Dreierkette aus drei gelernten Innenverteidigern gebildet wurde.

Die Bayern haben ausreichend Qualität, um Ausfälle kompensieren zu können. Im Fall von David Alaba müssen sie sich aber gewaltig strecken, vorerst bis Saisonende.

Dem Vernehmen nach steht dem Verein aber bald eine weitaus größere Kraftprobe ins Haus. Trotz des Dementis von Vater George ist das Alaba-Lager nach SPOX-Informationen durchaus bereit, sich ein Angebot von Real Madrid zumindest anzuhören.

David Alaba im Steckbrief

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