Der Jungbulle ist endgültig ein Stier

Von Dominik Geißler
Max Verstappen gewann sein erstes Formel-1-Rennen
© getty

Mit seinem Sieg beim Großen Preis von Spanien hat Max Verstappen für eine Sensation gesorgt. Die ganze Formel-1-Welt schwärmt vom 18-Jährigen, der mit dem Erfolg zahlreiche Rekorde knackte. Eines hat er schon jetzt bewiesen: Red Bull hat mit seiner Beförderung viel richtig gemacht.

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Als Toro Rosso im Sommer 2014 bekanntgab, dass man mit Max Verstappen einen 17-Jährigen in die Formel 1 befördern würde, war das Geschrei groß.

"Das ist das Schlimmste, was der Formel 1 passieren kann", sagte Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve stellvertretend für viele Kritiker. Sie fragten nicht, ob sondern wie gefährlich Verstappen seinen künftigen Konkurrenten gefährlich werden würde.

"Man ist ein Kind, für die ist das ein Spiel und Spaß", polterte Villeneuve: "Man spürt die Gefahr nicht. Ich erinnere mich, als ich als 17-Jähriger in der Formel 3 gefahren bin: Ich habe nicht so gedacht wie später, Man hat seine Lehren noch nicht gezogen, man hatte noch keinen großen Unfall, man war noch nicht in schwierigen Situationen. Es ist riskant."

Um ihm nach knapp anderthalb Jahren Formel 1 eine Antwort zu geben: sehr riskant! Doch nicht, weil Verstappen seinen Gegnern wild ins Auto schießt und einen Crash nach dem anderen produziert, sondern weil er seine Konkurrenz in Grund und Boden fahren kann - wenn er das passende Material hat.

Ein Sieg, vier Rekorde

Am Sonntag hatte er das zu Verfügung. Nachdem sich die beiden Mercedes gegenseitig abschossen, platzierte er sich mit einem geschickten Manöver an Sebastian Vettel vorbei hinter Teamkollege Daniel Ricciardo auf Platz 2. Als Verstappen dann - im Gegensatz zu seinem neuen Teamkollegen - auch noch auf die richtige Strategie geschickt wurde, ging er in Führung.

Diese behielt der Youngster. 22 Runden lang. Bis zur karierten Flagge. Bis zum ersten Sieg seiner noch so jungen Formel-1-Karriere. "Dieser Grand Prix hat sich wie ein Langstreckenrennen angefühlt. Insbesondere die letzten 10 Runden", sagte der Niederländer später.

"Wir sind genauso fassungslos wie ihr alle", zeigte sich Teamchef Christian Horner positiv geschockt: "Was Max geschafft hat, ist unglaublich. Wir sind mit der Zwei-Stopp-Strategie Risiko gegangen, aber es ist gut ausgegangen. Das ist fantastisch für die Formel 1."

Verstappen gewann nicht einfach nur ein Rennen, er schaffte Historisches - und das gleich vierfach. Mit 18 Jahren und 288 Tagen führte er so jung wie kein anderer Fahrer zuvor einen Grand Prix an; er ist der jüngste Pilot, der jemals auf einem Podium stand und der nun jüngste GP-Sieger aller Zeiten. Damit knackte er den Rekord von Sebastian Vettel, der 2008 als 21-Jährige in Monza gewann. Nebenbei ist Verstappen auch noch der erste niederländische Gewinner der Geschichte.

Eingewöhnungszeit? Nicht nötig

"Herzlichen Glückwunsch an Max. Heute ist sein Tag", gratulierte Vettel seinem Nachfolger: "Das Alter zählt nicht. Wenn du schnell bist, gehörst du hier her in die Formel 1. Das hat er bewiesen." Später witzelte der Ferrari-Pilot: "Ich habe gehofft, dass er sich bei seinem Boxenstopp einen Wohnwagen anhängen lassen würde und ein gelbes Nummernschild, aber wir waren leider nicht auf der Autobahn."

Verstappen selbst dankte im Moment des Triumphs seinem größten Förderer: "Mein Papa hat mir schon in sehr jungen Jahren geholfen." Vater Jos, der 1994 bis 2003 selbst in der Formel 1 an den Start ging, lobte im Gegenzug: "Mein Sohn ist gerade einmal 18 Jahre alt. Wie er gefahren ist, ist unglaublich."

Dieser Meinung war auch Horner, der seinem neuen Fahrer ein fehlerfreies Wochenende attestierte. Und in der Tat: Von benötigter Eingewöhnungszeit war bei Verstappen nicht viel zu sehen, auch wenn er selbst davon sprach, noch lange nicht am Limit zu sein.

"Seine große Stärke ist seine Ruhe", erklärte der Teamchef: "Er hat den Atem von Kimi gespürt. Über Funk hat er uns gesagt, dass wir Charlie Whiting sagen sollen, dass die Streckenposten die blauen Flaggen für die Überrundeten raushalten sollen. Max sagte das ohne Panik und Anspannung. Wie ein junger Mann, der alles im Griff hat."

In den ersten beiden Qualifying-Segmenten erteilte Verstappen seinem Teamkollegen gar eine Lehrstunde, als er ihm vier Zehntel auf einer Runde abnahm. Dass er letztlich hinter Ricciardo an den Start ging, lag einzig und allein an der Fabelleistung des Australiers in Q3.

Fahrertausch macht sich schon bezahlt

Im Rennen zeigte der Überflieger dann seine erstaunliche Reife. Während manch einer bei der Chance auf den Sieg und einem Kimi Räikkönen im Rückspiegel nervös geworden wäre, blieb Verstappen cool und konzentriert. Immer wieder fuhr er perfekt um die letzte Kurve, um ideal auf die lange Start-Ziel zu kommen. Der Iceman biss sich so vergeblich die Zähne aus. "Er weiß, wie man Rennen fährt", schlussfolgerte Vater Jos entsprechend.

Dass es am Ende so gut für Verstappen laufen würde, hätte wohl auch bei Red Bull keiner gedacht, als man ihn nur zehn Tage zuvor ins A-Team befördert und Daniil Kvyat zu Toro Rosso zurückgestuft hatte. Nach nur einem Rennen bleibt die Feststellung: Der Fahrertausch hat sich für die Österreicher schon jetzt bezahlt gemacht. Mit Verstappen und Ricciardo haben sie das vielleicht formstärkste Duo in den eigenen Reihen.

Der Prinz von Oranien

"Sein Verhalten erinnert mich stark an einen jungen Deutschen, den wir vor ein paar Jahren mal bei uns hatten, seine Ruhe im Auto. Er ist der 'real deal'", verglich Horner Verstappen mit einem gewissen Vettel.

Bei allem überschwänglichen Lob ist aber auch klar: Die Formel 1 ist schnelllebig. Läuft es einige Rennen weniger gut bei Verstappen, werden sich die Kritiker mit Genuss erheben. Dann muss er zeigen, dass er sein Potenzial auch unter negativem Druck abrufen kann, dass er wirklich das Zeug zum Weltmeister hat.

Gelingt ihm das, wird Verstappen noch häufiger in der Mitte des Siegerpodests stehen - und die niederländische Hymne wird standardmäßig zu hören sein. Darin heißt es: "Ein Prinz von Oranien bin ich frei und furchtlos, den König von Hispanien hab ich allzeit geehrt." Passt irgendwie zum Debütsieg in Spanien ...

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