Milliardärssöhnchen mit Talent im Gepäck

Lance Stroll ist 2017 der jüngste Fahrer im Formel-1-Feld
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Lance Stroll, in der kommenden Formel-1-Saison jüngster Fahrer im Feld, ist der Sohn eines Milliardärs. Dass der neue Williams-Pilot den Aufstieg in die Königsklasse so schnell geschafft hat, liegt für viele Kritiker einzig und allein am Geld seines Vaters. Ein klassischer Paydriver also? Nein, Stroll kann mit viel mehr als nur dem Geldbeutel seines familiären Sponsors glänzen.

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Besucht man die Website von Lance Stroll, so blickt man einem 18-Jährigen in Großaufnahme entgegen. Die linke Kopfseite von einem Rennhelm bedeckt, die rechte Seite seines Gesichts klar erkennbar. Dazu steht in großer, weißer Schrift: "The Racer Behind The Man."

Ein Rennfahrer also. Darauf legt Stroll großen Wert. Dass er ein Rennfahrer ist. Einer, der Rennen fahren kann. Weil er schnell ist, weil er Talent hat. Und nicht, weil er der Sohn eines Milliardärs ist.

Genau das wird dem Kanadier nämlich seit Beginn seiner Motorsport-Karriere vorgeworfen. Dass er es nur wegen dem Vermögen seines Vaters in die Spitze des Motorsports geschafft hat. Dass er ein Paydriver ist, der in seinem Gasfuß mehr Geld als Talent sitzen hat.

Williams ließ sich davon nicht beeinflussen und gab Anfang November letzten Jahres bekannt, Stroll als Stammfahrer für die Saison 2017 verpflichtet zu haben. Ursprünglich an der Seite von Valtteri Bottas geplant, darf sich der Teenie nach dessen Wechsel zu Mercedes neben Felipe Massa versuchen.

Ein Milliardärsvater als Geldgeber

Den Ruf des Bezahlfahrers wird Stroll dabei aber wohl nicht so schnell abschütteln können. Zu stark ist der Einfluss von Lawrence Stroll, seinem Vater, der sich über die letzten Jahrzehnte einen Namen als Mode-Tycoon gemacht hat, ein geschätztes Vermögen von schlappen 2,5 Milliarden Dollar besitzt und als Autofanatiker gilt. So gehört Stroll Senior nicht nur die frühere Formel-1-Rennstrecke in Mont-Tremblant (Kanada), sondern auch eine Ferrari-Sammlung mit einer Stückzahl von 25 Exemplaren der italienischen Edelmarke.

Ganz nebenbei arbeitete Vater Stroll am Eintritt in die Königsklasse des Motorsports. Er verhandelte vor rund zwei Jahren mit Sauber über eine Übernahme des Schweizer Rennstalls und war offenbar als Teilhaber der Formel 1 im Gespräch. Als beide Vorhaben scheiterten, konzentrierte er sich auf die Karriere seines Sohnes.

Diese verlief bisher erstmal typisch für einen ambitionierten Nachwuchsfahrer. Mit acht Jahren nahm Stroll Junior erfolgreich an den ersten Kartmeisterschaften teil, ehe er - mit einem Platz in der Ferrari Driver Academy ausgestattet - fünf Jahre später den Sprung in den europäischen Formelsport schaffte. Die italienische Formel-4-Meisterschaft gewann er 2014 auf Anhieb. Auch in der Toyota Racing Series im Folgejahr kürte er sich zum Champion.

Mit Dominanz zum Titel

2015 folgten dann der Aufstieg in die Europäische Formel 3 und gleichzeitig die ersten Dämpfer in der noch jungen Laufbahn. In Monza provozierte er einen Horrorcrash, bei dem er sich mehrfach überschlug. In Spa verursachte er nur Wochen später einen weiteren heftigen Unfall. Er wurde bestraft, lediglich Fünfter in der Gesamtwertung. Viel wichtiger aber noch: Er lernte aus seinen Fehlern.

Nur eine Saison später war er der Pilot, der seiner Konkurrenz um die Ohren fuhr. In 30 Rennen manövrierte er sein 230-PS-starkes Automobil 20 Mal aufs Podest und zu 14 Siegen. Mit 507 Punkten gewann er die Meisterschaft souverän vor Prema-Teamkollege Maximilian Günther (322).

Doch auch hier muss der Einfluss des reichen Vaters erwähnt werden. Als der Prema-Rennstall Stroll für die Formel 4 und später für die Formel 3 verpflichtete, nutzte der Milliardär die Gelegenheit nicht ganz zufällig, um sich bei dem F3-Topteam einzukaufen - und damit wohl für gewisse Vorteile zu sorgen. So soll es einen Nichtangriffspakt gegeben haben, der Stroll versicherte, nicht von seinen Teamkollegen überholt werden zu dürfen.

Williams glaubt an das Talent

Der begeisterte Skifahrer will davon nichts wissen. "Die vier Autos waren alle gleich. Ich musste meine Teamkollegen in der Qualifikation und im Rennen schlagen", sagte der jüngste Champion der Serie aller Zeiten gegenüber auto motor und sport: "Ich habe in den Bereichen, in denen ich noch Schwächen hatte, härter gearbeitet. Das hat den Unterschied ausgemacht."

Entsprechend schätzt auch Williams, dessen Nachwuchsprogramm sich Stroll 2015 angeschlossen hat, die Qualitäten seines neuen Stammfahrers ein. "Williams ist kein Team, das einen Fahrer in sein Auto setzt, von dem es nicht überzeugt ist", stellte die stellvertretende Teamchefin Claire Williams klar. Wie die Autoweek einen Insider zitiert, sei Stroll mit seinem Talent und Geld im Gepäck daher ein "No-Brainer" gewesen.

"Ich habe meine Chance verdient. Ich habe alle Meisterschafften gewonnen, die ich bis jetzt gefahren bin", verteidigte sich auch Stroll. Und Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve, bis dato der letzte Kanadier im Formel-1-Feld, pflichtete bei: "Geld zahlt dir kein Talent. Alles gezahlt zu bekommen, heißt nicht, dass du kein Talent hast. Er hat es, da besteht für mich kein Zweifel."

80 Millionen für ein Cockpit?

Dass ihm sein pekuniärer Hintergrund aber natürlich im Laufe seiner Karriere geholfen hat, möchte der in Genf lebende Youngster nicht verschweigen: "Motorsport ist ein Sport, bei dem Geld wichtig ist. Natürlich bin ich sehr glücklich, dass mein Vater mir in diesem teuren Sport hilft."

Wie groß die finanzielle Unterstützung von Papa Stroll tatsächlich war? Offen. Manche sprechen von 20 Millionen, andere vermuten sogar 80 Millionen Dollar Zuschuss. Auch das Gerücht, dass sich der Geldgeber ins Williams-Team eingekauft habe, hält sich trotz Dementi wacker.

Klar ist: Stroll, der wie Max Verstappen den direkten Weg von der Formel 3 in die Formel 1 gewählt hat, geht so gut vorbereitet wie nur möglich in das neue Abenteuer. Übungsfahrten in einem zwei Jahre alten Williams, unzählige Stunden im neuesten Simulator (den er noch vor Bottas und Massa nutzen durfte), insgesamt 8000 Testkilometer - mehr konnte der Rookie nicht machen. "Der letzte Neuling, der mit so vielen Testkilometern in die Formel 1 gekommen ist, war Jacques Villeneuve", verglich Technikchef Pat Symonds.

"Es wird harte Zeiten geben"

Trotzdem waren das eben keine Realbedingungen. Die wahren Aufgaben kommen erst jetzt. Wenn die ganze Formel-1-Welt auf ihn, den jungen Burschen, blickt, wenn der Druck steigt, wenn nur noch Ergebnisse zählen.

Stroll hat davor keine Angst. "Das Team weiß, dass ich ein Rookie bin, dass ich jung bin und noch mehr lernen muss als vielleicht ein erfahrener Pilot", sagte er, der Teamkollege Massa als "eine Art Mentor" sieht und realistisch blieb: "Natürlich möchte ich keine Fehler machen, aber die Realität ist, dass es harte Zeiten geben wird."

Harte Zeiten? Die erlebte Stroll bereits bei seinen ersten offiziellen Testeinsätzen am Dienstag und Mittwoch in Barcelona. Mit zwei Drehern und einem Knall in die Mauer sorgte er gleich mehrfach für Aufsehen und erste Häme. Besonders bitter: Weil Williams keine Ersatzteile vor Ort hatte, musste der Privatrennstall den letzten Testtag streichen und die vorherigen vorzeitig abbrechen.

Das Team nahm den jungen Schützling trotzdem in Schutz. "Er sollte nicht denken, dass er enttäuscht hat, andererseits leben wir in einer Art Sündenbock-Kultur", erklärte Chefingenieur Rob Smedley, der den kalten Reifen die Schuld für die Abflüge gab: "Ich würde sagen, er war ein unschuldiges Opfer."

Dennoch: Wenn die Ampellichter beim Saisonauftakt in Melbourne Ende März ausgehen, dann muss Stroll zeigen, dass er aus solchen Fehlern lernt, das nötige Talent für die Formel 1 besitzt - und ein wahrer Rennfahrer ist.

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