Mit hoch erhobenem Kopf ausgeschieden

Deutschlands Goalie Philipp Grubauer (r.) stand gegen Kanada unter Dauerbeschuss
© getty

Die deutsche Nationalmannschaft hat das Viertelfinale der Heim-WM gegen Titelverteidiger Kanada mit 1:2 (0:1, 0:1, 1:0 ) verloren und ist damit ausgeschieden. Vor 16.653 Zuschauern in der Lanxess Arena in Köln zeigte das Team von Bundestrainer Marco Sturm eine couragierte Leistung, verlor aber letzlich verdient gegen das Eishockey-Mutterland.

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Vor allem kämpferisch hielt das DEB-Team von Beginn an dagegen und machte es den Kanadiern, Weltmeister von 2015 und 2016, schwer, viele hochkarätige Chancen zu erspielen. Dementsprechend fiel das 0:1 in der ersten Überzahlsituation der Partie: Mark Scheifele überwand Goalie Philipp Grubauer mit einem Schuss unter die Latte (18.).

Im zweiten Drittel fand Deutschland gerade in der Offensive nicht statt und verzeichnete erst in den Schlusssekunden den ersten Schuss aufs Tor von Kanadas Goalie Calvin Pickard. Auf der Gegenseite musste Grubauer (48 Saves) mehrfach in höchster Not retten, einen Rebound schob Jeff Skinner schließlich zum 2:0 ein (39.). Im Schlussdrittel gelang Yannic Seidenberg in der 53. Minute in Unterzahl der Anschlusstreffer. Eine Schlussoffensive des DEB ließen die abgezockten Kanadier aber mit dominantem Spiel nicht mehr zu.

Kanada trifft im Halbfinale am Samstag im Gigantenduell auf Russland, im zweiten Halbfinale bekommt es Finnland mit Schweden zu tun. Beide Partien gibt es live auf DAZN.

Deutschland springt nach einer insgesamt erfolgreichen Heim-WM in der Weltrangliste vom zehnten auf den achten Platz.

DEB vs. Kanada: Das Spiel im Boxscore

Die Stimmen:

Yannic Seidenberg: "Wir wussten um die Klasse Kanadas, aber wir haben es ihnen auch ein bisschen zu leicht gemacht. Wir haben die Scheibe immer wieder hergegeben, so war es schwer, zurück ins Spiel zu finden. Das Powerplay hat uns leider auch nicht so richtig in Schwung gebracht."

Philipp Grubauer: Wir haben uns mit den Strafzeiten selbst ins Bein geschossen.

.. über die eigene Leistung: "Heute hat alles gepasst. Ich habe die Scheibe gesehen."

Der Spielfilm:

Vor dem Spiel:

Marco Sturm stellt im Vergleich zu Lettland nicht um und beginnt mit Philip Grubauer. Backup ist Thomas Greiss, dazu kommen Denis Reul, Christian Ehrhoff, Marcus Kink, Yannic Seidenberg und Dominik Kahun. Nicht dabei sind Sinan Akdag, Philip Gogulla und Tobi Rieder. Kanada mit Calvin Pickard, Colton Parayko, Marc-Edouard Vlasic, Nate MacKinnon, Jeff Skinner und Mark Scheifele.

Die letzten zwei Partien hat das DEB-Team mit 2:15 Toren verloren, seit 1996 konnte Deutschland die Kanadier nicht mehr schlagen - es ist trotz Heimvorteil also eine Herkulesaufgabe. Überraschenderweise ist die Lanxess Arena bei Spielbeginn aber noch nicht ganz gefüllt.

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1. Drittel: Keine zwölf Sekunden gespielt, da muss Grubauer den ersten Save hinlegen, 49 Sekunden braucht Deutschland, um überhaupt zum ersten Mal aus dem eigenen Drittel zu kommen - es ist offensichtlich, wie das Spiel laufen wird. Ryan O'Reilly trifft in den vierten Minute den Pfosten, danach kann sich das DEB-Team aber Stück für Stück etablieren, verteilt harte Checks und ist zur Mitte des Drittels sogar zeitweise gleichwertig. Dann aber wieder Kanada, 3:45 vor dem Ende die erste Zeitstrafe gegen Deutschland. Kanada macht unglaublichen Druck - und dann ist er drin! Hinter dem Tor legt O'Reilly zurück auf Scheifele, der trifft oben links. Im Gegenzug fälscht Yannic Seidenberg die Scheibe fast mit dem Schuh ins Tor ab. 1:0 Kanada.

2. Drittel: Die Anfangsphase übersteht Deutschland etwas besser, dennoch ist der Druck da - und eventuelle Kontermöglichkeiten werden entweder schlecht ausgespielt oder von den Ahornblättern erstickt. Eine Zeitstrafe gegen Draisaitl übersteht man, dann endlich das erste Powerplay für Deutschland: ganz schwach, kein einziger Torschuss, einmal muss sogar Grubauer retten. Kuriose Szene knapp fünf Minuten vor dem Drittelende: Nach einem Bully trifft O'Reilly in den Knick für Kanada, war aber schon abgepfiffen - und wegen Spielverzögerung ist der DEB jetzt in Überzahl. Wieder ein schwaches Powerplay, nur ein Weitschuss von Seidenberg. Und dann der Nackenschlag: Jeff Skinner staubt einen Blue-Liner von Mike Matheson ab - erst Sekunden vor der Sirene überhaupt der erst Torschuss für Deutschland in diesem Drittel. 2:0 Kanada.

3. Drittel: Geht da noch was? In den ersten Minuten kommt wieder Kanada, dann endlich hochkarätige Chancen für den Gastgeber: Christian Ehrhoff verzieht nach vier Minuten aus zentraler Position, kurz danach trifft Felix Schütz nur die Maske von Pickard. Ein Ellbogenschlag samt Strafe von David Wolf, anschließend hat Deutschland gleich zwei Powerplays ohne Erfolg - ein Breakaway von Sean Coutourier bleibt ohne Folgen. Powerplay Kanada - und dann YANNIC SEIDENBERG! Klasse Pass von Ehrhoff, Seidenberg ist durch, wackelt Pickard aus und trifft mit der Rückhand! Kommt der letzte Ansturm? Nein, stattdessen ist es Kanada, das auf das 3:1 drückt. Das gelingt nicht mehr, aber die Schlussoffensive Deutschlands kommt damit nicht zustande. Endstand: 2:1 Kanada.

Der Star des Spiels: Philipp Grubauer. Muss es nicht eigentlich ein Kanadier sein? O'Reilly war immer wieder auffällig, Scheifele markierte mit Tor und Assist gleich zwei Scorerpunkte - und über die Abwehr muss man nicht viel sagen. Aber der beste Spieler auf dem Eis war schlicht und ergreifend Grubauer. Insgesamt 48 Saves markierte der Goalie, der ja erst vor einigen Tagen von den Washington Capitals nachgerückt war, stoppte einen Schuss nach dem anderen. Mit einem durchschnittlichen Goalie hätte Kanada auch fünf oder mehr Tore machen können.

Der Flop des Spiels: Das deutsche Powerplay. Angesichts der großen Probleme im Spielaufbau musste Deutschland fast auf Überzahlsituationen bauen, um die kanadische Defense zu knacken. Davon war nichts zu sehen: Kanada verteidigte aggressiv, immer wieder flutschte die Scheibe aus dem Angriffsdrittel. Teilweise blieb Deutschland in Überzahl ganz ohne Torschuss, konnte sich nur sehr selten wirklich im Angriffsdrittel festsetzen. Bezeichnend, dass man in Unterzahl eine bessere Chance hatte, als in allen vier Powerplays zusammen.

Das fiel auf:

  • Man kann dem deutschen Team insgesamt nur ein Kompliment machen: Spielerisch war Sturms Team gegen den Weltmeister limitiert, aber der Kampf stimmte, der Körpereinsatz, die Laufbereitschaft, und dazu die starke Leistung von Philipp Grubauer, der schon in zweiten Drittel über 30 Saves auf dem Konto hatte. Auch nach dem 0:2 gegen einen übermächtigen Gegner ackerte das Team weiter und belohnte sich noch mit dem Anschlusstreffer.
  • Kanada hat bei weitem nicht alle NHL-Superstars dabei, man konnte an diesem Abend auch sicher nicht von einem "Klassenunterschied" sprechen. Aber die Dominanz der Kanadier war dennoch allgegenwärtig: 63 Prozent Scheibenbesitz, 50:20 Torschüsse, extrem aggressives Forechecking. "Es ist schwer, gegen sie aus dem eigenen Drittel zu kommen", konstatierte Dennis Seidenberg schon in der ersten Drittelpause, und das änderte sich auch im Verlauf des Spiels nicht.
  • Wie wurde das Angriffsspiel des DEB erstickt? Natürlich lag es auch an der größeren individuellen Klasse, aber die Taktik der Gäste stimmte: Cleveres Forechecking mit langen Phasen im deutschen Drittel, und wenn Deutschland mal im Scheibenbesitz war, musste gewechselt werden, wodurch die Anspielstationen fehlten. Zudem gewann Kanada fast drei Viertel aller Bullys. Und im Penalty Killing war Kanada brutal gut, verteidigte hart und verhinderte jeglichen Spielfluss beim Gegner.
  • Ein bisschen enttäuschend: Nach sensationeller Stimmung und jeweils fast 19.000 Zuschauern in der Gruppenphase war das Viertelfinale gegen die vielleicht größte Eishockey-Nation der Welt nicht ausverkauft. Die Stimmung in der Lanxess Arena stimmte, gerade in der Schlussphase, aber nicht einmal 17.000 Zuschauer waren dann doch überraschend.

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