"Am Ende zählen nur die Resultate"

Uwe Krupp sieht die Perspektive für das deutsche Eishockey durchaus optimistisch
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Deutschland steht bei der WM in Russland mit dem Spiel gegen Weltmeister Kanada (19.15 Uhr im LIVETICKER) vor einer Mammutaufgabe. Der frühere Bundestrainer Uwe Krupp, der aktuell die Eisbären Berlin coacht, spricht im Interview über die bisherigen DEB-Auftritte, die NHL-Cracks Leon Draisaitl, Tobias Rieder und Tom Kühnhackl sowie die Zukunft des deutschen Eishockeys.

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SPOX: Herr Krupp, das DEB-Team ist mit zwei Niederlagen in die WM gestartet. Warum hat sich die Mannschaft gerade gegen Frankreich so schwer getan? War der Druck zu groß, weil eigentlich ein Sieg Pflicht gewesen wäre, wenn man ins Viertelfinale will?

Uwe Krupp: Ich glaube nicht, dass irgendein Spieler vor dem ersten WM-Spiel an das Viertelfinale denkt. Der Auftakt ist einfach immer schwierig. Das gilt besonders, wenn du sofort als Favorit gegen eine Mannschaft antrittst, die irgendwie damit rechnet, eine Abstiegsmannschaft zu sein. Frankreich hatte nichts zu verlieren, was es ihnen erlaubt hat, locker aufzuspielen. Das hat die Franzosen stark und gefährlich gemacht.

SPOX: Im zweiten Spiel setzte es eine Pleite gegen Finnland, was sicher keine Schande ist. Waren Sie aber angesichts des diesmal guten deutschen Kaders nicht trotzdem überrascht, einen so deutlichen Qualitätsunterschied zu erleben?

Krupp: Nein. Finnland ist eine Weltklasse-Nation, die jedes Jahr eine Chance hat, Weltmeister zu werden. Um gegen einen solchen Gegner zu gewinnen, muss alles passen und unsere gesamte Mannschaft über sich hinauswachsen. Das klappt nur mit einem besonderen Spiel. Die Realität ist aber, dass es besondere Spiele nicht so oft gibt.

SPOX: Bundestrainer Marco Sturm bemängelte, dass seine Mannschaft nicht bereit gewesen wäre. Wie kann das bei so einer Partie überhaupt möglich sein?

Krupp: Wer weiß. Vielleicht waren sie bereit, aber halt nicht locker genug. So oder so zählen aber am Ende natürlich nur die Resultate. Ich bin mir sicher: Die Mannschaft hat einen guten Charakter und wird mit Marcos Hilfe einen Weg finden, die Spiele zu gewinnen.

SPOX: Gegen die Slowakei hat das Team eine tolle Reaktion gezeigt und quasi ein komplettes Spiel abgeliefert. War dafür in erster Linie Sturms Maßnahme verantwortlich, seine Parade-Reihe mit Draisaitl, Rieder und Reimer zu sprengen?

Krupp: Das kann man sicher so sagen. Es war eine Message an die Mannschaft, dass das, was in den ersten beiden Spielen gezeigt wurde, nicht reichen wird, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Und vielleicht noch wichtiger war, dass die Spieler wussten, dass es besser geht. Das haben sie gegen die Slowakei bewiesen.

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SPOX: Wie bewerten Sie bislang generell die Auftritte von Draisaitl und Rieder, die ja so etwas wie die deutschen Hoffnungsträger sind?

Krupp: Leon und Tobias sind Spieler, die die Qualität haben, bei einer WM für unsere Mannschaft Akzente zu setzen. Aber man darf bei allem Lob nicht vergessen, dass beide noch sehr jung sind. Ich glaube, dass Eishockey-Deutschland noch viel Freude an den beiden haben wird. Wichtig ist dabei, ihnen die nötige Zeit zu geben.

SPOX: Wen zählen Sie sonst zu den Schlüsselspielern im deutschen Team? Wer hat Ihnen bisher gefallen, wer eher weniger?

Krupp: Auffällig in der Vorbereitung war grundsätzlich die offensive Durchschlagskraft der Mannschaft. Das ist fast etwas ungewöhnlich für eine deutsche Nationalmannschaft, aber sehr erfreulich. Bei aller offensiver Euphorie darf man allerdings international niemals die Defensivaufgaben vernachlässigen - sonst kann der Schuss schnell nach hinten losgehen. Sobald unsere Mannschaft die richtige Balance zwischen Offensive und Defensive gefunden hat, holen wir auch die nötigen Punkte. Gegen die Slowakei haben wir gezeigt, wie das gemacht werden muss.

SPOX: Ein wichtiger Faktor ist grundsätzlich der Goalie, der in den ersten beiden Partien Timo Pielmeier hieß. Wie bewerten Sie seine Leistung und wie groß fällt das Upgrade durch Thomas Greiss aus, der nachkommt?

Krupp: Timo hat der Mannschaft den nötigen Rückhalt und eine Chance gegeben, Spiele zu gewinnen. Greiss wird es genauso machen. Trotzdem müssen die Jungs vor allem vor dem Torwart ihren Job erledigen.

SPOX: Wie kompliziert ist es grundsätzlich, Spieler während eines Turniers einzubauen?

Krupp: Das ist aus meiner Sicht recht unkompliziert, wenn es sich um Spieler aus der NHL handelt. Als problematisch kann sich höchstens die Situation erweisen, wenn diese Spieler nach einer längeren Pause direkt in extrem intensive Spiele hineinkommen und dann in der Erwartungshaltung des Umfelds sofort Spiel entscheidende Akzente setzen sollen.

SPOX: Das nächste Spiel steigt gegen Kanada - eine Mammutaufgabe. Geben Sie der deutschen Mannschaft unter gewissen Voraussetzungen eine kleine Chance?

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Krupp: Jedes Spiel fängt bei 0:0 an, es gibt immer eine Chance zu gewinnen. Um allerdings gegen Kanada zu punkten, brauchen wir so ein - wie vorher schon erwähnt - besonderes Spiel.

SPOX: Wie schätzen Sie die Chancen gegen die weiteren Gegner Weißrussland, USA und Ungarn ein?

Krupp: Ich denke, wir haben reelle Chancen, gegen Weißrussland und Ungarn zu punkten. Gegen die USA wird es sehr schwer, aber auch hier gilt: nichts ist unmöglich.

SPOX: Ist das Viertelfinale Ihrer Meinung dank des Sieges gegen die Slowakei wieder ein realistisches Ziel?

Krupp: Abwarten. Das wird sich erst im weiteren Verlauf des Turniers zeigen. Es ist schwer, in dieser Hinsicht eine Prognose abzugeben. Auch wenn es abgedroschen klingt: Man muss von einem Spiel zum nächsten schauen und am Ende sehen, für was es reicht. Das ist eine gute Herangehensweise.

SPOX: Lassen Sie uns zum Abschluss einen Blick in die Zukunft werfen. Wie sehen Sie das deutsche Eishockey mit Namen wie Draisaitl, Rieder oder auch Kühnhackl gerüstet?

Krupp: Da kommt eine neue Generation, die in den nächsten Jahren harte Aufgaben zu bewältigen haben wird. Der Unterschied zu den Nationen, die sich konstant vor uns etabliert haben, ist der: Wenn die erste Kategorie nicht da ist, hat auch die zweite Garde das Zeug, bei einer WM etwas zu reißen. Um dahin zu kommen, brauchen wir gezielte intensive Leistungssport-Nachwuchsarbeit im Eishockey, so wie es in anderen Ländern praktiziert wird.

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