"Der innere Schweinehund ist immer dabei"

Von Interview: Matthias Kohlmaier
Amtierender Olympiasieger von Peking 2008 und Laureus-Botschafter: Jan Frodeno
© letsmakeaplan.de

778 Kilometer pro Trainingswoche sind für Jan Frodeno keine Seltenheit. Im Interview mit SPOX spricht der Triathlon-Olympiasieger von 2008 über eine Sportart am Limit, mangelndes Fußballtalent und sein Engagement für die Laureus Sport for Good Foundation.

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SPOX: Herr Frodeno, wie laufen die Vorbereitungen für Ihren nächsten Wettkampf in Madrid?

Jan Frodeno: Die Vorbereitungen laufen sehr gut, das Resultat von Sydney habe ich dem Übertraining zugeschrieben. Dementsprechend fange ich gerade wieder mit einem Grundlagenblock an, das ist eigentliches immer ein ganz gutes Erfolgsrezept.

SPOX: Gibt es neben dem Übertraining noch weitere Gründe, weshalb es in Sydney nicht so gelaufen ist wie Sie gehofft hatten?

Frodeno: Ich wollte es vielleicht einfach zu sehr. Ich habe wohl zu stark forciert, weil ich mein Ergebnis aus Budapest wieder wettmachen wollte. Meistens geht es eben nach hinten los, wenn man etwas so verbissen angeht. Ich habe die Schrauben einfach im Voraus ein bisschen zu fest angezogen, aber da lernt man natürlich auch dazu.

SPOX: Kann man davon sprechen, dass es vom Gesamtpaket nicht gepasst hat oder geht es eher um eine einzelne Disziplin, die noch nicht so stark ist?

Frodeno: Das Ironische ist, dass die Form eigentlich in allen drei Disziplinen sehr gut ist. Ich habe über den Winter sehr viel im Laufen gemacht, Südafrika ist natürlich auch ein ganz tolles Rad-Terrain, so dass die Form auf dem Rad auch absolut in Ordnung ist. Beim Schwimmen habe ich mich den Spezialisten angeschlossen und auch da schon einiges gemacht. Aber so ist das eben im Ausdauer-Sport: Wenn die Frische fehlt und ich erkenne, dass ich nicht um die ganz vorderen Platzierungen mitkämpfen kann, dann macht der Kopf manchmal auch recht bald zu.

SPOX: Sie haben die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 in London als oberstes Saisonziel ausgegeben. Ist das nach dem Wettkampf in Sydney immer noch so?

Frodeno: Absolut. Nach meiner ersten Olympiaerfahrung habe ich erkannt, dass die Olympischen Spiele das Ziel meiner sportlichen Karriere sind. Das ist einfach das Größte. Deshalb werde ich diese Hürde sehr ernst nehmen und alles dafür geben, dass ich sie auch meistere.

SPOX: Wenn die Qualifikation für Olympia ihr oberstes Saisonziel ist, ist die WM-Serie dann in diesem Jahr zweitrangig?

Frodeno: Das muss man schon so sehen. Natürlich versuche ich aber trotzdem in der WM ganz vorne mitzumischen. Es liegt einfach nicht in meiner Natur, irgendwo anzutreten um dann 15. zu werden. Aber von der Trainingsperiodisierung her ist alles so ausgelegt, dass die Form beim Qualifikationswettkampf am 7. August in London stimmt.

SPOX: Sie haben kürzlich gesagt, dass sie im vergangenen Jahr kurz vor einem Burn-Out standen. Besteht da die Gefahr, dass so etwas wieder passiert?

Frodeno: So eine Gefahr besteht wohl immer, wenn man am Limit ist. Diese Phase hat mir auf jeden Fall gezeigt, dass ich ohne den Sport nicht leben kann. Aber ich bin einfach auch ein freiheitsliebender Typ, der sich auf gut deutsch auch mal die Seele aus dem Leib kotzt, wenn er einen Berg hoch rennt, anstatt jedes Mal ein strukturiertes Tempolaufprogramm auf der Bahn zu machen. Da muss ich ein bisschen aufpassen, dass ich mir diese Art erhalte und nicht nur auf Trainingsmethodik gehe. Ich will auch das befriedigen, was mich ausmacht und das ist einfach die Motivation und der Spaß am Sporttreiben allgemein und nicht an der Wissenschaft des Sports.

SPOX: Ergreifen Sie präventive Maßnahmen, um nicht noch mal in so ein mentales Loch zu fallen?

Frodeno: Ich weiß für mich selbst inzwischen sehr genau, wann ich keine öffentlichen Termine mehr wahrnehmen will und scheue mich dann auch nicht, einfach nein zu sagen. Grundsätzlich freue ich mich natürlich über jede Form von Medieninteresse, ich muss aber auch zusehen, dass ich mir immer wieder meine Ruhephasen nehme und das Ganze vor allem auch mit dem Training unter einen Hut bekomme. Das schönste Medieninteresse ist schließlich immer noch das, wenn man sportlichen Erfolg hat.

SPOX: Sie sind seit kurzem offizieller Laureus-Botschafter. Wie kam es dazu?

Frodeno: Das entstand in erster Linie dadurch, dass Laureus Charity-Partner des Triathlon-Weltverbandes geworden ist. Ich bin dann zu den Laureus-Awards eingeladen worden und dann kommt man unter Sportlern natürlich sehr schnell ins Gespräch. Der Grundgedanke dabei ist, dass man im Sport einfach mehr bewegen kann als nur sich selbst. Dass man Leute damit infizieren kann und ihnen auch zeigen kann, dass der Sport ihr Leben bereichert. Für mich ist es so, dass der Sport mich definiert und prägt und das möchte ich gerne weitergeben. Der Sport kann vielen Menschen eine Zuflucht geben.

SPOX: Es bedeutet Ihnen offensichtlich sehr viel, dass sie in der Laureus-Organisation ihren Teil beitragen können.

Frodeno: Natürlich. Es ist eine Riesenehre für mich und ich fühle mich sehr wohl in der Gesellschaft.

SPOX: Welche praktischen Aufgaben übernehmen sie für Laureus?

Frodeno: Die meisten Dinge sind eigentlich im direkten Umfeld von Rennen. Wenn wir jetzt zum Beispiel nach London gehen, gibt es dort ein Basketballprojekt für Straßenkinder. In Sydney hatten wir ein Rugbyprojekt für sozial Benachteiligte. Dazu kommt noch eine Triathlonveranstaltung in Deutschland, die ich sehr gern besuchen möchte. Dort können die Teilnehmer ein Trainingswochenende an der Sporthochschule in Köln ersteigern, wo die Einnahmen auch einem karitativen Zweck zugeführt werden.

Seite 2: Jan Frodeno über Fußball und seine Schwimm-Antipathie

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