Stan Wawrinka – „Ich will den Titel hier mit aller Macht“

Im Finale darf Novak Djokovic vom Schweizer keine Geschenke erwarten.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 10.09.2016, 10:24 Uhr

NEW YORK, NY - SEPTEMBER 09: Stan Wawrinka of Switzerland celebrates defeating Kei Nishikori of Japan during their Men's Singles Semifinal Match on Day Twelve of the 2016 US Open at the USTA Billie Jean King National Tennis Center on September 9, 20...

Wenn Stan Wawrinka auf seine Arbeitsbilanz gegen Novak Djokovic schaut, kann er eigentlich nicht zufrieden sein. Seit zehn Jahren begegnen sich der Schweizer und der Serbe auf den Center Courts des weltweiten Tennisbetriebs, und Djokovic dominiert auch dieses ganz persönliche Duell mit einigermaßen großer Deutlichkeit. Aber so klar, wie die Verhältnisse auf den ersten Blick scheinen, sind sie gar nicht. Weder für Wawrinka, den Mann, der nur vier von 23 Matches gegen den Capitano der Branche gewinnen konnte. Und auch nicht für Djokovic, den Nummer-eins-Spieler, der über viele Jahre so etwas wie ein Angstgegner für Wawrinka war. Und dann aber unfreiwillig zu dessen spätem Aufstieg in die engere Weltspitze beitrug. "Die Matches gegen Djokovic sind etwas ganz Besonderes in meiner Karriere gewesen", sagte Wawrinka, der bei den Offenen US-amerikanischen Meisterschaften des Jahres 2016 erstmals das Finale des abschließenden Saison-"Majors" erreichte und, was für ein Wunder, auf den wohlvertrauten Frontmann und Weggefährten trifft.

"Es ist verrückt, in diesem Finale zu stehen"

Wawrinka, wegen des Zwangsverzichts von Roger Federer der einzige Eidgenosse von Belang in der Grand-Slam-Konkurrenz, hatte am Freitagabend in drückender Schwüle den japanischen Superstar Kei Nishikori nach einem Stotter-Start noch souverän mit 4:6, 7:5, 6:4 und 6:2 besiegt. "Es ist verrückt, in diesem Finale zu stehen. Absoluter Wahnsinn", sagte Wawrinka, und er sagte es vielleicht auch, weil er in diesem berauschenden Moment noch einmal an das Zittern und Zagen in der dritten Runde dachte, an jene Augenblicke im Match gegen den Briten Dan Evans, in denen er sogar einen Matchball gegen das frustrierend frühe Turnier-Aus hatte abwehren müssen.

Nun aber wieder ein Endspiel, das dritte große Finale in der dritten Saison hintereinander. Und wieder ein Vergleich mit Djokovic, der lange Zeit, wie gesagt, der große Spielverderber auch für Wawrinka war. "Wenn du gegen ihn spielst, bringt es das Beste aus dir selbst heraus", sagt Wawrinka. So wie in jenem legendären Achtelfinale in Melbourne, vor gut dreieinhalb Jahren, als der immer schon talentierte, immer schon ambitionierte Wawrinka plötzlich eine ganz andere Statur auf größter Grand-Slam-Bühne zeigte und den haushohen Favoriten in einen begeisternden Fünf-Satz-Marathon zwang - Wawrinka verlor 10:12 im Schluss-Akt, aber er gewann auch. Nämlich das Selbstvertrauen und die Gewissheit, mit den Besten der Besten in seinem Sport mithalten zu können. Dort, wo es zählt, bei den Grand-Slam-Turnieren. "Es war der Durchbruchmoment für Stan", sagte sein Trainer Magnus Norman, der geschätzte, kompetente Vertraute.

"Dieses Zutrauen habe ich mir auch hart erarbeitet"

Ein Jahr später, im Januar 2015, trafen sich Wawrinka und Djokovic in Melbourne wieder, auf dem Center Court, in der Rod-Laver-Arena - und wie zur Bestätigung des späten Karriereaufschwungs kämpfte sich Wawrinka in einem neuerlichen Duell über die volle Distanz, nun im Viertelfinale, gegen den Spitzenmann durch. Es war auch der entscheidende Sieg vor dem noch größeren Sieg, vor dem ersten Major-Triumph, an der Schwelle zu seinen Dreißigern. Wawrinka hatte sich da gleich von zwei Spielern emanzipiert, von Roger Federer, in dessen Schatten er es sich einige Zeit auch etwas zu behaglich und gemütlich eingerichtet hatte, bevor er mehr Courage und die nötige professionelle Statur zeigte. Aber eben auch von Djokovic, gegen den er nun aus der Verlierer- und Opferrolle schlüpfte und sich selbst einen Platz im engeren Eliterevier zuwies.

Die Wege von Wawrinka und Djokovic kreuzten sich häufiger, ganz einfach, weil der zweite Schweizer in der Weltspitze nicht immer, aber immer öfters in entscheidenden Turnierrunden auftauchte. Im Juni 2015 verdarb er Djokovic sogar (vorerst) dessen großen Lebenstraum, den Gewinn des letzten fehlenden Grand-Slam-Titels in Paris. Wawrinka siegte in vier Sätzen, er war nicht nur in jenem Finale einer der wenigen Spieler der Gegenwart, die in eigener spielerischer Pracht mit Djokovic mithalten und ihn bezwingen können. "Ich weiß, dass diese Kraft in mir steckt", sagte Wawrinka, "dieses Zutrauen habe ich mir auch hart erarbeitet."

Keine Präsente für Djokovic im Finale

Wawrinka geht in das letzte Duell von New York sogar als Favorit, denn Djokovic wirkt angeschlagen und ermattet nach den Strapazen der letzten Monate. Immer wieder ließ er sich im Turnierverlauf behandeln, an den Handgelenken, an beiden Schultern zuletzt auch im Halbfinale gegen den enttäuschenden Franzosen Monfils. Djokovics Trainer Marian Vajda erklärte sogar in einem Interview, dass vor dem Turnier lange Zeit eine Absage im Raum gestanden habe wegen der körperlichen Schwierigkeiten. Djokovic bekam vieles geschenkt in diesem Turnier, zur zweiten Runde musste er wegen einer Verletzung des Russen Mikhail Youzhny gar nicht antreten, in der dritten Runde und im Viertelfinale (Jo-Wilfried Tsonga) gaben seine Gegner auf.

Selbst das Halbfinale gegen den gespenstisch uninspirierten Monfils erschien noch wie ein Spaziergang. Im Finale darf Djokovic auf keine Präsente mehr hoffen, gegen jenen Wawrinka, der ihm inzwischen auf Augenhöhe gegenüber tritt. "Ich will den Titel hier mit aller Macht", bestätigte Wawrinka.

Hier die Ergebnisse von den US Open: Einzel , Doppel , Einzel-Qualifikation .

Hier der Spielplan.

von tennisnet.com

Samstag
10.09.2016, 10:24 Uhr