Oliver Lederer im SPOX-Interview: "Ich musste mich neu finden"

SPOX bat Oliver Lederer zum ausführlichen Interview
© GEPA
Cookie-Einstellungen

SPOX: Klubs wie Rapid, Austria und Sturm - Salzburg ausgeklammert - scheinen so große Probleme wie nie zu vor zu haben, mit einem tiefen Block und schnellem Umschalten umzugehen. Warum?

Lederer: Ich kann die Frage nur aus meiner persönlichen Sicht interpretieren. Ich sehe momentan interessante Entwicklungen. beispielsweise den WAC und wie die Kärntner gegen die Austria aufgetreten sind: Das war schon sehr flexibel. Der WAC kann tief verteidigen, umschalten, forsch pressen und im Ballbesitz gute Lösungen finden. Der LASK ist ebenfalls eine Mannschaft, die im ersten Schritt der Ära Glasner darauf gesetzt hat, die defensive Struktur zu perfektionieren. Und nun treten sie immer dominanter auf und spielen eine richtig gute Rolle. Es geht immer um Entwicklungen und Gegenentwicklungen. Ich glaube, dass man sehr sorgfältig zwischen einem Trend und einer Entwicklung unterscheiden muss. Bei Entwicklungen sollte man dabei sein, bei Trends sollte man darüber nachdenken, ob man ihn getrost ignorieren und Mut zur Lücke beweisen kann und nicht hinterherhechelt. Das bespielen des tiefen Blocks bleibt aber weiterhin das Schwierigste im Fußball. Den Gegner auszuspielen und dabei nicht gegen Konter anfällig zu sein. Aber da sehe ich auch in Österreich interessante Trainer, wie Ilzer und Glasner.

SPOX: In Traiskirchen können Sie nun abseits der großen Scheinwerfer an Ihrer Philosophie feilen - ohne dass jede Entscheidung hinterfragt wird.

Lederer: Das war auch ein Grund für meine Entscheidung. Ich wurde von einigen Seiten für meinen Schritt in die Regionalliga belächelt. Für mich war es aber ein wichtiger Schritt zurück zu mir selbst, um mir die Frage zu stellen: Für welchen Fußball stehe ich? Was bin ich im Stande zu leisten? In Traiskirchen habe ich wenig Druck und das Umfeld vertraut mir. Das habe ich in dieser Phase gebraucht um an meinen Schwachstellen zu feilen. Gemeinsam mit meinem Co-Trainer (Samuel Akhondi, Anm.) arbeite ich daran, wieder nach oben zu kommen. Aber das schieben wir vorerst zur Seite und legen den Fokus auf Traiskirchen.

SPOX: Sie sagen das so demütig. Haben Sie Sorgen, dass kein Anruf von einem Klub aus Liga eins oder zwei kommt?

Lederer: Ein schwieriges Thema. Diese Zweifel begleiten mich absolut. Ich weiß wie viele sehr, sehr gute Trainer um die wenigen Plätze ritter, und einige keine Möglichkeit bekommen. Und dass die St.-Pölten-Ära bei vielen Klubverantwortlichen mehr Eindruck hinterlassen hat, als die erfolgreiche Phase bei der Admira. Ich will in Traiskirchen den Beweis antreten, dass ich nicht beratungsresistent, sondern überzeugt davon bin, Spieler besser zu machen. Es gibt viele Wege nach oben. Ich will mit meiner Mannschaft und meinem Trainerteam weiter wachsen um gerüstet zu sein, wenn sich oben wieder eine Chance ergibt. Ich will mir - und viel wichtiger - meinem Verein und den Spielern das ersparen, was in St. Pölten passiert ist. Das ist zermürbend und raubt einem die Kräfte.

SPOX: Ich würde Ihr Standing in Österreich nicht so kritisch einschätzen.

Lederer: Ich habe noch immer das Rule-Breaker-Interview von Thomas Tuchel im Kopf. Da beschreibt er, dass er alles nur dem damaligen Präsidenten von Mainz zu verdanken hat, der ihn vom Jugendtrainer zum Cheftrainer machte. Wer hat denn jetzt den Mut, Oliver Lederer, der in St. Pölten an die Wand gefahren ist und nun Traiskirchen in der Regionalliga trainiert, eine Chance zu geben und nach oben zu holen? Es war mir schon zweimal vergönnt, in der Bundesliga zu trainieren. Einmal erfolgreich und einmal nicht. Und ich werde alles daran setzen, dass mir das noch einmal gelingt. Und wenn das nicht passiert, werde ich es als große Ehre erachten, dass ich einmal im elitären Kreis der Bundesliga-Trainer war. Mein Co-Trainer und ich treiben einen riesengroßen Aufwand, um gute Arbeit zu leisten und demütig zu werden. Unser Ehrgeiz ist ungebrochen.

SPOX: Zuletzt haben sich viele Protagonisten zur Entlassung von Heiko Vogel beim SK Sturm geäußert. Auch Oliver Glasner. Sie kennen Heiko Vogel persönlich.

Lederer: Für mich war Heiko Vogel schon vor seinem Wechsel nach Österreich sehr spannend. Weil er unter Guardiola die Nachwuchsmannschaft des FC Bayern trainiert hat und dadurch einen sehr spannenden Zugang hat. Ich hörte mir einen sehr interessanten Vortrag von ihm an, als er in Basel tätig war. Ich finde, Sturm ist vergangene Saison unter Vogel sehr spannend aufgetreten. Da war immer eine konkrete Idee dahinter. Darüber hinaus möchte ich betonen, wie er mit mir persönlich umgegangen ist. Das war freundlich, zuvorkommend, respektvoll, nie von oben herab. Er ist ein sehr angenehmer, sympathischer Trainerkollege. Es tut mir wirklich sehr leid für ihn, ohne Sturms Entscheidung in Frage zu stellen. Sie haben sich das sicher nicht leicht gemacht. Es ist schade, vor allem wenn man sieht, wie das letzte Unentschieden zu Stande gekommen ist. Ich denke, dass es nicht zur Entlassung gekommen wäre, wenn er sich nicht einen Sieg auferlegt hätte. So ist es der Fußball. Heute trifft es Heiko Vogel, morgen den nächsten.

SPOX: Heiko Vogel hatte oft spannende Ansätze. Direkt nach seinem Wechsel zu Sturm ließ er etwa die Innenverteidiger im Ballbesitz nach außen rücken, die Außenverteidiger tauchten im zentralen Mittelfeld auf wie etwa David Alaba unter Guardiola.

Lederer: Er hat auch gegen uns mit einrückenden Außenverteidigern gespielt. Das hat mir das Leben ein paar Minuten schwer gemacht, weil ich nicht gleich die passende Antwort hatte, weil er die Außenverteidiger höher einrücken ließ, fast schon im Zwischenlinienraum eine Etappe höher. Das war damals Potzmann, wenn ich mich richtig erinnere. Man hat gesehen, dass er sich Gedanken macht. Ich beobachtete die Reaktionen der Sturm-Spieler und sah, dass es ein gutes Verhältnis war. Keine Spur davon, dass der Trainer nicht mehr die Mannschaft erreicht.

SPOX: Abschließend ein Themen-Wechsel: Sie haben jetzt als Experte bei DAZN alle Europa-League-Spiele von Rapid begleitet. Ein Kontrast zum Trainer-Job.

Lederer: Ich bin für die Chance wirklich dankbar. Das ist eine total spannende Geschichte und man bekommt einen ganz anderen Zugang. Die Stimmung bei DAZN ist Fußball pur und ein toller Austausch. Die Anforderung bei DAZN ist eine Spur höher, weil man das Spiel live und in Echtzeit mit seiner Expertise begleitet. Es ist viel leichter, nach dem Spiel zu bewerten und "gscheit' daherzureden". So muss man immer hochkonzentriert sein und entscheiden, was man dem Zuschauer mitgibt. Was ist zu oberflächlich? Was geht zu sehr in die Tiefe? Dieser Spagat ist oft nicht ganz einfach. Für mich ist das ein weiterer Reifeprozess. Es ist voll lässig, Teil eines wachsenden, dynamischen Unternehmens zu sein.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema