Was Koller Janko & den England-Legionären rät

Von Martin Hanebeck
Marcel Koller
© GEPA

Vor seinem 50. Länderspiel steht Marcel Koller und das ÖFB-Team an einer Kreuzung. Bei der Kaderbekanntgabe für das Match gegen Irland stellte Koller seinen Spieler öffentlich die Rute ins Fenster, teilte kräftig aus. Im Interview mit SPOX gibt der Schweizer nun darüber Auskunft, wie lange er noch Teamchef bleiben will, welche Einstellung er von seinen Spielern erwartet und was er Marc Janko und den England-Legionären rät.

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Österreichs Teamchef Marcel Koller hat eine turbulente Woche hinter sich. Er monierte öffentlich fehlende Motivation bei einigen Spielern, übte harsche Kritik. Vor allem Andreas Ulmer bekam sein Fett weg ("Auf Abruf muss man kurzfristig verfügbar sein. Da kann ich nicht in Mauritius am Pool liegen. Ich kann das leider nicht nachvollziehen"). Vor seinem 50. Länderspiel im so wichtigen WM-Qualispiel gegen Irland könnte sich der Wind drehen, nörgelnde Stimmen gegen Koller werden lauter. Es knistert also im ÖFB-Team. Grund genug, dem Teamchef einige Fragen zu stellen.

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SPOX: Herr Koller, Sie stehen vor Ihrem 50. Länderspiel. Macht die Arbeit noch Spaß?

Marcel Koller: Wenn die Spieler hier sind und der Lehrgang losgeht, dann macht das extrem viel Spaß. Aber es gehört auch Theorie und Vorbereitung dazu, das ist vielleicht ein wenig trocken.

SPOX: Hätten Sie 2011, als Sie ÖFB-Teamchef wurden, mit so einem langen Verbleib gerechnet?

Koller: Nein, ich bin schon länger im Geschäft und weiß, dass man im Fußball vom Erfolg abhängig ist. Ich hätte nicht gedacht, dass es über fünfeinhalb Jahre werden.

SPOX: Laut einer Studie sehen die Österreicher Sie als charmanteste Person im Sport. In Bochum waren Sie nicht so beliebt. Gab es einen Image-Wandel?

Koller: Es wäre ja schlecht, wenn ich mich als Mensch nicht weiterentwickle. Es ist natürlich so, dass man sich Gedanken macht, was man an sich ändern muss, was man falsch gemacht hat. Ich glaube aber nicht, dass ich mich in meinem Wesen völlig verändert habe. Bei Bochum ging es fast immer um den Abstieg, da ist es auch schwierig, immer Positives zu vermitteln. Da geht es mehr um Existenzängste. Da ist es schwierig, immer locker zu bleiben.

SPOX: Sie haben die Spieler zuletzt so hart kritisiert wie noch nie. Man hört, dass die Spieler in der EM-Quali vielleicht noch ein bisschen lieber zum Nationalteam gefahren sind. Fehlt der Biss?

Koller: Mit dem Nationalteam ist zusätzlicher Aufwand verbunden. Und wenn du dann vielleicht zehn Jahre dabei bist, eine Familie gründest und wenige Tage frei hast, ist es schwierig, den Fokus zu finden und scharf zu sein. Das ist mir völlig bewusst. Es ist aber so, dass wir beim Nationalteam gemeinsam etwas erreichen möchten. Wir haben jetzt einmal an einer EURO geschnuppert und das muss grundsätzlich das Ziel sein. Da muss der Spieler entscheiden: Will ich da mitmachen?

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SPOX: Wie können Sie jetzt vermitteln, dass es gegen Irland um alles geht?

Koller: Es ist schon Fokus erkennbar, aber wenn mal eine Trainingseinheit nicht das Gelbe vom Ei war, muss man das ansprechen. Ich will das jetzt schon schärfen. Die Spieler müssen wissen, was ihnen bevor steht. Wir haben die Iren ja schon erlebt: Die sind so nah dran, laufstark, zweikampfstark, robust. Das wird wieder kommen. Ich will nicht, dass da irgendjemand auf dem Platz steht und sagt: Ich wusste ja nicht, dass die so spielen.

SPOX: Die meisten Teamspieler kommen aus Deutschland. Was macht sie zu einem wichtigen Grundgerüst?

Koller: Du hast mehr Druck, die Konkurrenz im Kader ist größer, der Rhythmus schneller. Wenn du dich an das gewöhnt hast, bist du dementsprechend besser. In Deutschland musst du dich gegen alle anderen durchsetzen. Schaffst du das, ist das ein Qualitätsbeweis.

SPOX: ...was in der österreichischen Bundesliga nicht der Fall ist?

Koller: Wenn du talentiert bist und individuelle Qualität hast, ist der Druck in Österreich geringer, weil die Konkurrenz geringer ist. In Deutschland ist das nicht so. Da kommt es nicht nur auf Talent an, sondern auch auf Wille, körperliche Präsenz.

SPOX: Sie machen ja kein Geheimnis daraus, irgendwann wieder zum Klub-Fußball zurückkehren zu wollen. Wäre die österreichische Bundesliga eine Option?

Koller: Grundsätzlich denke ich schon, noch einmal einen Verein zu trainieren. Mir fehlt der Kontakt zu den Spielern. Aber ein langer Teamlehrgang ist ja ähnlich wie ein Trainingslager. Man ist von morgens bis abends gemeinsam zusammen, man hat aber nicht die Möglichkeiten, den Spielern das so intensiv mitzugeben. Ich bin da sehr verbissen. Im Nationalteam geht das eben nicht so schnell. Aber ich mache mir keine Gedanken über den Klub-Fußball. Bevor ich in die Pension gehe, ist es aber sehr wahrscheinlich, noch einmal einen Verein zu trainieren. Ich schließe die österreichische Bundesliga nicht per se aus, da muss es dann von beiden Seiten einfach passen.

SPOX: Marc Jankos Vertrag beim FC Basel wird nicht verlängert, im Sommer ist er vereinslos. Er meinte, er würde Sie um Rat fragen. Was raten Sie ihm?

Koller: Er muss sich die Frage stellen, 'Was will ich?', 'Wo sind meine Möglichkeiten?'. Er ist ein Spieler, der weiß, wo das Tor steht und im Sechzehner sehr präsent ist, dort unzählige Tore erzielt hat. Jetzt geht es darum, ob er Stammspieler sein will oder ob es auch passt, wenn er mal nur 45 Minuten, 30 Minuten am Feld steht. Das muss er mit dem Trainer und dem Klub eruieren. Ich bin überzeugt davon, dass er weiterhin Tore schießt, wenn er einen neuen Klub findet.

SPOX: Meinen Sie, er soll in eine bessere Liga gehen und eine kleinere Joker-Rolle übernehmen?

Koller: Das kommt darauf an, ob jemand Interesse hat. Janko ist ein hervorragender Mensch und Typ, sehr intelligent. Ich bin aber der falsche Ansprechpartner. Er hat auch dem FC Basel gegenüber sehr viel Respekt gezeigt, hat die Entscheidung verstanden, warum sein Vertrag nicht verlängert wird.

SPOX: Gehen wir auf das nervige Thema des Linksverteidigers ein. Braucht man gar keinen mehr? Ist die Dreierkette, die gegen Moldawien so gut funktioniert hat, die Zukunft?

Koller: Das machen wir vom Gegner abhängig. Die Anzahl der Personen in der Abwehrkette sind egal. Es muss für uns das beste System sein. Es ist wichtig, dass wir die Spieler auf der Position einsetzen, wo sie für uns am meisten bringen.

SPOX: Ich habe die Frage auch Zlatko Junuzovic gestellt - wie nervig sind Sportjournalisten? Die fragen ja immer das gleiche, oder?

Koller: Da gibt's schon solche, wo du spürst, sie kennen sich ein bisschen besser aus. Die Fragen sind auch dementsprechend. Manche beschäftigen sich nicht so intensiv mit der Materie. Das ist aber auch manchmal belustigend, manchmal ist es traurig, manchmal bin ich aggressiv.

SPOX: Wie gerne gehen Sie in Interviews?

Koller: Ich mache das eigentlich gerne.

SPOX: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der England-Legionäre?

Koller: Aktuell sind es Arnautovic, Prödl und Wimmer. Der Kevin spielt leider nicht. In dem Alter wäre es wichtig, dass er zum spielen kommt. Jetzt muss man sich die Frage stellen, ist Tottenham der richtige Schritt, der ihn weiter bringt? Vielleicht wäre eine Leihe nicht schlecht, wo er öfters zum Zug kommt. Basti hat eine tolle Saison gespielt, wo er seine Robustheit im Abstiegskampf beim FC Watford und seine Kopfballstärke gut einbringen hat können. Marko fehlt uns leider im Spiel gegen Irland, aber er hat einen fantastischen Weg gemacht. Er hat unglaublich viel Qualität, ist ein fantastischer Fußballer. Natürlich ist er auch sehr sensibel, auf alles was rundherum passiert. Dementsprechend hoffe ich, dass er dieses Level noch weiter steigern kann. Auch wenn sein Fehlen schmerzt, ich bin überzeugt, dass wir gegen Irland mit sehr viel Teamgeist etwas erreichen können.

Marcel Koller im Steckbrief

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